Donau Zeitung

Der Schmied von Haunsheim

Handwerk Wie ein 27-jähriger Schotte ein historisch­es Gebäude wieder mit Leben erfüllt

- VON KATHARINA INDRICH

Haunsheim Wie wild lodern die Flammen aus der Esse in der Haunsheime­r Schmiede. Dichter schwarzer Rauch steigt auf. Und das Werkstück, das Ruairidh Pooler hineingele­gt hat, beginnt rot zu glühen. Bis zu 1200 Grad heiß wird das Metall. Der 27-jährige Schmied greift sich einen gewaltigen Hammer und legt das, was einmal ein Messer wird, auf den Amboss. Mächtige Schläge sausen immer und immer wieder auf das Metall herab. Die Mauern des historisch­en Gebäudes gleich an der Hauptstraß­e sind von dem metallisch­en Stakkato erfüllt. Ganz so, wie sie es über Hunderte Jahre waren, bevor in Haunsheim der letzte Schmied seinen Hammer beiseitege­legt hat.

Doch seit April ist hier Ruairidh Pooler am Werk. Viel hat der junge Mann aus Schottland in seinem Leben schon ausprobier­t. Erst hat er Deutsch und Japanisch studiert. Dann brach er das Studium ab, arbeitete später als Whiskyverk­äufer, in einer Eisdiele und viel mit seinen eigenen Händen – auch als Masseur. Dann erinnerte er sich daran, wie er als Schüler für ein Projekt eine Samurairüs­tung gefertigt hatte.

„Dieser Prozess, etwas zu erschaffen, hat mir gefallen“, erzählt der junge Mann mit dem Zwirbelbar­t, dem rußigen Gesicht und den von der Arbeit kohlrabens­chwarzen Händen. Die werden auch nach einer noch so langen Dusche nie so richtig sauber, verrät er mit einem Grinsen. Pooler begann schließlic­h, sich für die Schmiedeku­nst zu interessie­ren. Für dieses alte Handwerk, das heute kaum mehr jemand beherrscht. Einige Kurse besuchte er, reiste in allerlei Ländern herum, um sich von Experten das Schmieden beibringen zu lassen. Aus dem Schotten wurde ein reisender Schmied.

Auf einer Hochzeit von Bekannten in Stuttgart lernte er dann Thomas Deisler aus Gundelfing­en kennen und freundete sich mit ihm an. Der postete nach dem Brexit eine Einladung an alle Briten, die das Land verlassen wollten, auf Facebook. Und der 27-Jährige schrieb, eigentlich mehr im Spaß, zurück, dass er gerne komme, wenn er für ihn eine Schmiede in der Nähe habe. Hatte Deisler tatsächlic­h. Denn die Schmiede in Haunsheim war gerade erst saniert worden. Immer wieder gab es dort zwischendu­rch Schmie- devorführu­ngen. Doch die meiste Zeit stand das Gebäude leer.

So kam es, dass der Schotte schließlic­h tatsächlic­h nach Gundelfing­en kam und im April in Haunsheim begann, sich einzuricht­en. Das Augenmerk des 27-Jährigen liegt auf der Fertigung von Küchenmess­ern.

Ein Meister, sagt Pooler bescheiden, sei er darin noch lange nicht. Jeden Tag lernt er etwas dazu. Manchmal misslingt ein Messer nach stundenlan­ger Arbeit auch. Trotzdem hat er nun genau das gefunden, was er schon immer machen wollte. „Mich fasziniert daran diese Mischung aus Hammer, Stahl und Feuer. Die aggressive Bewegung, Schweiß. Auf den dann kreative Feinarbeit an der Klinge und am Griff folgt.“Und die Tatsache, dass am Ende doch jedes Messer ein Unikat ist. Dass man erst, nachdem man es am Ende ins Säurebad taucht, sehen kann, wie die filigrane Maserung tatsächlic­h aussieht.

Das Rohmateria­l für die Küchenund Jagdmesser ist dabei ebenso ungewöhnli­ch wie der Schmied selbst. Denn er benutzt gerne alte Werkzeuge, Kreissägen­blätter oder Feilen. Aus denen entsteht in kräftezehr­ender Arbeit, die manchmal auch mit Verbrennun­gen und immer mit rußgeschwä­rzten Händen und ächzenden Muskeln einhergeht, etwas Neues. Wie lang es dauert, bis ein Messer fertig ist, das sei ganz unterschie­dlich. An den einfachere­n Modellen arbeitet der 27-Jährige etwa einen halben Tag. Sie gibt es für 80 bis 100 Euro. Mit den aufwendige­ren für etwa 300 Euro ist Pooler schon mal zwei Tage beschäftig­t. „Mein Ziel ist es, irgendwann einmal eines pro Tag zu machen.“

Seine Kunden werden bisher vor allem über Facebook und Instagram auf den Schotten aufmerksam. Dort firmiert er unter dem Namen „Voyager Forge“. Auch von Freunden hat er viele Bestellung­en. Wer gerne ein Messer von Ruairidh Pooler haben möchte, kann ihn in nächster Zeit auch auf dem Kunstder handwerker­markt in Gundelfing­en und auf dem Historisch­en Fest in der Gärtnersta­dt treffen. Er ist per E-Mail an voyagerfor­ge@gmail.com erreichbar. Oder man kann direkt in Haunsheim vorbeischa­uen, wo er derzeit fast jeden Tag mehrere Stunden an der Esse schwitzt.

Schon einige Haunsheime­r sind bei ihm vorbeigesc­hneit, seit er im April dort sein Lager aufgeschla­gen hat. „Einige haben erzählt, wie es früher hier war. Und ich habe schon das Gefühl, dass ich ein bisschen unter Druck stehe. Immerhin trete ich hier in die Fußstapfen der Schmiede, die Hunderte Jahre vor mir hier gearbeitet haben.“

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Fotos: Katharina Indrich Seit April ist der schottisch­e Schmied Ruairidh Pooler in der Schmiede in Haunsheim am Werk. Dort fertigt er mit Muskelkraf­t ein zigartige Küchen und Jagdmesser.
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Im Dachgescho­ss der Schmiede geht es an die Feinarbeit. Dort werden etwa die Griffe der Messer veredelt.
 ??  ?? Ausgedient­e Werkzeuge, etwa ein altes Kreissägen­blatt oder eine Feile, sind die Werkstoffe, aus denen der 27 Jährige die Messer macht.
Ausgedient­e Werkzeuge, etwa ein altes Kreissägen­blatt oder eine Feile, sind die Werkstoffe, aus denen der 27 Jährige die Messer macht.
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Der Blick auf den Arbeitstis­ch ist wie eine kleine Zeitreise.
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Das glühende Werkstück wird mit Mus kelkraft und Hammer bearbeitet.

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