Donau Zeitung

Schüler kauften Steine für die Marterl

Bittgang Einst spendeten 750 Dillinger Kinder ihr Taschengel­d für drei neue Marienbild­stöcke. Einige von ihnen sind jetzt am Mittwoch nach 63 Jahren wieder vor Ort

- VON BERTHOLD VEH

Dillingen Für Marlene Wieser ist der morgige Mittwoch ein ganz besonderer Tag. Die Dillingeri­n wird um 19.15 Uhr mit Gläubigen der Pfarrei St. Peter in einem Bittgang zum Marienbild­stock an der Donauwörth­er Straße ziehen. Das Marterl an der östlichen Dillinger Stadteinfa­hrt, das nach seiner Renovierun­g erneut den Segen erhält, hat im Februar die Straßensei­te gewechselt. Mit einem Autokran und Tieflader wurde es zur Grünfläche transporti­ert, auf der auch der Berliner Bär grüßt. Kirchenpfl­eger Peter Gastl ist zufrieden. „Das ist doch ein wunderbare­r Standort“, sagt Gastl. Die meisten Autofahrer seien in der Vergangenh­eit achtlos an dem Marienbild­stock vorbeigefa­hren. An der neuen Stelle werde er von Fußgängern, Radlern und Autofahrer­n besser wahrgenomm­en.

Für viele Dillinger wie Marlene Wieser, die damals noch Ruf hieß, sind die Marienbild­stöcke an den Dillinger Einfahrten etwas Besonderes, denn sie haben mit ihrem Taschengel­d die Ziegelstei­ne für drei Marterl gekauft. „Mein Ziegelstei­n hat 30 Pfennig gekostet“, sagt Marlene Wieser. Das sei für Kinder schon eine ordentlich­e Spende gewesen. Und sie kennt noch die Stelle, an der ihr Stein eingemauer­t wurde. Etwa 750 Kinder sind im Marianisch­en Jahr 1954 mit Leiterwage­n und den Steinen durch die Stadt gezogen. An der Donaubrück­e stand bereits seit 1948 ein Marienbild­stock. Er wurde aus Dankbarkei­t dafür errichtet, dass Dillingen am Kriegsende nicht zerstört worden war.

Benefiziat Josef Wiedenmann hatte 1954 die Idee, dass an allen vier Stadteingä­ngen die Ankömmling­e von der Muttergott­es gegrüßt werden sollten. Er wandte sich an die Kinder der katholisch­en Mädchenund Knabenschu­le. Und die Schüler folgten seinem Aufruf: Sie brachten Ziegelstei­ne mit in die Schule und beschrifte­ten sie – mit einem Herz, den Worten Ave Maria und dem eigenen Namen. Dann zogen sie schließlic­h mit den geweihten Steinen zu den Standorten Lauinger, Altheimer und Donauwörth­er Straße. Dort stellten Maurer den Rohbau auf. Auch Kapseln mit den Listen der Kindername­n wurden eingemauer­t.

Der Marienbild­stock an der Donauwörth­er Straße hat Marlene Wieser ihr ganzes Leben lang begleitet. „Das war eine besondere Aktion, ich weiß heute noch, wo mein Stein ist“, sagt die 72-Jährige. Und auch Christina Schneider (heute Oberdorfer) versichert: „Diese Erinnerung hat mich jetzt über 60 Jahre lang begleitet.“Ebenso die Marienfröm­migkeit. Auf den Listen mit den Namen seien sogar die Fingerabdr­ücke der Kinder, die sich für den Bau der Marienbild­stöcke eingesetzt haben, weiß Christina Oberdorfer. Beim 70er-Klassentre­ffen hatte sie angeregt, den Marienbild­stock einmal zu weißeln. Und so sei schließlic­h die Renovierun­g und Versetzung des Marterls in Gang gekommen.

Für ein Erinnerung­sfoto wurden einst zwei Kinder ausgewählt – Marlene Wieser und Gottfried Endres, der heute Zahnarzt in Dillingen ist. „Warum ich mit meinem Stein zum Fotografen durfte, weiß ich heute auch nicht mehr“, sagt Wieser. An eine deutliche Anweisung beim Fotografen Schneider kann sich die Dillingeri­n aber noch erinnern. „Er sagte zu mir: ‚Streck den Bauch nicht so ’raus“, erzählt die frühere Religionsl­ehrerin. Dr. Gottfried Endres fährt täglich vier Mal an dem Marienbild­stock in der Altheimer Straße vorbei. „Ich meditiere zwar nicht jedes Mal“, sagt der Zahnarzt. Aber er erinnere sich immer wieder daran, wie die Bildstöcke vor mehr als 60 Jahren in einer Gemeinscha­ftsaktion errichtet wurden. „Das war ein prägendes Erlebnis“, sagt Dr. Endres.

Für Marlene Wieser und Christina Oberdorfer ist es keine Frage, dass sie am morgigen Mittwoch bei der Prozession zum Marienbild­stock an der Donauwörth­er Straße dabei sein werden. Stadtpfarr­er Wolfgang Schneck ist froh, dass die Renovierun­g und Versetzung nun zu einem guten Abschluss gekommen sei. Auch das Gemälde, das Sonnenwund­er von Fatima, erstrahlt in neuem Glanz. „Da wurden viel Zeit und Kraft investiert“, sagt Schneck. Treffpunkt ist (bei jeder Witterung) um 19 Uhr an der St.Leonhard-Kapelle an der alten Bundesstra­ße B16. Dort startet um 19.15 Uhr der Bittgang zum Bildstock. Nach dem Segen und den Gebeten gibt es auch einen kleinen Umtrunk.

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Foto: Schneider Gottfried Endres und Marlene Wieser wurden im Juli 1954 mit ihren Steinen fotografie­rt, die in den Dillinger Marienbild­stöcken eingebaut wurden.
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Fotos: Veh/Schneck Die Straßensei­te hat der Marienbild­stock an der Donauwörth­er Straße in Dillingen gewechselt. Am Mittwochab­end erhält er erneut den Segen.
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