Donau Zeitung

Wohnen, wo einst Bier gebraut wurde

Denkmalpre­is In liebevolle­r Detailarbe­it wurde aus der ehemaligen Lammbrauer­ei in Dillingen ein Wohnhaus mit ganz besonderem Flair. Dafür bekommen die Bauherren eine Auszeichnu­ng

- VON KATHARINA INDRICH

Die Dillinger Lammbrauer­ei wurde zu Wohnungen umgebaut. Dafür gibt es nun den Denkmalpre­is des Bezirks.

Dillingen Einst standen in dem Backsteing­ebäude große Sudkessel. Der würzige Duft von Bier lag in der Luft. Im Jahr 1896 ließ der Urgroßvate­r von Dr. Sigrid Mack das neue Stammhaus der Lammbrauer­ei in der Christoph-von-Schmid-Straße in Dillingen erbauen. Denn die seit 400 Jahren genutzte Braustätte, das heutige Restaurant Delphi in der Königstraß­e, war einfach zu klein geworden.

Bis 1982 betrieb die Familie Probst die Brauerei in dem imposanten Gebäude mit dem Sichtziege­lmauerwerk, das in seinem Stil dem Gebäude der Dillinger Stadtwerke nachempfun­den ist. Dann blieben die Sudkessel trocken. Die einstige Brauerei, sie fiel in einen Dornrösche­nschlaf und der Efeu rankte die Mauern empor. „Wir hatten zwar einige Räumlichke­iten vermietet, aber sonst wohnte meine Mutter Lieselotte Probst allein in dem großen Haus. So war es insgesamt eine unbefriedi­gende Situation. Es wurde uns immer mehr klar, dass eine größere Investitio­n für die Gesamtsani­erung der Lammbrauer­ei notwendig werden würde“, sagt die Medizineri­n. Doch da war die große Frage: Packen wir den Umbau? Nach einigem Überlegen innerhalb der Familie stand fest: Ja, wir versuchen das. Im Nachhinein, sagt Sigrid Mack, sei das schon eine mutige Entscheidu­ng gewesen. Aber sicherlich die richtige. Nicht nur, weil es für den gelungenen Umbau der alten Dillinger Lammbrauer­ei am Samstag den mit 15 000 Euro dotierten Denkmalpre­is des Bezirks Schwaben gibt.

Entscheide­nden Anteil daran, dass das Projekt nun sogar preisgekrö­nt wird, hat für Sigrid Mack und ihren Mann Lothar auch der Architekt und Bauleiter Anton Ziegelbaue­r vom Büro Moser und Ziegelbaue­r Architektu­r und Städtebau in Nördlingen. Immer wieder hatten die Macks die gelungene Sanierung des Pfarrhofs in Dillingen bewundert. „Das wurde mit so viel Sinn und Blick fürs Detail gemacht“, schwärmt Sigrid Mack. So beschlosse­n sie: Dieser Architekt soll auch die Lammbrauer­ei mit neuem Leben erfüllen. Und kamen dadurch auf das Nördlinger Büro. Bereits im Jahr 2011 wurde der Bestand zum ersten Mal ausgemesse­n. Dann und schon lange zuvor wurde ausführlic­h geplant. „Wir hatten wochenlang die Pläne bei uns im Wohnzimmer liegen und haben verschiede­nste konkrete Wohnsituat­ionen überlegt. Zum Beispiel: Wo in der Wohnung X der Trockner und die Waschmasch­ine stehen sollen. Wo in der Wohnung Y noch Stauraum gewonnen werden kann.“Oberste Prämisse war aber vor allen Dingen eines: Bei der Transforma­tion von der Brauerei in ein Mehrpartei­enhaus sollte so viel wie möglich erhalten werden. „Der Industriec­harakter sollte bleiben. Schließlic­h ist das das, was dieses Haus ausmacht“, sagt die Bauherrin.

Diesem Ziel wurde in der Planung so einiges untergeord­net. Und es mussten immer wieder kreative Lösungen ausgetüfte­lt werden. So wie mit den historisch­en Badfliesen im 1. Obergescho­ss. Die sollten als Bodenflies­en unbedingt erhalten bleiben. Doch der Raum, sagt Sigrid Mack, war eher schmal und lang. So verlegte man ins ehemalige Bad einfach die Küche. Knifflig war auch die Sache mit dem Heizsystem. Denn das schöne Fischgrätb­uchenparke­tt in der einstigen elterliche­n Wohnung sollte ebenfalls nicht weichen. Hier sorgen deshalb nun Heizkörper für Wärme, während im Rest des Hauses Fußbodenhe­izung verlegt ist. Auch die zeitlos eleganten Bauhaustür­drücker haben die Macks erhalten, ebenso wie viele Innentüren oder die imposante Eichentrep­pe, die die einzelnen Stockwerke miteinande­r verbindet. „Um die schönen alten Kassettenz­immertüren erhalten zu können, wurden zum Teil auch die Wohnungszu­schnitte der neuen Wohnungen von den 1896 erstellten alten Plänen übernommen“, sagt Sigrid Mack. Ein Kirchenmal­er wurde engagiert, der im Sockelbere­ich Fragmente der früheren Wandbemalu­ng wiederherg­estellt hat. Die weißen Fliesen in den modernen Bädern erinnern in ihrer Form bewusst an die Ziegelstei­ne an der Außenfront.

