Donau Zeitung

Richtig viel Kohle

Schmuck Alle paar Monate vermelden Auktionshä­user neue Rekordprei­se für Diamanten. Ein Experte erklärt, was dahinterst­eckt

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Wer behaupten würde, dass Diamanten nicht mehr als ein Stück gepresste Kohle sind, hätte eine ganze Armee von gekränkten Milliardär­en am Hals, die ihr Geld lieber denn je für edlen Schmuck ausgeben.

Alle paar Monate, teils alle paar Wochen, vermelden große Auktionshä­user wie Sotheby’s und Christie’s neue Rekordprei­se. Ein anonymer Bieter aus Asien bezahlte jetzt den Top-Preis von fast 52 Millionen Euro für ein Paar Juwelen-Ohrringe. Erst im April hatte eine Hongkonger Juwelier-Kette 67 Millionen Euro für den rosafarben­en „Pink Star“geboten – so viel wie noch nie für einen einzelnen Diamanten. Zuvor kamen unter anderem „Unique Pink“, der „weltgrößte rosa Diamant im Birnenschl­iff“und der „größte je versteiger­te ovale Diamant des Prädikats Fancy Vivid Blue“unter den Hammer. Der Durchschni­ttsverdie- ner und Schmucklai­e winkt schon desinteres­siert ab, wenn die Worte „Diamant“und „Rekord“an sein Ohr dringen.

Die Auktionshä­user überbieten sich darin, jeden Diamanten als einzigarti­g darzustell­en. Vitali Gretschko, der am Mannheimer Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung Auktionsmä­rkte analysiert, vermutet dahinter zwei Gründe: „Menschen schätzen Dinge, die einzigarti­g sind, viel mehr wert als andere“, sagt er. Zudem könnten die Auktionshä­user auf diese Weise verhindern, dass die Produkte in Konkurrenz zueinander treten. „Die Leute sollen nicht das Gefühl haben: Wenn ich heute nicht gewinne, gewinne ich eben nächste Woche.“Im Traditions­haus Sotheby’s erklärt man es anders. „Die Diamanten finden gerade deshalb den Weg in die Auktion, weil jeder auf seine Weise besonders ist“, sagt eine Sprecherin in der Frankfurte­r Filiale. Die Schmuck- experten des Hauses halten zudem kontinuier­lich Kontakt zu ihren wohlhabend­en Kunden. Wer eine Schwäche für Diamant-Ohrringe hat, erfährt sofort, wenn welche auf dem Markt sind – und steigt in die Auktion ein.

Doch oft möchten die Bieter ihre glitzernde­n Ohrringe nicht selbst tragen und die fein geschliffe­nen Steine nicht in die Wohnzimmer­Vitrine legen. „Leute, die Diamanten erwerben, kaufen sie nicht nur für sich selbst“, sagt Marktexper­te Gretschko. „Sie setzen ihre Erwartunge­n auch in den Wiederverk­aufswert.“Jeder Bieter schätze diesen anders ein. Am Ende gewinne der, der sich den höchsten Gewinn erhofft und entspreche­nd viel bietet. Es könne aber vorkommen, dass der Käufer am Ende zu optimistis­ch ist. Gretschko und seine Kollegen nennen das den „Fluch des Gewinners“. Man könnte auch sagen: Er fällt auf die Schnauze. Doch die Welt hat einen neuen Rekord.

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Foto: Kirsty Wiggleswor­th, AP, dpa Über die Herkunft der teuersten Ohrringe ist nur bekannt, dass sie einst einer Dame gehörten.

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