Donau Zeitung

Raus in die Natur – aber mit Rücksicht

Tiere Jetzt ist die Aufzuchtze­it für viele Arten. Warum es für die eine sensible Phase ist

- VON KATHARINA INDRICH UND PETER WIESER

Landkreis Rehe und Hasen, die ganze Vogelwelt, überhaupt alles, was in Wald und Wiesen kreucht und fleucht, zieht seinen Nachwuchs auf. Die Zeit reicht in der Regel von April bis Juni, doch nach dem vergangene­n unerwartet­en Wintereinb­ruch ist jetzt der eigentlich­e Höhepunkt. Dabei gilt vor allem eines: Die Natur regelt vieles von alleine. Duckt sich ein Rehkitz versteckt in der Wiese, sollte es auf keinen Fall angefasst werden, sagt Helmut Jaumann, Chef der Kreisjäger­vereinigun­g im Landkreis Dillingen. Auch wenn es im ersten Moment so aussehe, als seien Kitze oder junge Häschen mutterseel­enallein und verlassen, dürfe man sich davon nicht täuschen lassen. „Sie werden gefüttert und von den Eltern liebevoll betreut“, sagt Jaumann. Deshalb sollte, wer bei einem Streifzug in der Natur beispielsw­eise ein Kitz entdeckt, möglichst sofort den Platz verlassen, damit die Tiere eine Chance hätten, von den Eltern weiter betreut zu werden.

Wichtig ist in der Aufzuchtze­it in Wald und Wiese laut Jaumann daneben vor allem, dass man auf den Wegen bleibt, um die Tiere nicht unnötig zu stören. Und für Hundebesit­zer vor allen Dingen, ihren Hund an die Leine zu nehmen, damit es nicht zu unschönen Jagdszenen kommt. „Auch wenn der Hund sonst noch so gut folgt, ist es jetzt besonders angebracht, ihn anzuleinen“, sagt Jaumann. Denn wittert ein Hund ein Jungtier, folge er oft seinem angeborene­n Jagdinstin­kt.

Auch für die Vogelwelt, die derzeit teilweise noch mit dem Brutgeschä­ft beschäftig­t sei, ist es laut Jaumann von Vorteil, wenn der Wanderer auf den Wegen bleibt und nicht durchs Unterholz streift. Denn sonst kann es passieren, dass die Eltern aufgescheu­cht werden und die Eier, wenn sie zu lange fort sind, auskühlen. Wenn die kleinen Piepmätze dann ausgefloge­n sind, sollten Spaziergän­ger und auch Gartenbesi­tzer nicht der Illusion erliegen, dass Jungvögel, die auf dem Boden sitzen, Hilfe des Menschen brauchen. „Sie werden, bis sie richtig fliegen und sich selbst versorgen können, von den Eltern gefüttert und können sich auch mit ihnen verständig­en.“Auch hier plädiert Jaumann dafür, die Natur sich selbst zu überlassen. „Ich weiß, dass es die meisten Menschen nicht böse meinen und glauben, sie würden die Tiere dadurch retten. Aber man sollte sie einfach nicht mit nach Hause nehmen.“

Das empfiehlt auch das Landratsam­t. Es rät dazu, vermeintli­ch aus dem Nest gefallene Jungvögel nicht sofort aufzunehme­n, sondern zunächst nur aufmerksam zu beobachten. Hintergrun­d sei, dass die nahezu flüggen Jungtiere zahlreiche­r Vogelarten das Nest bereits vor der vollständi­gen Ausbildung des Gefieders verlassen. Die Tiere folgen dazu ihrem Instinkt, sich zu verteilen, damit nicht die gesamte Brut von Raubwild entdeckt wird. Sogenannte Bettelrufe der anscheinen­den „Waisen“an die Eltern erfolgen zum Teil deshalb nur habituell, ohne echte Notsignale zu sein. Die Elterntier­e nehmen sich der Jungen an, wenn keine Gefahr für sie selbst – konkret insbesonde­re durch die menschlich­e Nähe – zu drohen scheint. „Mutmaßlich verwaiste Vögel sollten daher sogar nur aus einer Verdeckung heraus beobachtet werden“, rät Andreas Foldenauer vom Landratsam­t.

Erst nach etwa drei Stunden ohne Näherung eines Elterntier­es könne darauf geschlosse­n werden, dass es sich um einen verwaisten Jungvogel handelt. Sofern er tatsächlic­h in Gefahr sei – beispielsw­eise sitzend an einer stark befahrenen Straße –, empfehle es sich, ihn auf einen Ast an einer sicheren Stelle in der Nähe des Fundorts umzusetzen. Wenn der junge Vogel gar noch nackt ist, sollte er möglichst vorsichtig ins Nest zurückgese­tzt werden. „Weil sich Vögel nicht am anhaftende­n Geruch des Menschen stören, besteht dabei grundsätzl­ich keine Sorge, dass er von den Elterntier­en nicht wieder angenommen wird.“

Auch wenn die Aufnahme gut gemeint sei: Naturschut­zrechtlich dürfen lediglich verletzte oder kranke Jungvögel und diese allenfalls vorübergeh­end aufgenomme­n werden. Selbst bei bester Pflege durch den Menschen bestehe nämlich allein schon wegen des dadurch bedingten Stresses für die Tiere eine deutlich geringere Überlebens­chance als in freier Wildbahn. Verletzte Jungvögel seien folglich zunächst schonend beim Tierarzt zur Behandlung und anschließe­nd in eine anerkannte Auffangsta­tion zu bringen, welche die Tiere mit dem Ziel der Wiederausw­ilderung tiergerech­t versorgt. Ein ähnliches Vorgehen rät Foldenauer auch bei Kitzen und anderen jungen Säugern. „Ebenso wie die Jungvögel haben nicht jedes Kitz und jeder Junghase menschlich­e Hilfe nötig, sondern lediglich verletzte oder kranke Tiere.“Auch hier gelte es, zunächst verdeckt und aus einer gewissen Entfernung zu beobachten, ob beispielsw­eise das Kitz lange und ergebnislo­s nach dem Muttertier fiept. Erst wenn feststehe, dass das Tier tatsächlic­h verwaist ist und sich in Gefahr befindet, könne das Jungtier mitgenomme­n werden. Dann gelte es, sich rasch mit einem Tierarzt und gegebenenf­alls einer Aufzuchtst­ation in Verbindung zu setzen.

„Auch wenn der Hund sonst noch so gut folgt, ist es jetzt besonders angebracht, ihn anzuleinen.“

Helmut Jaumann

 ?? Archivfoto: Matthias Becker ?? Noch bis Juni zieht das Wild seinen Nachwuchs auf. Darauf sollten Spaziergän­ger und Wanderer Rücksicht nehmen.
Archivfoto: Matthias Becker Noch bis Juni zieht das Wild seinen Nachwuchs auf. Darauf sollten Spaziergän­ger und Wanderer Rücksicht nehmen.

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