Abenteuer Guatemala
Serie Undine Aninger war für zwölf Wochen in Südamerika. In einem Heim für unterernährte Kinder erlebte sie traurige Schicksale und erfuhr, was Seifenblasen bewirken können
Dillingen Elias war sein Name. Ein kleiner Junge, vielleicht drei Jahre alt. „Seine Haare waren schwarz, ganz dicht und ein bisschen gelockt“, erinnert sich Undine Aninger. Sie lächelt bei dem Gedanken an Elias, den Jungen aus dem Kinderheim in Guatemala. „Auf den ersten Blick sah er mollig aus, weil sein Bauch so aufgebläht war.“Doch er war unterernährt, genau wie die anderen Kinder in dem Heim am Rande von Antigua. Wenn die 18-Jährige von dem guatemaltekischen Kind erzählt, scheint sie ihn genau vor sich zu sehen. Denn obwohl er in einer armen Familie aufwuchs, hatte er ein Lachen, das jeden, der ihn sah, in den Bann zog. „Er hat einfach über alles gelacht und er wollte immer spielen“, erzählt sie. Bei dem Gedanken an Elias und ihre Reise nach Guatemala glänzen ihre Augen.
Drei Wochen arbeitete die 18-Jährige aus Dillingen in dem Heim für unterernährte Kinder. „Am Anfang war das einfach nur erschreckend.“Durch die fehlende Nahrung seien viele völlig unterentwickelt gewesen. Anders als in Deutschland, war die Einrichtung außerdem ganz anders ausgestattet, die Möglichkeiten nur begrenzt. „Dort herrschen ganz andere Standards. Es war viel einfacher aufgebaut.“Während ihres Einsatzes füt- sie die Kinder, meistens mit Reis, half ihnen beim Baden oder spielte mit ihnen.
Sobald der gesundheitliche Zustand der Kinder wieder stabiler war, kamen sie in eine andere Einrichtung oder wurden von ihren Eltern abgeholt. Leider kam es auch immer wieder vor, dass die Mama oder der Papa nicht mehr auftauchten, erzählt die junge Dillingerin. „So war es auch bei Elias.“Das Schicksal vieler Kinder macht betroffen. Doch es reichen schon Malkreide, Stifte und Papier, um die Kinder glücklich zu machen – weiß Undine. Als sie bei ihrer Ankunft auch noch Seifenblasen aus ihrem Gepäck kramte, waren die Augen der Kleinen besonders groß. „Seifenblasen fanden sie ganz toll“, sagt sie und lächelt wieder.
Nach der Zeit im Kinderheim ging es an die Küste, zwei Stunden von Antigua entfernt. Hier schlüpfte die Dillingerin in die Rolle einer Tierschützerin. Mit einer Gruppe Freiwilliger kümmerte sie sich um die Oliv-Bastard- und Lederschildkröten.
Die Eier der Tiere gelten in Guatemala als Delikatesse, darum gehe die Zahl der lebenden Schildkröten immer weiter zurück. „Sie essen die rohen Eier, weil sie glauben, dass sie gesund sind. Manchmal sogar mit Orangensaft.“Einmal im Jahr watscheln die Meeresschildkröten an die Strände des pazifischen Ozeans verbuddeln ihre Eier im Sand. Undine Aninger lief nachts Patrouille, um zu verhindern, dass Einheiterte mische die Eier ausbuddelten, um sie zu essen oder zu verkaufen. In Brutstätten warteten die Helfer des „Arcas-Projektes“darauf, dass die kleinen Schildkröten schlüpften. War das passiert, ging es gemeinsam zur Küste. „Wir haben sie ins Meer gebracht. Das war so süß.“Die nächtlichen Suchaktionen seien aber auch anstrengend gewesen. „Ich musste zwei Mal mitten in der Nacht aufstehen. Das war schon hart.“Undine lebte währenddessen in einem großen Reservat. Mit zehn Leuten schlief sie in einem Gemeinschaftssaal.
Dass sie mal alleine in ein fremdes Land reisen und mit Menschen aus verschiedenen Nationen zusammenleben würde, war bis vor einigen Jahren noch unvorstellbar für Undine. Sie sei immer eher ein schüchternes Mädchen gewesen. „Ich habe mich früher nicht mal getraut, mit Fremden zu telefonieren.“
Guatemala habe sie verändert. Im positiven Sinne. Heute wirkt sie stärker, selbstbewusst. „Ich wollte weg, um selbstständiger zu werden und zu erfahren, was ich mit meinem eigenen Leben machen will.“
In der Sprachschule, die sie in Antigua besuchte, traf sie andere Freiwillige. Gemeinsam erkundeten sie die Umgebung von Guatemala, unternahmen Ausflüge und hockten gemütlich zusammen. „Es gab Abende, an denen haben wir stunund denlang nur geredet.“Zu gerne hätte Undine in diesen Momenten die Zeit angehalten. Viel zu schnell vergingen die Wochen. Viel zu schnell war sie wieder zurück in Dillingen.
Um sich den Traum einer eigenen Reise zu erfüllen, sparte sie jahrelang. „Ich arbeitete für ein paar Wochen am Fließband und legte die Ersparnisse von meiner Kommunion und meinem Abitur zurück.“2500 Euro kostete sie der Trip insgesamt. Die Erfahrungen, die sie in Guatemala machte, seien jeden Cent wert. „Die Menschen haben eine Idee vom Leben, die ganz anders ist als hier.“Sie sehen das Leben einfacher, lockerer. Genau wie den Tod.
Zum Tag der Toten feiern die Menschen, lassen Drachen steigen und tanzen auf den Gräbern. „Das machen sie, um den Angehörigen nah zu sein.“Vieles könnten sich die Menschen in Deutschland von den Guatemaltekern abgucken.
Darum will Undine Aninger unbedingt zurück in den südamerikanischen Staat. „Ich habe noch so viel im Kopf, was ich noch machen will.“Angst hatte sie in den Wochen nicht, obwohl vorher von allen Seiten vor der Kriminalität gewarnt wurde. „In Antigua habe ich mich nie unsicher und bedroht gefühlt.“Sie war einfach nur glücklich, trotz der einfachen Standards und der nächtlichen Suchaktionen am Strand. Und das lag auch an der Begegnung mit Kindern wie Elias.