Warum Afrikas Probleme uns alle angehen
Leitartikel Die Vereinten Nationen warnen vor der größten Hungersnot seit 1945. Das liegt auch an der Bevölkerungsexplosion. Es gibt nur einen Weg, sie zu stoppen
Afrika hungert. Wieder einmal. Seit Monaten warnen internationale Organisationen davor, dass mindestens 20 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht sind. Die Vereinten Nationen sprechen von der schwersten humanitären Krise seit 1945 – und betteln verzweifelt bei ihren Mitgliedstaaten um Hilfsgelder, die nur spärlich fließen.
Woran liegt das? Warum ist humanitäre Hilfe für Afrika aus der Mode gekommen? Vielleicht liegt es daran, dass es zu viele Krisenherde auf der Welt gibt. Vielleicht aber auch daran, dass das Bild vom Hungerkontinent nicht zu der viel beschworenen Aufbruchstimmung passt, die in einigen afrikanischen Ländern herrscht, wo es hohe wirtschaftliche Wachstumsraten gibt. Das andere Bild von Afrika aber ist das eines Kontinents, der Angst macht, weil er Flüchtlinge produziert und Terroristen hervorbringt. Nur das gute und chancenreiche Afrika zu sehen ist genauso falsch wie nur das schlechte und bitterarme. Denn Afrika ist beides.
Nimmt man die Liste der aktuellen Hungerländer, dann fällt auf, dass es sich vor allem um Krisenstaaten handelt, in denen Krieg herrscht oder extremistische Gruppen die Bevölkerung terrorisieren: Somalia, Südsudan, Nigeria. Millionen Menschen sind vertrieben worden, sie können ihre Äcker nicht bestellen, die Ernte nicht einholen. Sie brauchen vor allem Frieden. Und dann Perspektiven. Denn wo Menschen keine Perspektive haben, werden sie sich diese schaffen – notfalls mit Gewalt. Oder sie machen sich auf den Weg – erst innerhalb Afrikas und dann nach Europa.
Denn sobald die Ressourcen nur mehr für einen Teil der Bevölkerung reichen, brechen Konflikte aus: um Boden, um Wasser, um Nahrungsmittel. Eine Dürrekatastrophe, die neben den Kriegsländern auch Teile Kenias oder Äthiopiens betrifft, lässt sich nicht verhindern. Aber die Menschen können lernen, sich darauf einzustellen und die Folgen abzumildern – durch eine angepasste Landwirtschaft mit besserem Saatgut oder modernen Anbaumethoden.
Fluchtursachenbekämpfung ist das Zauberwort, das die Entwicklungspolitik derzeit prägt. Es ist der richtige Ansatz. Jeder Euro, der in Afrika in Bildung und Ausbildung investiert wird, ist gut angelegtes Geld. Denn wer in seiner Heimat die Chance auf ein anständiges Einkommen hat, wird und will auch dort bleiben. Das belegt die Statistik. Von den 65 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, ist nur ein Bruchteil nach Europa gekommen. Insgesamt leben nur drei Prozent der Menschen in einer anderen Region als der, in der sie geboren wurden.
Nach der Bildung brauchen die Menschen Arbeit. Da gerät die staatliche Entwicklungshilfe an ihre Grenzen. Sie gibt nur den Anstoß und schafft den Rahmen – damit sich die internationale Wirtschaft engagieren kann. Anders können die notwendigen finanziellen Mittel in Zukunft gar nicht mobilisiert werden. Es braucht mutige Unternehmer, die in Afrika investieren – und so verlässliche Jobs bringen.
Denn Arbeit schafft Einkommen und damit ein bisschen Wohlstand. Das ist die einzige Chance, das größte Problem des Kontinents zu lösen: die Überbevölkerung. Afrikas Einwohnerzahl wird sich bis 2050 auf über zwei Milliarden Menschen verdoppeln. Das ist nicht zu stoppen, solange die Frauen im Niger beispielsweise im Schnitt 7,6 Kinder bekommen – als Altersvorsorge.
Steigender Wohlstand aber ist die beste Geburtenkontrolle, sagen Experten. Und sie haben recht. Weil es einfacher ist, zwei Kindern eine Schulausbildung oder gar ein Studium zu ermöglichen als sechs. Oder die Lehmhütte durch ein Haus für vier Familienmitglieder zu ersetzen – statt für zehn.
65 Millionen Menschen sind auf der Flucht