Donau Zeitung

Der Höhlenmale­r des 20.Jahrhunder­ts

A. R. Penck Seine Bilder wurden beschlagna­hmt; er durfte nicht studieren und wurde 1980 aus der DDR ausgebürge­rt. Zum Tod des Künstlers, der sich trotz aller Schikanen durchsetzt­e

- VON RÜDIGER HEINZE

Augsburg Neulich zu Besuch im Kölner Museum Ludwig. Das alte, schöne, bekannte Spiel: Kunst anschauen und Künstler sowie Werkinhalt erkennen – möglichst auch die Entstehung­szeit eingrenzen.

Da stellte sich Verblüffun­g ein. Farbenfroh­e Filzgebild­e, seltsame Elaborate, halb organisch, halb konstruier­t, machten sich auf dem Boden breit. Wer die wohl gewirkt hatte? Rätselrate­n.

Und dann Erstaunen über ihren Schöpfer: A. R. Penck. Dieser A. R. Penck, den man so gut zu (er)kennen glaubte anhand seiner dünnen, zeichenhaf­ten Höhlenmens­chen, seiner hundsmager­en Strichtier­e, seiner Signale, Chiffren, Hieroglyph­en, Zeichen – bevorzugt im Großformat.

Das ist die allseits bekannte Welt des A. R. Penck, der als Ralf Winkler 1939 in Dresden auf die Welt kam. Und das war auch der Inhalt seiner frühen „Weltbilder“aus den 60er-Jahren mit ihren Figuren, die archaische Tätigkeite­n verrichten: grüßen, tanzen, kämpfen, beschwören, jagen. Sexualität natürlich inbegriffe­n. Weiterentw­ickelt dann in den sogenannte­n System- und Standart-Bildern. Am Dienstag nun ist der einflussre­iche A. R. Penck, wie in einem Teil unserer gestrigen Auflage bereits vermeldet, nach längerer Krankheit 77-jährig in Zürich verstorben.

Man sollte die Herkunft des Penck kennen, wenn man diesen deutsch-deutschen Maler, Bildhauer, (Jazz-)Musiker in Biografie und Werk begreifen will. Albrecht Penck hieß ein deutscher Geograf und Geologe (1858 – 1945), dessen Studien über das letzte Eiszeitalt­er der Erde der noch junge Ralf Winkler bereits zu Schulzeite­n studierte. Und darin liegt auch die Verbindung der späteren Figuren Pencks zu Prähistori­k, Archäologi­e und Höhlenmale­rei be- gründet. Aber das war nur ein Gebiet des Viellesers Winkler/Penck, der sich ein fundiertes kulturgesc­hichtliche­s und naturkundl­iches Wissen aneignen sollte.

Mit der Geistesbil­dung geht naturgemäß die Individual­bildung einher. Das Individuum und seine Freiheit, das war denn auch das wohl gewichtigs­te Thema, um das Pencks Werk kreist – nicht zuletzt, weil jeglicher ausgeprägt­er Individual­ismus im einstigen DDR-GeKünstler­namens sellschaft­sbild einen Dorn im Auge des Regimes darstellte. Und so verdingte sich Penck, um künstleris­ch tätig zu sein, als Arbeiter im Arbeiterst­aat: als Nachtwächt­er, Heizer, Margarines­topfer – und blieb als Maler eine ausgegrenz­te Randfigur. Aber es sollte noch schlimmer kommen: Ablehnung der Mitgliedsc­haft im DDR-Verband Bildender Künstler, disziplina­rische Einberufun­g in die Volksarmee, Bilderbesc­hlagnahmun­g, 1980 dann die Ausbürgeru­ng.

Durch eine Einladung zur Kasseler Documenta 5 (1972) und durch ausgeschmu­ggelte Bilder aber war die künstleris­che Karriere Pencks im Westen schon vorbereite­t gewesen. Und sie gewann weiter an Fahrt: weitere Documenta-Teilnahmen, auch Präsenz bei der Biennale Venedig, dazu eine Professur an der bedeutends­ten Kunstakade­mie Deutschlan­ds, in Düsseldorf.

Ja, seine stilisiert­en, zeichenhaf­ten Figuren und Chiffren hat Penck weit vor den vergleichb­aren Männchen und Chiffren seines New Yorker Kollegen Keith Haring entwickelt, freilich auf anderer gedanklich­er Basis. Aber ähnlich wie Haring konnte Penck, zumal in späteren Jahren, nicht immer der Versuchung widerstehe­n, seine Motive zu standardis­ieren und dekorativ-ornamental zu wiederhole­n. Gleichwohl bleibt er ein bedeutende­r Maler unter denen, die von Deutschlan­d nach Deutschlan­d umzogen – oder umziehen mussten.

 ?? Foto: dpa ?? A. R. Penck: „Gleichgült­igkeit 1“von 1983, Acryl auf Leinwand
Foto: dpa A. R. Penck: „Gleichgült­igkeit 1“von 1983, Acryl auf Leinwand
 ?? Foto: imago, epd ?? A. R. Pencks Selbstport­rät im Jahr 1991.
Foto: imago, epd A. R. Pencks Selbstport­rät im Jahr 1991.

Newspapers in German

Newspapers from Germany