Der Schmied von Haunsheim
Handwerk Wie ein 27-jähriger Schotte ein historisches Gebäude wieder mit Leben erfüllt
Haunsheim Wie wild lodern die Flammen aus der Esse in der Haunsheimer Schmiede. Dichter schwarzer Rauch steigt auf. Und das Werkstück, das Ruairidh Pooler hineingelegt hat, beginnt rot zu glühen. Bis zu 1200 Grad heiß wird das Metall. Der 27-jährige Schmied greift sich einen gewaltigen Hammer und legt das, was einmal ein Messer wird, auf den Amboss. Mächtige Schläge sausen immer und immer wieder auf das Metall herab. Die Mauern des historischen Gebäudes gleich an der Hauptstraße sind von dem metallischen Stakkato erfüllt. Ganz so, wie sie es über Hunderte Jahre waren, bevor in Haunsheim der letzte Schmied seinen Hammer beiseitegelegt hat.
Doch seit April ist hier Ruairidh Pooler am Werk. Viel hat der junge Mann aus Schottland in seinem Leben schon ausprobiert. Erst hat er Deutsch und Japanisch studiert. Dann brach er das Studium ab, arbeitete später als Whiskyverkäufer, in einer Eisdiele und viel mit seinen eigenen Händen – auch als Masseur. Dann erinnerte er sich daran, wie er als Schüler für ein Projekt eine Samurairüstung gefertigt hatte.
„Dieser Prozess, etwas zu erschaffen, hat mir gefallen“, erzählt der junge Mann mit dem Zwirbelbart, dem rußigen Gesicht und den von der Arbeit kohlrabenschwarzen Händen. Die werden auch nach einer noch so langen Dusche nie so richtig sauber, verrät er mit einem Grinsen. Pooler begann schließlich, sich für die Schmiedekunst zu interessieren. Für dieses alte Handwerk, das heute kaum mehr jemand beherrscht. Einige Kurse besuchte er, reiste in allerlei Ländern herum, um sich von Experten das Schmieden beibringen zu lassen. Aus dem Schotten wurde ein reisender Schmied.
Auf einer Hochzeit von Bekannten in Stuttgart lernte er dann Thomas Deisler aus Gundelfingen kennen und freundete sich mit ihm an. Der postete nach dem Brexit eine Einladung an alle Briten, die das Land verlassen wollten, auf Facebook. Und der 27-Jährige schrieb, eigentlich mehr im Spaß, zurück, dass er gerne komme, wenn er für ihn eine Schmiede in der Nähe habe. Hatte Deisler tatsächlich. Denn die Schmiede in Haunsheim war gerade erst saniert worden. Immer wieder gab es dort zwischendurch Schmie- devorführungen. Doch die meiste Zeit stand das Gebäude leer.
So kam es, dass der Schotte schließlich tatsächlich nach Gundelfingen kam und im April in Haunsheim begann, sich einzurichten. Das Augenmerk des 27-Jährigen liegt auf der Fertigung von Küchenmessern.
Ein Meister, sagt Pooler bescheiden, sei er darin noch lange nicht. Jeden Tag lernt er etwas dazu. Manchmal misslingt ein Messer nach stundenlanger Arbeit auch. Trotzdem hat er nun genau das gefunden, was er schon immer machen wollte. „Mich fasziniert daran diese Mischung aus Hammer, Stahl und Feuer. Die aggressive Bewegung, Schweiß. Auf den dann kreative Feinarbeit an der Klinge und am Griff folgt.“Und die Tatsache, dass am Ende doch jedes Messer ein Unikat ist. Dass man erst, nachdem man es am Ende ins Säurebad taucht, sehen kann, wie die filigrane Maserung tatsächlich aussieht.
Das Rohmaterial für die Küchenund Jagdmesser ist dabei ebenso ungewöhnlich wie der Schmied selbst. Denn er benutzt gerne alte Werkzeuge, Kreissägenblätter oder Feilen. Aus denen entsteht in kräftezehrender Arbeit, die manchmal auch mit Verbrennungen und immer mit rußgeschwärzten Händen und ächzenden Muskeln einhergeht, etwas Neues. Wie lang es dauert, bis ein Messer fertig ist, das sei ganz unterschiedlich. An den einfacheren Modellen arbeitet der 27-Jährige etwa einen halben Tag. Sie gibt es für 80 bis 100 Euro. Mit den aufwendigeren für etwa 300 Euro ist Pooler schon mal zwei Tage beschäftigt. „Mein Ziel ist es, irgendwann einmal eines pro Tag zu machen.“
Seine Kunden werden bisher vor allem über Facebook und Instagram auf den Schotten aufmerksam. Dort firmiert er unter dem Namen „Voyager Forge“. Auch von Freunden hat er viele Bestellungen. Wer gerne ein Messer von Ruairidh Pooler haben möchte, kann ihn in nächster Zeit auch auf dem Kunstder handwerkermarkt in Gundelfingen und auf dem Historischen Fest in der Gärtnerstadt treffen. Er ist per E-Mail an voyagerforge@gmail.com erreichbar. Oder man kann direkt in Haunsheim vorbeischauen, wo er derzeit fast jeden Tag mehrere Stunden an der Esse schwitzt.
Schon einige Haunsheimer sind bei ihm vorbeigeschneit, seit er im April dort sein Lager aufgeschlagen hat. „Einige haben erzählt, wie es früher hier war. Und ich habe schon das Gefühl, dass ich ein bisschen unter Druck stehe. Immerhin trete ich hier in die Fußstapfen der Schmiede, die Hunderte Jahre vor mir hier gearbeitet haben.“