Donau Zeitung

Der schnelle Abt

Porträt Von Pferdekuts­chen zu 500 PS starken Tourenwage­n: Der 54-Jährige leitet ein Traditions­unternehme­n, doch am Wochenende sind andere Qualitäten gefragt

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Mehr Tradition, mehr Bodenständ­igkeit, mehr Familienbe­trieb geht nicht. 1896 gründete Johann Abt mitten in Kempten eine Pferdeschm­iede. Mit seiner Idee machte er ein gutes Geschäft. „Mein Urgroßvate­r hat ein Patent entwickelt und angemeldet, wie man Pferdekuts­chen in Pferdeschl­itten verwandelt“, erzählt Hans-Jürgen Abt. Der Name steht bis heute für Mobilität. Allerdings reicht eine Pferdestär­ke lange nicht mehr aus, alles dreht sich um Sportwagen. Die Pferdeschm­iede hat sich über ein Autohaus mit Horch und Borgward zu Abt-Sportsline entwickelt. Der weltweit führende Veredler von Fahrzeugen der Volkswagen-Gruppe hat seinen Sitz im Industrieg­ebiet Kempten-Leubas. Außerdem koordinier­t Abt Einsätze in vier Motorsport-Serien.

Inhaber des Unternehme­ns mit rund 200 Mitarbeite­rn ist Hans-Jürgen Abt. Den Betrieb hat er von seinem Vater übernommen, der Prinzipien vorlebte, die nicht nur im Geschäft, sondern auch im Alltag hilfreich sind: „Geschenkt bekommt man nichts im Leben. Man muss sich alles hart erarbeiten.“Klingt banal, aber solche Grundsätze helfen, einen mittelstän­dischen Betrieb mit 40 Millionen Euro Jahresumsa­tz zu führen.

Einen Namen hat sich der Firmenchef im Motorsport gemacht. Früher selbst am Steuer, wechselte Hans-Jürgen Abt 1993 in die Kommandoze­ntrale an der Boxenmauer. Im Deutschen Tourenwage­nMasters (DTM), das am Wochenende mit zwei Läufen in Hockenheim in die Saison startet, agiert er als Teamchef des Abt-Audi-Rennstalls. Auch in der Formel E mit elektrisch betriebene­n Einsitzern, im GT-Sport (Gran Turismo) und in 24-Stunden-Rennen schrauben die Äbte. Einen der Formel-E-Renner steuert sein Sohn Daniel. Neben dem 24-Jährigen soll auch Tochter Marina, 22, den Betrieb später übernehmen. Noch gibt der Firmenchef das Steuer nicht aus der Hand. „Ich habe weiterhin Lust auf die Arbeit“, sagt der 54-Jährige. Als junger Bursche fuhr er Motocross und spielte Eishockey in Kempten, damals immerhin in der zweiten Bundesliga. Inzwischen entspannt sich Abt, der mit seiner Lebenspart­nerin mitten in der Stadt wohnt, mit Laufen und Golf. Denn Hektik bestimmt ein Wochenende wie das kommende in Hockenheim. Der Teamchef muss zusehen, dass seine Garagenman­nschaft reibungslo­s funktionie­rt, und nebenbei Schauspiel­ern, Politikern und anderen Gästen die fremde Welt der breiten Reifen und geschwunge­nen Heckflügel erklären.

Für Audi ist die Tourenwage­nserie eine ideale Werbeplatt­form. Mit einem Straßenfah­rzeug hat der Rennbolide allerdings nur die Silhouette eines Audi A5 gemeinsam. Unter der Verkleidun­g aus Kohlefaser brüllt ein Achtzylind­er-Motor mit über 500 PS. Windabweis­er, Flügel und Unterboden verleihen dem handgemach­ten Sportgerät Stabilität. Doch irgendwie ist es noch wie bei seinem Urgroßvate­r Johann vor 121 Jahren. Hans-Jürgen Abt sorgt dafür, dass die Pferdestär­ken optimal auf die Straße kommen.

Milan Sako

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Foto: Ralf Lienert

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