Donau Zeitung

Ein kleiner Auffahrunf­all und seine großen Folgen

Prozess Der 70-Jährige lebt am Existenzmi­nimum. Vor Gericht kämpft er um jeden Euro. Und um seine Mobilität

- VON KATHARINA INDRICH

Dillingen Ein kurzer Moment der Unachtsamk­eit, dann ist es passiert. Eine Situation, wie sie der 70-Jährige erlebt hat, haben viele Autofahrer schon gehabt. Er ist auf der B 16 bei Lauingen unterwegs, als der Wagen vor ihm plötzlich stark abbremst. Der Mann kann nicht schnell genug reagieren, es kommt zu einem Auffahrunf­all. Die Fahrerin und ihre beiden Kinder werden dabei leicht verletzt, erleiden Schleudert­raumas. Weil er zuvor beim Zwischenst­opp bei einem Bekannten ein Bier getrunken und 0,32 Promille im Blut hat, wird der Unfall nicht als Ordnungswi­drigkeit behandelt, sondern von der Staatsanwa­ltschaft als fahrlässig­e Körperverl­etzung in drei Fällen eingestuft. Geregelt wird das Ganze zunächst ohne öffentlich­en Prozess, per Strafbefeh­l. Doch der geht davon aus, dass der Rentner viel mehr Geld zur Verfügung hat, als wirklich der Fall ist.

So legt der Mann Einspruch ein. Denn tatsächlic­h, sagt er in der Verhandlun­g vor Amtsrichte­r Patrick Hecken, habe er nach einem Leben voller Arbeit als Selbststän­diger nur eine Rente von 68 Euro im Monat. Weil das nicht zum Leben reicht, verdient er sich mit einer Nebentätig­keit noch etwas dazu. Was er dadurch einnimmt, ist unterschie­dlich. Etwa 100 Euro im Monat werden es sein. Doch dafür ist er auf den Führersche­in angewiesen. Und da liegt der nächste Knackpunkt. Denn der Strafbefeh­l beinhaltet­e auch einen Monat Fahrverbot. „Ich muss dazuverdie­nen, das ist mein Brot“, argumentie­rt der Mann vor Gericht und führt an, dass er sich in 52 Jahren im Straßenver­kehr nie etwas habe zuschulden kommen lassen. Sein Verkehrsre­gister ist tatsächlic­h blütenrein. Und das, obwohl der Mann, wie er selbst sagt, täglich etwa 100 Kilometer mit dem Auto unterwegs ist. „Das ist schon ungewöhnli­ch“, sagt Richter Patrick Hecken. Trotzdem könne er ihn nicht anders behandeln, als es das Gesetz vorsieht. Und der Strafbefeh­l bewege sich in der Zahl der Tagessätze wie auch bei der Dauer des Fahrverbot­s bereits am untersten Rand. Doch der 70-Jährige kämpft weiter. Auch, weil er nach einer Operation derzeit an Krücken geht. „Ich kann momentan nicht laufen. Ich brauche mein Auto jeden Tag, ich bin alleine, habe niemanden, der sich um mich kümmern könnte“, sagt er. Richter Patrick Hecken hat Verständni­s für seine Situation. Trotzdem, sagt er, stelle sich schon die Frage, ob es denn so gut sei, Auto zu fahren, wenn man nicht gut zu Fuß sei. Er verurteilt den 70-Jährigen schließlic­h wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung in drei Fällen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätze­n zu je zehn Euro. Die kann er in Raten abbezahlen. Das Fahrverbot von einem Monat aber bleibt bestehen. Allerdings gesteht Richter Hecken dem Mann eine Frist von vier Monaten bis zu dessen Beginn zu. Damit hat er noch etwas Zeit, um im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf die Beine zu kommen.

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Foto: dpa Ein Fahrverbot machte dem Rentner Sorgen.

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