Das Leben ein bisschen lässiger nehmen
Konzert Wie die „Philharmonia Schrammeln Augsburg“frei nach Wiener Art auf den Putz hauen. Und wie die Zusamtaler im Wertinger Kunstkanal darauf reagiert haben
Wertingen Erstaunlich, was sich da im Atelier des Wertinger „Kunstkanal“entwickelt. „Wien bleibt Wien“– seelig schwelgen die rund 60 Zuhörer in der kurzerhand zum Konzertraum umfunktionierten Malwerkstatt im siebten Himmel lange nicht mehr gehörter Melodien. Ein leichter, feiner, süßer – zuweilen auch bittersüßer – Klangteppich schwebt in der Luft, verführt das Publikum mit Witz und Charme, so dass es sich hinreißen lässt zum Einstieg in die Schaukel der Glückseligkeit.
Die Rolle des Verführers spielen an diesem Abend die „Philharmonia Schrammeln Augsburg“: „Küss´ die Hand, die Damen, Servus, die Herren!“. Wer will sich nicht einlassen auf diese Einladung zur sorglosen Hingabe an die Unschuld des Lebens, wer könnte sie treffender ausdrücken als der wienerische Dreivierteltakt oder die ländliche Polka, die - immer mit einem Augenzwinkern – der Schrammelmusik zu eigen sind?
Die Philharmonia-Schrammeln Augsburg – Christian Echl (Geige), Beate Färber (Geige), Heiner Lehmann (Gitarre) und Stefan Schwab (Klarinette) sowie als Überraschungsgast der Sänger Reinhold Zott – verhelfen der Musik aus dem Österreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu neuen Ehren. Lange nicht mehr gehört, wurde sie in den vergangenen Jahrzehnten oft missbraucht zu touristischen Zwecken, die Kassen in den Heurigenlokalen klingen zu lassen. So wie die Münchner das Oktoberfest, nutzten die Wiener den Heurigen und seine Musik, bis er sich dem Überdruss der Vermarktung geschlagen geben musste.
Doch Christian Echl, Primgeiger der Augsburger Philharmoniker, vernahm die Kunde aus seiner Heimat, dass jetzt alles wieder anders werden soll. So hat er sich mit seinen Musikfreunden aufgemacht, das Werk der Brüder Schrammel in Originalbesetzung – darauf legt er Wert – wieder zu verbreiten. Und das ausgerechnet in unserem schwäbischen Landstrich, wo „schaffe, schaffe, Häusle baue“immer noch angesehener ist, als den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen und – nach Wiener Art – das Leben ein bisschen lässiger zu nehmen, ihm auch mal ein Schnippchen zu schlagen.
Das Bedürfnis danach scheint groß, denn Echl und Freunde, alles hochkarätige Berufsmusiker, zum Großteil in der Augsburger Philharmonie praktizierend, schaffen es nicht nur in Wertingen, die Menschen für das Werk der SchrammelBrüder zu begeistern. Rundum werden sie überaus gerne gehört, zumal das, was sie spielen von erster Qualität ist. Leicht gezuckert, aber nicht süßlich ist der Ton, er erzählt fein beschwingt humorige Geschichten, die auch mal einen leicht sarkastischen Untergrund haben können. So wie „die hübsche blonde Adelheid“, die nicht nur das „Mädchen meiner Wahl“, sondern auch „das Mädchen meiner Qual“ist und von ihrem Zahnarztbesuch mit einem schönen Gebiss und einem Kind im Bauch zurückkehrt. Mit stimmlicher Ironie und der passenden tragikomischen Mimik und Gestik schildert Reinhold Zott derartige Anekdoten authentisch. Ganz vergessen könnte man dabei, dass er ein Augsburger ist, der sich die österreichische Schrammelsängerkunst mit Hilfe eines Kammersängers der Wiener Staatsoper bestens angeeignet hat.
Spezifisch für Schrammelmusik ist eine weitere Eigenart: das „picksüße Hölzl“, eine kleine Klarinette mit hohen Lagen ähnlich der Piccolo aus der Familie der Querflöten. Das Hölzl trifft den Ton ebenfalls an seiner ironischen Seite. Denn die hohe Stimme karrikiert oftmals die Erzählung der Musik.
Wie nun diese Musik ausgerechnet nach Wertingen kommt, das ist auch eine – schnell erzählte – Geschichte. Christian Echl ist schlicht und einfach der (große!) Bruder von Ursula Maria Echl, ihres Zeichens Musikkünstlerin und Lehrerin für Gesang und Klavier in Wertingen. Zusammen mit anderen Künstlerinnen hat sie den „Kunstkanal“(KUK) eröffnet, der immer wieder zum „Blauen Montag“einlädt: Konzerte, Hausmusikabende, Lesungen, Sessions. Dass Bruder Christian einmal zu einem solchen Anlass nach Wertingen kommt, lag nahe.
Und den Wertingern konnte nichts besseres passieren. Im proppenvollen KUK-Atelier besannen sich viele auf Heurigen-Abende, die sie schon einmal erlebt hatten. Dass diese Erinnerungen nun auf so fulminante Art wieder geweckt wurden, wurde – ganz entgegen den Gepflogenheiten der Wertinger – mit lauten Bravorufen und donnerndem Applaus belohnt. Ein richtiger Schrammel-Abend endet normalerweise nicht vor drei Uhr morgens, wurde erzählt. Das hätten die Wertinger an diesem Abend gerne gehabt. Denn die Gastgeberinnen hatten auch noch Weinverkostung und Häppchen vorbereitet – landestypisch österreichisch natürlich. Also war das Vergnügen ein doppeltes. Fehlte nur noch der wienerische „Würstlstand mit Dreigangmenü“, von dem Echl erzählte, an dem sich alles, egal welchen Standes, zum Schmausen trifft...