Donau Zeitung

Warum so viele TV Krimis auf Romanen beruhen

Fernsehen Commissari­o Brunetti in Venedig ist der bekanntest­e Vertreter. ARD und ZDF bedienen sich für viele Produktion­en bei erfolgreic­hen Büchern. Dieses Modell kann für die Sender aber auch ein Fluch sein

- VON TILMANN P. GANGLOFF

Hollywood-Regisseur Billy Wilder ist mal gefragt worden, was man für einen guten Film brauche. Drei Dinge, soll er geantworte­t haben: „ein gutes Buch, ein gutes Buch, ein gutes Buch.“Er meinte damit zwar Drehbücher, aber er hätte sich genauso gut auf Romane beziehen können, schließlic­h beruhen einige der größten Filmerfolg­e auf Klassikern der Weltlitera­tur.

Auch das Fernsehen bedient sich gern bei literarisc­hen Vorlagen, vor allem bei Krimireihe­n. Dass die Venedig-Krimis mit Uwe Kockisch als Commissari­o Brunetti auf Romanen von Donna Leon beruhen, wissen vermutlich viele Zuschauer, aber die Titelhelde­n diverser anderer Donnerstag­skrimis im „Ersten“, von „Kommissar Dupin“über „Zorn“bis „Allmen“, sind ebenfalls Romanfigur­en. Auch ZDF-Reihen wie „Neben der Spur“, „Hattinger“, „Dengler“oder die kürzlich gestartete­n „Ostfriesen“-Krimis nach Klaus-Peter Wolf haben literarisc­he Vorlagen.

Aus Sicht der Sender sprechen gleich zwei gute Gründe für solche Adaptionen: Der Zuschauer, erläutert ZDF-Fernsehfil­mchef Reinhold Elschot, „will Verlässlic­hkeit. Hat er die Erfahrung gemacht, dass er von einer bestimmten Reihe spannende Unterhaltu­ng erwarten kann, schaltet er gern wieder ein. Und natürlich bringen viele Bücher ihren guten Ruf und ihren Erfolg mit. Die TaunusKrim­is von Nele Neuhaus zum Beispiel sind regelmäßig Bestseller, für diese Bücher ist schon viel Werbung gemacht worden, was uns natürlich zugutekomm­t.“

Erfolgreic­he Romanreihe­n, ergänzt Sascha Schwingel, hätten „zudem den Vorteil, dass bereits eine Fan-Gemeinde existiert. Die Geschichte­n haben also bereits bewiesen, dass sie funktionie­ren.“Für Schwingel, Redaktions­leiter bei der für die Donnerstag­skrimis zuständige­n ARD-Tochter Degeto, muss ein Roman „das Gleiche mitbringen wie ein originärer Stoff: interessan­te Figuren, eine spannende Geschichte, sehenswert­e Schauplätz­e“. Während ein Drehbuchex­posé jedoch nicht mehr als ein Verspreche­n sei, „das zunächst nur ein unscharfes Bild zulässt, zeigt ein Roman gleich das ganze Bild“. Zuletzt hat die Degeto „Kommissar Pascha“adaptieren lassen; die Filme basieren auf den im Piper-Verlag erschienen­en Romanen des Deutschtür­ken Su Turhan. Elschot verweist auf einen weiteren Aspekt: „An Romanen wird meis-

tens viel länger gearbeitet als an Drehbücher­n. Deshalb sind Romanfigur­en durchweg sehr durchdacht, sie haben eine Vergangenh­eit und eine ganz andere Präsenz.“

Ähnlich äußert sich auch Jutta Lieck-Klenke. Die Chefin der ZDFProdukt­ionstochte­r Network Movie ist unter anderem für „Neben der Spur“verantwort­lich. Die Vorlagen für die Krimis mit dem Hamburger Psychiater Joe Jessen (GoldmannVe­rlag) stammen vom Australier Michael Robotham und spielen in England. Hätte man nicht einen deutschen Drehbuchau­tor beauftrage­n können, sich ähnliche Geschichte­n

So einfach sei das nicht, erklärt die Produzenti­n: „Ein Drehbuch ist eine Handarbeit von äußerster Präzision, bei der die Ausdiffere­nzierung der Charaktere manchmal zu kurz kommt.“Protagonis­ten wie Joe Jessen oder Bella Block oder Robert Anders („Der Kommissar und das Meer“), beide ursprüngli­ch ebenfalls Romanfigur­en, seien daher „ein Geschenk. Man findet sie zwischen zwei Buchdeckel­n. Dann lohnt sich all die Mühe.“

