Sie sorgen im Zelt für Nachschub
Hinter den Kulissen Was eine Bedienung auf dem „Dillinger Frühling“so alles erlebt
Dillingen Und wieder zückt Hanna Stark den Block. Zehn Maßen Bier sollen’s sein, für einen ganzen Tisch. Vier, fünf Minuten, länger sollten die Gäste jetzt nicht warten. Hanna spurtet durch das proppenvolle Festzelt, gibt die Bestellung ins Kassensystem ein. Kurze Zeit später drückt sie sich mit den zehn Maßen Bier, die sie sich an die Brust presst, durch das proppenvolle Festzelt „Rachinger“. Zwanzig Kilo lasten jetzt auf den Armen der 24-Jährigen – schon leer wiegt ein Maßkrug ein Kilo, der Inhalt legt nochmal ein Kilo drauf.
Trotzdem kommt sie, nach einem Spießrutenlauf, vorbei an Gästen die ihr immer wieder in den Weg laufen, mit einem Lächeln im Gesicht an. „Die Hanna macht das überragend“, sagt Frank Sonnenleitner, der die Bestellung aufgegeben hat. Flexibel und schnell, das sollte eine Bedienung sein, sagt er. Doch für ihn wäre das nichts: „Ich trinke die Maßen lieber.“
Hanna ist eine von zwanzig Bedienungen, die an diesem Festabend im Einsatz sind. „Stresserprobt, freundlich, teamfähig und koordiniert“– das alles sollte eine Bedienung sein, sagt Rebecca Sachs. Sie darf ihrer Schwester heute nur zuschauen, da sie krankheitsbedingt ausfällt. „Das ist schon ziemlich doof, wenn man nicht mitarbeiten kann“, sagt sie. Mit 16 Jahren hat sie begonnen im Festzelt zu kellnern – neben ihrem Vollzeitjob, von dem sie sich notfalls sogar Urlaub nimmt, um bei allen von den 15 Volksfesten, bei denen „Rachinger“vertreten ist, dabei zu sein.
Auch bei Hanna hat alles vor sieben Jahren begonnen, als sich ihre Schwester in den Festwirt Roland Rachinger verliebt hat. „Es ist immer noch ein großer Spaß, mit den Gästen zu arbeiten und immer wieder neue Leute kennenzulernen“, verrät sie. Je länger der Abend aber wird und je schneller das Bier die Kehlen hinunterfließt, desto schwieriger wird auch der Job von Hanna und ihren Kolleginnen. „Jeder wird anders, wenn er betrunken ist. Da gibt es die einen, die sind gut drauf und andere, die werden aggressiv“, erzählt sie. Was meistens helfe, sei eine humorvolle Art. „Wenn die Leute aber so fertig sind, dass sie sich nicht mal mehr auf der Bank halten können, verkaufe ich denen auch nichts mehr.“
Fast jeder steht mittlerweile auf den Bänken und johlt und klatscht zur Musik von „The Mercuries“, die auf der Bühne stehen. Das Einzige, was jetzt noch hilft: Schreien. Dass ihr die Stimme nach den fünf Tagen versagt, passiere aber trotzdem selten. „Und wenn es doch mal passiert, lutscht man halt ein Bonbon und macht dann weiter“, sagt sie und lächelt. Dass Hanna sich gut schlägt, findet auch Reinhold Brinkmann, der von ihr bedient wird. „Wenn ich jünger wäre, könnt ich mir so einen Job schon auch vorstellen“, sagt er und ergänzt: „Es ist aber ziemlich beeindruckend, wie viel die Bedienungen hier schleppen.“Für Hanna ist das Gewicht der Maßkrüge mittlerweile kein Problem mehr, notfalls schafft sie auch mal 13 auf einmal. Und das obwohl sie nach dem Motto „Sport ist Mord“lebt. Sie hebt keine Hanteln im Fitnessstudio und macht auch sonst keinen Sport. „Mit dem nötigen Willen packt man das auch so“, verrät sie ihr Geheimnis.
Ob sich die stundenlange Arbeit im heißen Festzelt gelohnt hat, zeigt sich am Ende der Schicht. „Die Bestellungen haben wir ja ins System eingegeben. Am Ende hoffen wir drauf, dass möglichst viel Trinkgeld im Geldbeutel über bleibt“, sagt sie. Doch das müssten die Gäste ihr schon freiwillig geben, sagt sie. „Ich fordere niemanden dazu auf.“Bei den jüngeren Gästen, komme es schon mal vor, dass sie gar kein Trinkgeld bekomme. „Im gehobenen Alter wird dann meist von den 6,40 Euro auf sieben Euro aufgerundet.“
Von „Skandal im Sperrbezirk“, über DJ Ötzi, bis zu „Atemlos“, feiert das Publikum im Dillinger Festzelt jetzt alles. Hanna Stark kann zwar nicht mitfeiern, doch das mache ihr nichts aus. Denn sie sagt: „Das hier ist mein Hobby. Und zwar ein ganz besonderes, das nicht jeder hat.“