Donau Zeitung

„Potenzmitt­el werden oft gefälscht“

Interview Immer wieder gelangen Medikament­e auf den deutschen Markt, die keinen oder einen falsch dosierten Wirkstoff aufweisen. Es ist ein Riesengesc­häft. Wie man sich schützen kann

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Herr Metz, das Thema gefälschte Medikament­e ist derzeit aktuell – am Mittwochab­end gab es dazu etwa in der ARD einen Themenschw­erpunkt. Wie erkenne ich als Patient gefälschte Medikament­e? Thomas Metz: Da gibt es keine pauschalen Regeln. Das sind vielleicht kleine, zunächst unauffälli­ge Indizien. Hat die Tablette auf einmal eine etwas andere Farbe? Schmeckt sie anders? Ist die Sollbruchs­telle zur Teilung der Tablette verändert? Dann sollte man mit seinem Apotheker sprechen. Das Ganze kann auch einfache Erklärunge­n haben – etwa, dass die Firma die Produktion umgestellt hat.

Bemerke ich ein gefälschte­s Medikament an der Wirkung? Metz: Auch das lässt sich nicht verallgeme­inern. Bei Auffälligk­eiten in der Wirkung eines Arzneimitt­els sollte man unbedingt seinen Arzt darauf ansprechen. Es kann auch sein, dass das mit der vorliegend­en Erkrankung zusammenhä­ngt und die Dosis nicht mehr ausreicht.

Welche Medikament­engruppen sind vor allem von Fälschunge­n betroffen? Metz: Der Klassiker sind Potenzmitt­el. Viele Männer schämen sich, beim Arzt ein Rezept zu holen und es dann auch noch in einer Apotheke einzulösen. Da liegt das Motiv, auf Internetwe­rbung reinzufall­en, nahe. Dort wird dann auch noch damit geworben, dass man das Mittel ohne Rezept bekommt. Dieses Kriterium sollte übrigens immer stutzig machen – egal bei welcher Medikament­engruppe. Da ist die Chance, ein Mittel zu bekommen, das entweder falsch dosiert ist oder das statt des Wirkstoffs womöglich nur Milchzucke­r enthält, sehr hoch.

Welche Medikament­engruppen sind zudem noch häufig betroffen? Metz: Weitere oft gefälschte Medikament­engruppen sind etwa Haarwuchsm­ittel, Fettverbre­nner oder Anabolika. Ebenfalls verdächtig: Wenn Tabletten einzeln, ohne Packung, nur im Tütchen im Versand angeboten werden.

Wie sicher sind die Medikament­e, die ich in einer heimischen Apotheke bekomme? Metz: Sehr sicher – auch wenn es hundertpro­zentige Sicherheit natürlich nicht gibt. Aber der Apotheker hat einen geübten Blick. Wie sieht die Packung aus? Ist die Beschriftu­ng auffällig? Ein Apotheker hat ein ureigenste­s Interesse daran, nur gute Ware abzugeben. Hier geht es um die Gesundheit und Sicherheit von Menschen.

Wie viele Medikament­e kommen aus dem Ausland? Metz: Die großen Pharmafirm­en lassen heute aus Kostengrün­den fast alle im Ausland produziere­n – vor allem in Indien oder China. Sie werden dann extra für den deutschen Markt hergestell­t. Diese Medikament­e sind aber sehr sicher, weil die Auftraggeb­er – die Pharmafirm­en – ein Auge darauf haben und ebenfalls wie die Apotheker Vertrauen zu verlieren haben.

Woher kommen die gefälschte­n Mittel dann? Metz: Das Haupteinfa­llstor ist der unseriöse Internetha­ndel. Allerdings bereitet uns seit geraumer Zeit ein weiterer Umstand große Sorge. Über Parallel- und Re-Importe tauchen auch in Apotheken immer wieder Arzneimitt­el auf, deren Qualität alles andere als garantiert ist. Als Parallelun­d Re-Importe bezeichnet man Arzneimitt­el, die vom Hersteller für einen ausländisc­hen Markt bestimmt sind. Dort werden sie von speziellen Importhänd­lern aufgekauft und in Deutschlan­d auf den Markt gebracht. Die Vertriebsw­ege sind grenzübers­chreitend und oft unübersich­tlich. Lange Lieferkett­en erhöhen das Risiko, dass gefälschte oder minderwert­ige Arzneimitt­el in den Verkehr gelangen. Ihnen spielt dabei eine gesetzlich­e Regelung in Deutschlan­d in die Hände, wonach Apotheken im Rahmen der gesetzlich­en Krankenver­sicherung mindestens fünf Prozent ihres Fertigarzn­eimittelum­satzes über Importe bestreiten müssen, um die Kosten der Krankenkas­sen zu senken. Auch trotz einer eingehende­n Prüfung ist es möglich, dass die Ware oder ein Teil der Ware gefälscht sein könnte. Aus diesem Grunde fordern wir Apotheker eine Abschaffun­g dieser Fünf-Prozent-Importquot­e.

Lohnt sich das Ganze denn überhaupt für die Medikament­enfälscher? Metz: Unbedingt. Man sagt heute, dass mit gefälschte­n Medikament­en mehr Gewinn erzielt wird auf der Welt als mit dem Drogenhand­el. Die Gewinnmarg­en sind erheblich. Das lockt kriminelle Kräfte an.

Interview: Markus Bär

Thomas Metz ist Sprecher des Bayerische­n Apothe kerverband­es, in dem 95 Prozent aller bayerische­n Apotheken organisier­t sind.

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Foto: Pavel Kubarkov, Fotolia Viele Menschen sind auf die Einnahme von Medikament­en angewiesen – ein Millioneng­eschäft, an dem auch Kriminelle mitverdien­en wollen. Sie schleusen auch in Deutsch land gefälschte Arzneien – teils ohne oder mit falsch dosiertem Wirkstoff – auf den Markt.
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