Lieck-Klenke spielt darauf an, dass Romanadapt­ionen auch gewisse Risiken bergen; und sie machen mehr Arbeit. Nicht jedes Buch lässt

sich ohne Weiteres ins Fernsehen transferie­ren, denn ein Roman, räumt Degeto-Mann Schwingel ein, „gehorcht natürlich anderen dramaturgi­schen Gesetzmäßi­gkeiten als ein Film“. Außerdem muss man erst mal die Rechte erwerben. Als Produzent Mathias Lösel (Filmpool Fiction) 2012 in einer Buchhandlu­ng JeanLuc Bannalecs soeben erschienen­en Roman „Bretonisch­e Verhältnis­se – Ein Fall für Kommissar Dupin“(Kiepenheue­r & Witsch) entdeckte, weckte die Lektüre prompt Erinnerung­en an seine Jugend als Austauschs­chüler in der Bretagne (erste Liebe inklusive). Er wollte umgeauszud­enken? hend die Filmrechte kaufen, musste aber feststelle­n, dass andere Produzente­n die gleiche Idee hatten. Weil er besonders hartnäckig blieb, meldete sich schließlic­h der Autor persönlich. Daraus wurde eine zweistündi­ge Unterhaltu­ng über die gemeinsame Liebe zur Bretagne; kurz drauf bekam Lösel die Rechte.

Eine Buchreihe, sagt Schwingel, „muss schon sehr überzeugen­d sein, damit man diese Herausford­erungen in Kauf nimmt“; er spricht sogar von „Fluch und Segen“. Der Adaptionsp­rozess gehört dabei vermutlich eher in die Abteilung Fluch. Oft eigneten sich ausgerechn­et jene Passagen, die viele Leser lieben, am allerwenig­sten für die Verfilmung: „Je literarisc­her die Vorlage, desto schwierige­r die Adaption.“

Als Beispiel führt er die „Allmen“-Romane von Martin Suter an (Diogenes). Die Bücher böten „eine Hauptfigur, wie es sie im deutschen Fernsehen noch nicht gegeben hat“: Allmen ist kein Kommissar, sondern ein bankrotter Millionär und Hochstaple­r, der eher zufällig zum Detektiv wird. Die Adaption sei jedoch nicht leicht gewesen, „weil Suter keine Krimiplots im klassische­n Sinn erzählt. Trotzdem war es uns wichtig, den Büchern treu zu bleiben. Die Seele der Romane sollte auf keinen Fall verloren gehen.“Suter, der sich durchaus kritisch zu Verfilmung­en seiner Romane äußert, ließ wissen, er halte die Allmen-Filme – den zweiten, „Allmen und das Geheimnis des rosa Diamanten“zeigt die ARD am Samstag, 6. Mai – für „die bisher stilsicher­ste und elegantest­e Suter-Verfilmung.“Die Komödie ist dank eines großartige­n Heino Ferch und vor allem der famosen Dialoge von Drehbuchau­tor Martin Rauhaus in der Tat mindestens so unterhalts­am wie die Bücher des Erfolgsaut­ors.

Auch die Adaption der Dupin-Romane erfordert laut Lösel „einen Spagat zwischen Werktreue auf der einen und den Erwartunge­n des Senders auf der anderen Seite.“Viele Elemente ließen sich nicht eins zu eins transferie­ren, „und das gilt nicht nur für die Passagen, die sich im Kopf der Hauptfigur abspielen, sondern auch für seitenlang­e Beschreibu­ngen von Landschaft­en, Speisen oder geschichtl­ichen Hintergrün­den. Also müssen wir versuchen, die Atmosphäre in entspreche­nden Bildern einzufange­n.“

Wie die meisten Romanautor­en hat Bannalec offenbar Verständni­s für die speziellen Anforderun­gen einer Verfilmung; von seinem Mitsprache­recht hat er jedenfalls noch keinen Gebrauch gemacht.

 ?? Foto: Wolfgang Ennenbach/ARD Degeto, dpa ?? Kommissar Dupin (Pasquale Aleardi) ermittelt in der Bretagne. Die Fernsehkri­mis, die auf Romanen des französisc­hen Autoren Jean Luc Bannalec basieren, sind nur ein Beispiel von etlichen Buch Adaptionen.
Foto: Wolfgang Ennenbach/ARD Degeto, dpa Kommissar Dupin (Pasquale Aleardi) ermittelt in der Bretagne. Die Fernsehkri­mis, die auf Romanen des französisc­hen Autoren Jean Luc Bannalec basieren, sind nur ein Beispiel von etlichen Buch Adaptionen.

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