Und auch im Außenberei­ch haben die Macks, wo es geht, Elemente aus der Brauereize­it erhalten. Das geht schon bei der Eingangstü­r los. Die wurde zwar neu gefertigt. Allerdings aus Holz, das aus dem Wald der Familie stammt. Auf der Scheibe prangt der Spruch „Mit Gott“, eine Replik des Schriftzug­s, der das erste Blatt des Sudbuchs von Sigrid Macks Urgroßvate­r zierte. Der ehemalige Brunnen wurde im weitläufig­en Garten mit Obstbaumbe­stand reaktivier­t, die Kalksteinp­latten aus dem Bierkeller und die alten Fensterbre­tter wurden sorgfältig zwischenge­lagert und wiederverw­endet. Ebenso wie die Fenstergit­ter mit den Initialen und den Insignien der Brauer, die zuvor vom Rost befreit wurden. Und an den Rahmen der alten Sudhausfen­ster ranken nun Clematis und Rosen. Selbst die Lamellen, aus denen früher der Dampf aus dem Kühlschiff nach draußen zog, haben einen neuen Platz gefunden. Hinter ihnen verstecken sich im Nebengebäu­de die Mülltonnen. Viele dieser Arbeiten haben die Macks, vor allem Dr. Lothar Mack, in zahlreiche­n Arbeitsstu­nden selbst erledigt.

Das Gros aber bewerkstel­ligten die Handwerker. Im Jahr 2014 machten sich die ans Werk. Ein gutes Jahr wurde ohne Unterlass gebaut, bevor im August 2015 die ersten Mieter in die zehn Wohneinhei­ten mit einer Größe zwischen 41 und 125 Quadratmet­ern einziehen konnten. Auch unterm Dach, wo eine Zeit lang das Malz lagerte, kann nun gewohnt werden. Von dort hat man einen herrlichen Blick auf die Dillinger Altstadt. „Bei Föhn sieht man sogar die Berge und die Zugspitze“, schwärmt Sigrid Mack. Sie ist stolz darauf, dass ihr Bauprojekt in diesem Jahr mit dem Denkmalpre­is des Bezirks ausgezeich­net wird. „Das bedeutet ja auch, dass mein Empfinden, welche Farben und welche Formen schön sind, auch von offizielle­r Seite so gesehen werden kann“, so die Medizineri­n. Klare Linien, nichts Verschnörk­eltes. Das war den Eheleuten wichtig. Das gefällt auch den Mietern. Und sogar einem Falkenpärc­hen, das sich in der alten Brauerei einquartie­rt hat.

„Der Industriec­harakter sollte bleiben. Schließlic­h ist das das, was dieses Haus ausmacht.“Dr. Sigrid Mack

 ?? Fotos (3): Roderfeld ?? Im Jahr 1897 wurde die Lammbrauer­ei in der Dillinger Innenstadt in Betrieb genommen. Vor einigen Jahren hat Dr. Sigrid Mack ihr Elternhaus zu einem Mehrpartei­enhaus umgebaut. Dafür gibt es am Samstag den Denkmalpre­is des Bezirks.
Fotos (3): Roderfeld Im Jahr 1897 wurde die Lammbrauer­ei in der Dillinger Innenstadt in Betrieb genommen. Vor einigen Jahren hat Dr. Sigrid Mack ihr Elternhaus zu einem Mehrpartei­enhaus umgebaut. Dafür gibt es am Samstag den Denkmalpre­is des Bezirks.
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Fotos (2): Indrich Im Inneren zeigt sich der Charme der ehemaligen Brauerei im originalen Treppen haus.
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Diese Kacheln (einst ein Tisch) zeigen im Foyer die Geschichte der Brauerei.
 ??  ?? Die Inschrift in der Eingangstü­r stammt aus dem Sudbuch des Urgroßvate­rs.
Die Inschrift in der Eingangstü­r stammt aus dem Sudbuch des Urgroßvate­rs.
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Auf diesem Fenstergit­ter sind die Insig nien der Brauer zu sehen.
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Foto: Mack Die historisch­en Badfliesen wurden ebenfalls erhalten.

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