Wohnen, wo einst Bier gebraut wurde
Denkmalpreis In liebevoller Detailarbeit wurde aus der ehemaligen Lammbrauerei in Dillingen ein Wohnhaus mit ganz besonderem Flair. Dafür bekommen die Bauherren eine Auszeichnung
Die Dillinger Lammbrauerei wurde zu Wohnungen umgebaut. Dafür gibt es nun den Denkmalpreis des Bezirks.
Dillingen Einst standen in dem Backsteingebäude große Sudkessel. Der würzige Duft von Bier lag in der Luft. Im Jahr 1896 ließ der Urgroßvater von Dr. Sigrid Mack das neue Stammhaus der Lammbrauerei in der Christoph-von-Schmid-Straße in Dillingen erbauen. Denn die seit 400 Jahren genutzte Braustätte, das heutige Restaurant Delphi in der Königstraße, war einfach zu klein geworden.
Bis 1982 betrieb die Familie Probst die Brauerei in dem imposanten Gebäude mit dem Sichtziegelmauerwerk, das in seinem Stil dem Gebäude der Dillinger Stadtwerke nachempfunden ist. Dann blieben die Sudkessel trocken. Die einstige Brauerei, sie fiel in einen Dornröschenschlaf und der Efeu rankte die Mauern empor. „Wir hatten zwar einige Räumlichkeiten vermietet, aber sonst wohnte meine Mutter Lieselotte Probst allein in dem großen Haus. So war es insgesamt eine unbefriedigende Situation. Es wurde uns immer mehr klar, dass eine größere Investition für die Gesamtsanierung der Lammbrauerei notwendig werden würde“, sagt die Medizinerin. Doch da war die große Frage: Packen wir den Umbau? Nach einigem Überlegen innerhalb der Familie stand fest: Ja, wir versuchen das. Im Nachhinein, sagt Sigrid Mack, sei das schon eine mutige Entscheidung gewesen. Aber sicherlich die richtige. Nicht nur, weil es für den gelungenen Umbau der alten Dillinger Lammbrauerei am Samstag den mit 15 000 Euro dotierten Denkmalpreis des Bezirks Schwaben gibt.
Entscheidenden Anteil daran, dass das Projekt nun sogar preisgekrönt wird, hat für Sigrid Mack und ihren Mann Lothar auch der Architekt und Bauleiter Anton Ziegelbauer vom Büro Moser und Ziegelbauer Architektur und Städtebau in Nördlingen. Immer wieder hatten die Macks die gelungene Sanierung des Pfarrhofs in Dillingen bewundert. „Das wurde mit so viel Sinn und Blick fürs Detail gemacht“, schwärmt Sigrid Mack. So beschlossen sie: Dieser Architekt soll auch die Lammbrauerei mit neuem Leben erfüllen. Und kamen dadurch auf das Nördlinger Büro. Bereits im Jahr 2011 wurde der Bestand zum ersten Mal ausgemessen. Dann und schon lange zuvor wurde ausführlich geplant. „Wir hatten wochenlang die Pläne bei uns im Wohnzimmer liegen und haben verschiedenste konkrete Wohnsituationen überlegt. Zum Beispiel: Wo in der Wohnung X der Trockner und die Waschmaschine stehen sollen. Wo in der Wohnung Y noch Stauraum gewonnen werden kann.“Oberste Prämisse war aber vor allen Dingen eines: Bei der Transformation von der Brauerei in ein Mehrparteienhaus sollte so viel wie möglich erhalten werden. „Der Industriecharakter sollte bleiben. Schließlich ist das das, was dieses Haus ausmacht“, sagt die Bauherrin.
Diesem Ziel wurde in der Planung so einiges untergeordnet. Und es mussten immer wieder kreative Lösungen ausgetüftelt werden. So wie mit den historischen Badfliesen im 1. Obergeschoss. Die sollten als Bodenfliesen unbedingt erhalten bleiben. Doch der Raum, sagt Sigrid Mack, war eher schmal und lang. So verlegte man ins ehemalige Bad einfach die Küche. Knifflig war auch die Sache mit dem Heizsystem. Denn das schöne Fischgrätbuchenparkett in der einstigen elterlichen Wohnung sollte ebenfalls nicht weichen. Hier sorgen deshalb nun Heizkörper für Wärme, während im Rest des Hauses Fußbodenheizung verlegt ist. Auch die zeitlos eleganten Bauhaustürdrücker haben die Macks erhalten, ebenso wie viele Innentüren oder die imposante Eichentreppe, die die einzelnen Stockwerke miteinander verbindet. „Um die schönen alten Kassettenzimmertüren erhalten zu können, wurden zum Teil auch die Wohnungszuschnitte der neuen Wohnungen von den 1896 erstellten alten Plänen übernommen“, sagt Sigrid Mack. Ein Kirchenmaler wurde engagiert, der im Sockelbereich Fragmente der früheren Wandbemalung wiederhergestellt hat. Die weißen Fliesen in den modernen Bädern erinnern in ihrer Form bewusst an die Ziegelsteine an der Außenfront.
Und auch im Außenbereich haben die Macks, wo es geht, Elemente aus der Brauereizeit erhalten. Das geht schon bei der Eingangstür los. Die wurde zwar neu gefertigt. Allerdings aus Holz, das aus dem Wald der Familie stammt. Auf der Scheibe prangt der Spruch „Mit Gott“, eine Replik des Schriftzugs, der das erste Blatt des Sudbuchs von Sigrid Macks Urgroßvater zierte. Der ehemalige Brunnen wurde im weitläufigen Garten mit Obstbaumbestand reaktiviert, die Kalksteinplatten aus dem Bierkeller und die alten Fensterbretter wurden sorgfältig zwischengelagert und wiederverwendet. Ebenso wie die Fenstergitter mit den Initialen und den Insignien der Brauer, die zuvor vom Rost befreit wurden. Und an den Rahmen der alten Sudhausfenster ranken nun Clematis und Rosen. Selbst die Lamellen, aus denen früher der Dampf aus dem Kühlschiff nach draußen zog, haben einen neuen Platz gefunden. Hinter ihnen verstecken sich im Nebengebäude die Mülltonnen. Viele dieser Arbeiten haben die Macks, vor allem Dr. Lothar Mack, in zahlreichen Arbeitsstunden selbst erledigt.
Das Gros aber bewerkstelligten die Handwerker. Im Jahr 2014 machten sich die ans Werk. Ein gutes Jahr wurde ohne Unterlass gebaut, bevor im August 2015 die ersten Mieter in die zehn Wohneinheiten mit einer Größe zwischen 41 und 125 Quadratmetern einziehen konnten. Auch unterm Dach, wo eine Zeit lang das Malz lagerte, kann nun gewohnt werden. Von dort hat man einen herrlichen Blick auf die Dillinger Altstadt. „Bei Föhn sieht man sogar die Berge und die Zugspitze“, schwärmt Sigrid Mack. Sie ist stolz darauf, dass ihr Bauprojekt in diesem Jahr mit dem Denkmalpreis des Bezirks ausgezeichnet wird. „Das bedeutet ja auch, dass mein Empfinden, welche Farben und welche Formen schön sind, auch von offizieller Seite so gesehen werden kann“, so die Medizinerin. Klare Linien, nichts Verschnörkeltes. Das war den Eheleuten wichtig. Das gefällt auch den Mietern. Und sogar einem Falkenpärchen, das sich in der alten Brauerei einquartiert hat.
„Der Industriecharakter sollte bleiben. Schließlich ist das das, was dieses Haus ausmacht.“Dr. Sigrid Mack