Kritik an Überwachungsgesetz
Landtag Die Staatsregierung will Extremisten besser kontrollieren. Der Vorstoß stößt bei Juristen aus der Praxis auf massive Bedenken
München Sollte jemand ohne den konkreten Vorwurf einer Straftat und ohne eine rechtskräftige Verurteilung monate- oder gar jahrelang vorsorglich in Gewahrsam genommen werden können? Ist es rechtlich zulässig, mithilfe einer Fußfessel ein genaues Bewegungsprofil einer Person zu erstellen, die weder wegen einer Straftat verurteilt ist noch einer solchen hinreichend verdächtigt wird?
Ja, wenn es sich bei diesen Personen um politische Extremisten und mögliche „Gefährder“handelt, findet die CSU-Staatsregierung. Das Seehofer-Kabinett hat deshalb dem Landtag kürzlich einen Gesetzentwurf „zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen“vorgelegt. Ein Maßnahmenpaket, das unter Juristen höchst umstritten ist, wie eine Expertenanhörung im Landtag nun zeigte: Während mehrere Jura-Professoren das Paket als „mutig“und insgesamt verfassungskonform lobten, meldeten Richter und Rechtsanwälte sowohl mit Blick auf die konkrete Umsetzbarkeit wie auch auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen massive Bedenken an.
So hält etwa der Bayerische Richterverein eine zeitlich weitgehend unbeschränkte Ausweitung der Vorbeugehaft für „aus Sicht der Praxis höchst bedenklich“. So sei die in dem Gesetz genannte „drohende Gefahr“als juristische Entscheidungsgrundlage zu schwammig, kritisierte Richterin Barbara Stockinger. Der vermeintliche Gefährder habe zudem keine Chance, seine Ungefährlichkeit nachzuweisen, kritisierte der Münchner Rechtsanwalt Hartmut Wächtler – nicht einmal ein Pflichtverteidiger sei vorgesehen. Die Länge der Haft werde komplett der Entscheidung des Richters vorbehalten. „Die Haft kann zwei Wochen dauern, zwei Monate oder zwei Jahre – je nachdem, welche Behörde entscheidet. Das ist für einen Rechtsstaat unzumutbar“, findet Wächtler.
Auf Kritik stieß bei der Landtagsanhörung auch die geplante Einführung einer elektronischen Fußfessel für mögliche „Gefährder“. Anders als etwa bei verurteilten Sexualstraftätern gehe es hier um einen massiven Eingriff in die persönliche Freiheit von Personen, die einer Straftat noch nicht einmal hinreichend verdächtig sind, um Ermittlungen einzuleiten, warnt der Richterverein. Dies sei „verfassungsrechtlich in hohem Maße bedenklich“.
Kritik, die die als Experten geladenen bayerischen Jura-Professoren im Landtag einhellig nicht teilen wollten: „Der Gesetzgeber muss auf neue Gefährdungslagen reagieren“, findet etwa der Augsburger Rechtsprofessor Josef Franz Lindner. Der vorgelegte Entwurf sei „verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden“. So sieht das auch der Würzburger Jurist Kyrill-Alexander Schwarz: „Zu behaupten, dass Guantanamo nun in Bayern möglich wird, ist völlig unbegründet“, findet der Professor mit Blick auf das umstrittene US-Terrorgefängnis auf Kuba.