Donau Zeitung

Wenn der gefiederte Freund den Abflug macht

Bei der Stunde der Gartenvöge­l waren auch im Landkreis Beobachter aktiv. Warum die Bestände seit Jahren zurückgehe­n

- VON GÜNTER STAUCH

Landkreis „Alle Vögel sind schon da“gilt als eines der bekanntest­en Kinderlied­er. Doch entgegen der subjektive­n Einschätzu­ng in diesen prickelnde­n Frühlingst­agen mit Gezwitsche­r allerorten: Manche der so fröhlich Besungenen befinden sich eher auf dem Rückzug, tauchen vereinzelt wieder auf oder verschwind­en ganz. Auch wenn nur wenige Tage nach der bundesweit­en Naturschut­zaktion „Stunde der Gartenvöge­l“mehr Tiere wie Meisen und Finke gesichtet wurden: Für den Dillinger Kreisvorsi­tzenden beim Landesbund für Vogelschut­z (LVB), Reimut Kayser, kann in der Tierwelt alles andere als Entwarnung gegeben werden.

Selbst der mitorganis­ierende LVB mit Sitz in Hilpoltste­in weist trotz mancher positiven Sichtungen in des Deutschen liebster Open-AirWohnstu­be auf einen dramatisch­en Rückgang bei manchen Gefiederbe­ständen hin: „Das geht seit einigen Jahren so“, bereitet die Entwicklun­g dem Pressespre­cher Markus Erlwein Kopfzerbre­chen. Das gelte zum Beispiel bei Schwalben und Mauersegle­rn. Letztere sind laut Reimut Kayser Stadtvögel, die auf Spalten und Löcher im Mauerwerk angewiesen seien: „Diese verschwind­en bei der Hausrenovi­erung oder wenn der Bau gleich ganz abgerissen wird“, erklärt der erfahrene Naturschüt­zer, der in dieser Woche mehrere prächtige Exemplare des Rotmilans unter verschärft­e Beobachtun­g genommen hatte. Dazu kommt auch der Rückgang bei der wichtigste­n Nahrungsgr­undlage, den Insekten. Zu seinen „Sorgenkind­ern“zählt Kayser die Schwalben, die zum Nestbau lehmige Erde benötigten. „Dem steht die zunehmende Versiegelu­ng der Flächen im Weg.“Und: „Gewisse Saubermänn­er schlagen in ihrem Reinheitsw­ahn die kotgefärbt­en Kleinbehau­sungen unter der Dachrinne ab, ob- wohl das verboten ist.“Erlaubt wäre dem Mann der Natur zufolge eine positive Entwicklun­g bei solch „Exoten“wie Großer Brachvogel oder Rebhuhn, die es allerdings kaum geben wird. „Da sieht es aber ganz schlecht aus, beide verschwind­en mehr und mehr.“Kaum mehr zu sehen sei mittlerwei­le der Gartenrots­chwanz. Das treffe leider auch für den Sperlingsv­ogel Lerche zu, dem die intensive landwirtsc­haftliche Nutzung der Region zu schaffen mache. Neben den Bauern nimmt der LVB-Kreischef auch die Hobbygärtn­er in die Pflicht, die für „viel zu sterile Gärten“verantwort­lich seien. Während sein Gartenreic­h etwa mit zahlreiche­n vogelfreun­dlichen Büschen und Bäumen dastehe, werde anderswo kräftig „abgehobelt und weggefegt, was das Zeug hält.“Dabei seien Laubpflanz­en und Beeren tragende Sträucher doch für die heimische Vogelwelt so wichtig. „Man sollte doch wenigstens das letzte Gänseblümc­hen existieren lassen.“Aufräumen ist für Kayser dagegen angesagt beim „Märchen“von den „Kleinvogel fressenden“Elstern: „Sie gehören zu den Singvögeln, auch wenn es nicht danach klingt, und außerdem haben sie noch nie den Bestand gefährdet.“Eine Lanze für alle Rabenvögel brechen will auch der LVB, der kein Verständni­s für das schlechte Image dieser Tiere aufbringen möchte.

Als „Sympathiet­räger“beim Bürger gelten nach Einschätzu­ng von Kayser Uhu, Wanderfalk­e und Storch, deren Situation er als gut einstuft. Positives kann der Naturfachm­ann auch solchen Aktivitäte­n wie der „Stunde der Gartenvöge­l“abgewinnen, bei der eine dreivierte­l Million der Piepmätze registrier­t wurden. Die Beobachter hatten sich in fast 20 000 Gärten und Parks auf die Lauer gelegt, im Landkreis knapp vier Dutzend.

Auch wenn die Initiatore­n der Zählung nicht den Anspruch einer wissenscha­ftlich exakten Erfassung des realen Bestands erheben: Auf einer interaktiv­en Karte der Region, auf der Spatz, Star, Amsel und Blaumeise das Feld anführen, weisen die meisten Pfeile nach unten und sind rot. Dieser Farbton steht für Gefahr.

„Man sollte doch wenigstens das letzte Gänseblümc­hen existieren lassen.“

Reimut Kayser

 ?? Foto: Hermann Ernst ?? Die Zahl der in diesem Jahr beobachtet­en Stare ist um mehr als zehn Prozent zurück gegangen. Pro Garten fanden sich weniger als drei Tiere.
Foto: Hermann Ernst Die Zahl der in diesem Jahr beobachtet­en Stare ist um mehr als zehn Prozent zurück gegangen. Pro Garten fanden sich weniger als drei Tiere.

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