Wenn der gefiederte Freund den Abflug macht
Bei der Stunde der Gartenvögel waren auch im Landkreis Beobachter aktiv. Warum die Bestände seit Jahren zurückgehen
Landkreis „Alle Vögel sind schon da“gilt als eines der bekanntesten Kinderlieder. Doch entgegen der subjektiven Einschätzung in diesen prickelnden Frühlingstagen mit Gezwitscher allerorten: Manche der so fröhlich Besungenen befinden sich eher auf dem Rückzug, tauchen vereinzelt wieder auf oder verschwinden ganz. Auch wenn nur wenige Tage nach der bundesweiten Naturschutzaktion „Stunde der Gartenvögel“mehr Tiere wie Meisen und Finke gesichtet wurden: Für den Dillinger Kreisvorsitzenden beim Landesbund für Vogelschutz (LVB), Reimut Kayser, kann in der Tierwelt alles andere als Entwarnung gegeben werden.
Selbst der mitorganisierende LVB mit Sitz in Hilpoltstein weist trotz mancher positiven Sichtungen in des Deutschen liebster Open-AirWohnstube auf einen dramatischen Rückgang bei manchen Gefiederbeständen hin: „Das geht seit einigen Jahren so“, bereitet die Entwicklung dem Pressesprecher Markus Erlwein Kopfzerbrechen. Das gelte zum Beispiel bei Schwalben und Mauerseglern. Letztere sind laut Reimut Kayser Stadtvögel, die auf Spalten und Löcher im Mauerwerk angewiesen seien: „Diese verschwinden bei der Hausrenovierung oder wenn der Bau gleich ganz abgerissen wird“, erklärt der erfahrene Naturschützer, der in dieser Woche mehrere prächtige Exemplare des Rotmilans unter verschärfte Beobachtung genommen hatte. Dazu kommt auch der Rückgang bei der wichtigsten Nahrungsgrundlage, den Insekten. Zu seinen „Sorgenkindern“zählt Kayser die Schwalben, die zum Nestbau lehmige Erde benötigten. „Dem steht die zunehmende Versiegelung der Flächen im Weg.“Und: „Gewisse Saubermänner schlagen in ihrem Reinheitswahn die kotgefärbten Kleinbehausungen unter der Dachrinne ab, ob- wohl das verboten ist.“Erlaubt wäre dem Mann der Natur zufolge eine positive Entwicklung bei solch „Exoten“wie Großer Brachvogel oder Rebhuhn, die es allerdings kaum geben wird. „Da sieht es aber ganz schlecht aus, beide verschwinden mehr und mehr.“Kaum mehr zu sehen sei mittlerweile der Gartenrotschwanz. Das treffe leider auch für den Sperlingsvogel Lerche zu, dem die intensive landwirtschaftliche Nutzung der Region zu schaffen mache. Neben den Bauern nimmt der LVB-Kreischef auch die Hobbygärtner in die Pflicht, die für „viel zu sterile Gärten“verantwortlich seien. Während sein Gartenreich etwa mit zahlreichen vogelfreundlichen Büschen und Bäumen dastehe, werde anderswo kräftig „abgehobelt und weggefegt, was das Zeug hält.“Dabei seien Laubpflanzen und Beeren tragende Sträucher doch für die heimische Vogelwelt so wichtig. „Man sollte doch wenigstens das letzte Gänseblümchen existieren lassen.“Aufräumen ist für Kayser dagegen angesagt beim „Märchen“von den „Kleinvogel fressenden“Elstern: „Sie gehören zu den Singvögeln, auch wenn es nicht danach klingt, und außerdem haben sie noch nie den Bestand gefährdet.“Eine Lanze für alle Rabenvögel brechen will auch der LVB, der kein Verständnis für das schlechte Image dieser Tiere aufbringen möchte.
Als „Sympathieträger“beim Bürger gelten nach Einschätzung von Kayser Uhu, Wanderfalke und Storch, deren Situation er als gut einstuft. Positives kann der Naturfachmann auch solchen Aktivitäten wie der „Stunde der Gartenvögel“abgewinnen, bei der eine dreiviertel Million der Piepmätze registriert wurden. Die Beobachter hatten sich in fast 20 000 Gärten und Parks auf die Lauer gelegt, im Landkreis knapp vier Dutzend.
Auch wenn die Initiatoren der Zählung nicht den Anspruch einer wissenschaftlich exakten Erfassung des realen Bestands erheben: Auf einer interaktiven Karte der Region, auf der Spatz, Star, Amsel und Blaumeise das Feld anführen, weisen die meisten Pfeile nach unten und sind rot. Dieser Farbton steht für Gefahr.
„Man sollte doch wenigstens das letzte Gänseblümchen existieren lassen.“
Reimut Kayser