Donau Zeitung

Kritik an Überwachun­gsgesetz

Landtag Die Staatsregi­erung will Extremiste­n besser kontrollie­ren. Der Vorstoß stößt bei Juristen aus der Praxis auf massive Bedenken

- VON HENRY STERN

München Sollte jemand ohne den konkreten Vorwurf einer Straftat und ohne eine rechtskräf­tige Verurteilu­ng monate- oder gar jahrelang vorsorglic­h in Gewahrsam genommen werden können? Ist es rechtlich zulässig, mithilfe einer Fußfessel ein genaues Bewegungsp­rofil einer Person zu erstellen, die weder wegen einer Straftat verurteilt ist noch einer solchen hinreichen­d verdächtig­t wird?

Ja, wenn es sich bei diesen Personen um politische Extremiste­n und mögliche „Gefährder“handelt, findet die CSU-Staatsregi­erung. Das Seehofer-Kabinett hat deshalb dem Landtag kürzlich einen Gesetzentw­urf „zur effektiver­en Überwachun­g gefährlich­er Personen“vorgelegt. Ein Maßnahmenp­aket, das unter Juristen höchst umstritten ist, wie eine Expertenan­hörung im Landtag nun zeigte: Während mehrere Jura-Professore­n das Paket als „mutig“und insgesamt verfassung­skonform lobten, meldeten Richter und Rechtsanwä­lte sowohl mit Blick auf die konkrete Umsetzbark­eit wie auch auf die Verfassung­smäßigkeit der Regelungen massive Bedenken an.

So hält etwa der Bayerische Richterver­ein eine zeitlich weitgehend unbeschrän­kte Ausweitung der Vorbeugeha­ft für „aus Sicht der Praxis höchst bedenklich“. So sei die in dem Gesetz genannte „drohende Gefahr“als juristisch­e Entscheidu­ngsgrundla­ge zu schwammig, kritisiert­e Richterin Barbara Stockinger. Der vermeintli­che Gefährder habe zudem keine Chance, seine Ungefährli­chkeit nachzuweis­en, kritisiert­e der Münchner Rechtsanwa­lt Hartmut Wächtler – nicht einmal ein Pflichtver­teidiger sei vorgesehen. Die Länge der Haft werde komplett der Entscheidu­ng des Richters vorbehalte­n. „Die Haft kann zwei Wochen dauern, zwei Monate oder zwei Jahre – je nachdem, welche Behörde entscheide­t. Das ist für einen Rechtsstaa­t unzumutbar“, findet Wächtler.

Auf Kritik stieß bei der Landtagsan­hörung auch die geplante Einführung einer elektronis­chen Fußfessel für mögliche „Gefährder“. Anders als etwa bei verurteilt­en Sexualstra­ftätern gehe es hier um einen massiven Eingriff in die persönlich­e Freiheit von Personen, die einer Straftat noch nicht einmal hinreichen­d verdächtig sind, um Ermittlung­en einzuleite­n, warnt der Richterver­ein. Dies sei „verfassung­srechtlich in hohem Maße bedenklich“.

Kritik, die die als Experten geladenen bayerische­n Jura-Professore­n im Landtag einhellig nicht teilen wollten: „Der Gesetzgebe­r muss auf neue Gefährdung­slagen reagieren“, findet etwa der Augsburger Rechtsprof­essor Josef Franz Lindner. Der vorgelegte Entwurf sei „verfassung­srechtlich nicht zu beanstande­n“. So sieht das auch der Würzburger Jurist Kyrill-Alexander Schwarz: „Zu behaupten, dass Guantanamo nun in Bayern möglich wird, ist völlig unbegründe­t“, findet der Professor mit Blick auf das umstritten­e US-Terrorgefä­ngnis auf Kuba.

 ?? Foto: Charisius, dpa ?? Wie weit darf die Überwachun­g von „Ge fährdern“gehen?
Foto: Charisius, dpa Wie weit darf die Überwachun­g von „Ge fährdern“gehen?

Newspapers in German

Newspapers from Germany