Donau Zeitung

Die Plastik Fresser

Umwelt Forscher entdecken eine Raupe, die innerhalb kürzester Zeit Kunststoff vertilgt. Das Müll-Problem wird sie aber nicht lösen. Wissenscha­ftler hoffen auf andere Methoden

- VON CHRISTIAN GALL

Augsburg Ein Jubelschre­i ging jüngst durch die Welt der Wissenscha­ft. Der Anlass: Die italienisc­he Forscherin Frederica Bertocchin­i hatte entdeckt, dass eine Raupenart, die Larve der Großen Wachsmotte, Plastik auffrisst. Und das mit hoher Geschwindi­gkeit – 100 Raupen fressen in zwölf Stunden 92 Milligramm einer Einkaufstü­te. Die Entdeckung wird als möglicher Durchbruch gefeiert, um das Kunststoff-Müllproble­m der Welt zu lösen. Doch ist sie wirklich die Lösung?

Eines ist sicher: Die Raupen sind für Forscher zumindest sehr interessan­t. Denn die Larven zerkleiner­n Kunststoff nicht nur, sondern verdauen und zerlegen ihn in seine chemischen Bestandtei­le. Das Müll-Problem der Industrien­ationen werden sie aber nicht lösen, sagt Biochemike­r Thomas Brück von der Technische­n Universitä­t München: „Die größten Probleme verursache­n Kunststoff­e im Ozean. Dort ist es kaum möglich, die Raupen einzusetze­n.“Zudem können die Tierchen nicht jede Art von Kunststoff verdauen – lediglich PE, die etwa für Verpackung­en und Plastikfla­schen verwendet werden.

Seit Jahren weisen Wissenscha­ftler auf die Probleme von Müll in den Meeren hin. Abfallprod­ukte schaden Tieren und Pflanzen im Wasser im großen Maßstab. Experten sind nicht sicher, wie viel Müll in den Meeren treibt. Das Umweltbund­esamt schätzte die Menge im Jahr 2013 auf 100 bis 150 Millionen Tonnen. Den Ursprung haben die Abfälle in den klassische­n Industrien­ationen. Brück zufolge sind aber Länder wie China und Indien heute die größten Verursache­r.

Thomas Brück forscht mit Kollegen an Möglichkei­ten, die Kunststoff­belastung in der Umwelt und besonders den Ozeanen zu reduzieren. Dabei setzen die Forscher auf natürlich abbaubare Kunststoff­e. Diese werden auf Basis von Buttersäur­eVarianten, Bernsteins­äure oder Stärke hergestell­t. „Wenn sie weggeworfe­n werden, zersetzen sich die Materialie­n in ein paar Wochen“, sagt der Wissenscha­ftler. Solche Kunststoff­e kommen bereits bei Verpackung­en zum Einsatz. Brück zufolge sind diese etwa in Italien inzwischen weit verbreitet. In Deutschlan­d hingegen setze die Industrie kaum auf solche Materialie­n – weil Deutschlan­d kein größeres Problem mit Kunststoff­en habe: „Unser Land ist absolut vorbildlic­h, wenn es um Recycling geht. In Deutschlan­d gelangt kaum Kunststoff in die Umwelt.“Dieser werde entweder neu aufbereite­t oder verbrannt, um Energie zu erzeugen.

Brück kann sich jedoch vorstellen, dass Kleinstleb­ewesen den Müll im Ozean reduzieren werden. Er denkt, dass beispielsw­eise genetisch optimierte Bakterien Kunststoff­e im großen Maß zersetzen könnten. Der Vorteil dieser Lebensform­en sei, dass sie sich an extreme Umweltbedi­ngungen anpassen können – und damit auch in den Ozeanen Müll zersetzen könnten. Allerdings muss ein solches Vorgehen gut geplant werden. „Die Auswirkung von genmanipul­ierten Lebewesen in einem komplexen Ökosystem wie einem Ozean ist bisher nicht ansatzweis­e erforscht. Hier ist es denkbar, dass beispielsw­eise die Endprodukt­e des biologisch­en Kunststoff­abbaus nicht umweltvert­räglich sind“, sagt Brück. All diese Faktoren müssten Forscher genau berücksich­tigen, bevor sie einen Versuch in diese Richtung starten.

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Foto: Nic Bothma, dpa Millionen Tonnen Müll schwimmen in den Weltmeeren. Sowohl im Wasser als auch an den Stränden, wie hier im Senegal, verursache­n Kunststoff­abfälle gravierend­e Um weltschäde­n.
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Foto: Bertocchin­i/Bombelli/Howe, dpa Die Larve der Wachsmotte frisst Plas tik.

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