Facebook Lüge kostet 110 Millionen
Fusion Als der Internet-Konzern WhatsApp übernehmen wollte, hat er der EU-Kommission nicht die Wahrheit erzählt. Das wird dem Unternehmen nun zum Verhängnis – und teuer
Brüssel Es ist eine Lüge, die Facebook teuer zu stehen kommt: Drei Jahre nach der Übernahme des beliebten Messenger-Dienstes WhatsApp muss Facebook noch einmal tief in die Tasche greifen: 110 Millionen Euro Strafe hat die Brüsseler EU-Kommission dem sozialen Netzwerk gestern aufgebrummt. Man fühle sich betrogen. „Abschreckung“, „irreführende Angaben“, „vorsätzlich unrichtige Informationen“– die Stellungnahme der europäischen Behörde wimmelt nur so von Vorwürfen an den US-Konzern. Es ist nicht nur ein einzigartiger Vorgang in der Geschichte der europäischen Fusionskontrolle, sondern auch ein besonders eklatanter.
2014 hatte Facebook WhatsApp übernommen und diesen Schritt ordnungsgemäß Brüssel zur Genehmigung vorgelegt. Doch sowohl in dem Anmeldeschreiben der Fusion wie auch in der Stellungnahme, die die Kommission einforderte, nahm der US-Konzern es mit der Wahrheit nicht wirklich genau. Facebook behauptete nämlich, dass ein „zuverlässiger automatischer Abgleich zwischen den bei Facebook beziehungsweise WhatsApp vorhandenen Benutzerkonten“nicht möglich oder beabsichtigt sei – eine glatte Lüge. 2016 forderten die beiden Häuser von ihren Nutzern die Zustimmung zu genau dieser Verbindung. Die Kommission schritt ein und bezeichnete das Verhalten gestern als „schwerwiegende Zuwiderhandlung“und Verstoß gegen die Verpflichtung, wahrheitsgemäße Angaben vorzulegen. Mehr noch: In beiden Häusern, so betonte ein Kommissionssprecher gestern, sei schon bei der Übernahme bekannt gewesen, dass dieser Abgleich durchaus technisch möglich und beabsichtigt war. Aus Furcht vor einer Ablehnung der Fusion habe man Brüssel lieber nicht die volle Wahrheit sagen wollen.
Doch das Manöver ging nun schief. Denn EU-Kontrolleure argwöhnten schon 2014, dass die Kundendaten durchaus automatisch angeglichen werden könnten, hieß es aus dem Ressort der Brüsseler Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Trotzdem habe die Behörde den Zusammenschluss grundsätzlich genehmigt. Die Tatsache, dass man mit falschen Angaben gefüttert worden war, dürfe nicht ungestraft bleiben. Facebooks Bußgeld fällt auch deswegen mit 110 Millionen Euro besonders drastisch aus, weil eine „abschreckende Wirkung erreicht werden“solle. Auf Twitter ergänzte Kommissarin Vestager: „Wir brauchen korrekte Angaben, um unseren Job machen zu können.“
Facebook gab sich gestern zunächst kleinlaut und erklärte: „Wir haben seit den allerersten Kontakten zur Kommission nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und versucht, zu jeder Zeit korrekte Informationen zu liefern.“Fehler seien keine Absicht gewesen, ergänzte ein Sprecher. Die Last der Vorwürfe ist jedoch so erdrückend, dass der Konzern die Millionenstrafe akzeptierte und zahlen will. Das Geld fließt in den EU-Etat und mindert die Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten.
In Deutschland hatte das Landgericht Hamburg erst im April die Weitergabe von WhatsApp-Daten an das Facebook-Mutterhaus ohne ausdrückliche Zustimmung der Nutzer untersagt. Die Entscheidung blieb aber umstritten, weil sie nur für die Zeit ab dem Urteil galt. Bereits gespeicherte Angaben durften Facebook und WhatsApp behalten.
Das ist kein Krieg gegen Facebook, Apple oder WhatsApp, den die Brüsseler EU-Kommission da führt. Hier agiert auch nicht eine pikierte und verärgerte Institution der Europäischen Union, sondern eine sehr nüchterne und gelassene Wettbewerbsbehörde, die die Rechte der Verbraucher hütet. Dass Facebook den Daten-„Rohstoff“seiner WhatsApp-Tochter nutzen wollte, widerspricht den Regeln, die auf dem digitalen Binnenmarkt der Mitgliedstaaten gelten. Denn hier hat der Nutzer allein das Recht, über die Verwendung seiner persönlichen Angaben zu entscheiden. Die EU-Kommission wacht darüber, dass dieses Recht der Kunden unangetastet bleibt. Dass man jetzt die Ellbogen ausfährt und hart gegen den Versuch der Irreführung zurückschlägt, hat deswegen wenig mit Arroganz einer Verwaltung, aber viel mit Verbraucherschutz zu tun. Mehr noch: Die Überheblichkeit, mit der US-Konzerne auf dem