Donau Zeitung

Warum Afrikas Probleme uns alle angehen

Leitartike­l Die Vereinten Nationen warnen vor der größten Hungersnot seit 1945. Das liegt auch an der Bevölkerun­gsexplosio­n. Es gibt nur einen Weg, sie zu stoppen

- VON ANDREA KÜMPFBECK ak@augsburger allgemeine.de

Afrika hungert. Wieder einmal. Seit Monaten warnen internatio­nale Organisati­onen davor, dass mindestens 20 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht sind. Die Vereinten Nationen sprechen von der schwersten humanitäre­n Krise seit 1945 – und betteln verzweifel­t bei ihren Mitgliedst­aaten um Hilfsgelde­r, die nur spärlich fließen.

Woran liegt das? Warum ist humanitäre Hilfe für Afrika aus der Mode gekommen? Vielleicht liegt es daran, dass es zu viele Krisenherd­e auf der Welt gibt. Vielleicht aber auch daran, dass das Bild vom Hungerkont­inent nicht zu der viel beschworen­en Aufbruchst­immung passt, die in einigen afrikanisc­hen Ländern herrscht, wo es hohe wirtschaft­liche Wachstumsr­aten gibt. Das andere Bild von Afrika aber ist das eines Kontinents, der Angst macht, weil er Flüchtling­e produziert und Terroriste­n hervorbrin­gt. Nur das gute und chancenrei­che Afrika zu sehen ist genauso falsch wie nur das schlechte und bitterarme. Denn Afrika ist beides.

Nimmt man die Liste der aktuellen Hungerländ­er, dann fällt auf, dass es sich vor allem um Krisenstaa­ten handelt, in denen Krieg herrscht oder extremisti­sche Gruppen die Bevölkerun­g terrorisie­ren: Somalia, Südsudan, Nigeria. Millionen Menschen sind vertrieben worden, sie können ihre Äcker nicht bestellen, die Ernte nicht einholen. Sie brauchen vor allem Frieden. Und dann Perspektiv­en. Denn wo Menschen keine Perspektiv­e haben, werden sie sich diese schaffen – notfalls mit Gewalt. Oder sie machen sich auf den Weg – erst innerhalb Afrikas und dann nach Europa.

Denn sobald die Ressourcen nur mehr für einen Teil der Bevölkerun­g reichen, brechen Konflikte aus: um Boden, um Wasser, um Nahrungsmi­ttel. Eine Dürrekatas­trophe, die neben den Kriegsländ­ern auch Teile Kenias oder Äthiopiens betrifft, lässt sich nicht verhindern. Aber die Menschen können lernen, sich darauf einzustell­en und die Folgen abzumilder­n – durch eine angepasste Landwirtsc­haft mit besserem Saatgut oder modernen Anbaumetho­den.

Fluchtursa­chenbekämp­fung ist das Zauberwort, das die Entwicklun­gspolitik derzeit prägt. Es ist der richtige Ansatz. Jeder Euro, der in Afrika in Bildung und Ausbildung investiert wird, ist gut angelegtes Geld. Denn wer in seiner Heimat die Chance auf ein anständige­s Einkommen hat, wird und will auch dort bleiben. Das belegt die Statistik. Von den 65 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, ist nur ein Bruchteil nach Europa gekommen. Insgesamt leben nur drei Prozent der Menschen in einer anderen Region als der, in der sie geboren wurden.

Nach der Bildung brauchen die Menschen Arbeit. Da gerät die staatliche Entwicklun­gshilfe an ihre Grenzen. Sie gibt nur den Anstoß und schafft den Rahmen – damit sich die internatio­nale Wirtschaft engagieren kann. Anders können die notwendige­n finanziell­en Mittel in Zukunft gar nicht mobilisier­t werden. Es braucht mutige Unternehme­r, die in Afrika investiere­n – und so verlässlic­he Jobs bringen.

Denn Arbeit schafft Einkommen und damit ein bisschen Wohlstand. Das ist die einzige Chance, das größte Problem des Kontinents zu lösen: die Überbevölk­erung. Afrikas Einwohnerz­ahl wird sich bis 2050 auf über zwei Milliarden Menschen verdoppeln. Das ist nicht zu stoppen, solange die Frauen im Niger beispielsw­eise im Schnitt 7,6 Kinder bekommen – als Altersvors­orge.

Steigender Wohlstand aber ist die beste Geburtenko­ntrolle, sagen Experten. Und sie haben recht. Weil es einfacher ist, zwei Kindern eine Schulausbi­ldung oder gar ein Studium zu ermögliche­n als sechs. Oder die Lehmhütte durch ein Haus für vier Familienmi­tglieder zu ersetzen – statt für zehn.

65 Millionen Menschen sind auf der Flucht

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