Windräder bei Amerdingen?
Erneuerbare Energie In der Kesseltal-Gemeinde wird derzeit über eine sogenannte Vorbehaltsfläche debattiert. Bei einer Informationsveranstaltung prallten nun die Meinungen aufeinander
Amerdingen Japan ist weit weg vom Ries. Und doch liegt der Ursprung der Debatte, die derzeit in Amerdingen geführt wird, auch im mehr als 9000 Kilometer entfernten Fukushima. Dort gab es im März 2011 nach einem Erdbeben und einem Tsunami mehrere Explosionen im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi. In drei Reaktoren kam es zur Kernschmelze, radioaktive Stoffe wurden in großen Mengen freigesetzt. In Deutschland reagierte nach kurzer Zeit die Bundesregierung: Der Atomausstieg sollte schnell vorangehen. Die Menschen machten sich Gedanken über Alternativen zur Stromerzeugung, auch in der Region wurde teils fast schon fieberhaft nach Standorten für die Windkraft gesucht. Doch es regte sich Widerstand, viele fürchteten Nachteile durch die Windräder. Und schließlich kam in Bayern im November 2014 die sogenannte 10-H-Regel: Windräder müssen demnach zehnmal so weit von der Wohnbebauung weg sein, wie sie hoch sind. Da das Ries und Gebiete des Riesrandes zudem Ausschlussfläche sind, bedeutet das für die Region: Es gibt nur noch wenige Flecken, an denen theoretisch ein Windrad gebaut werden kann. Einer davon ist am Rand der Gemarkung von Amerdingen, unweit des Wildparks Duttenstein.
Der Regionale Planungsverband Augsburg hat nun vorgeschlagen, genau an dieser Stelle ein elf Hektar großes Vorbehaltsgebiet auszuweisen. Das bedeutet: Dem Bau von Windkraftanlagen würde an dieser Stelle unter Abwägung mit konkurrierenden Nutzungen besonderes Gewicht beigemessen. Der Amer- dinger Gemeinderat soll nun eine Stellungnahme zu diesem Vorschlag abgeben – und wie die ausfallen soll, darüber wird in der Gemeinde kontrovers diskutiert.
Um das Stimmungsbild der Bürger einzufangen und sie zu informieren, bot Bürgermeister Hermann Schmidt am Dienstagabend eine Informationsveranstaltung in der Mehrzweckhalle an. Der Besuch war eher mäßig. Zunächst referierte Herbert Schmidt, geschäftsleitender Beamter der VG Ries, über die Sachlage. Reimut Kayser, Vorsitzender des Landesverbands für Vogelschutz, Kreisverband Dillingen, folgte. Zwar betonte Kayser, dass er nicht generell gegen Windräder sei – doch zum Standort Amerdingen sagte er: „Hier kann man unmöglich eine Anlage bauen.“In unmittelbarer Nähe grenze ein Vogelschutzgebiet an. Besonders der Rotmilan liegt Kayser am Herzen, der sei nach dem Seeadler das „größte Totschlagopfer“von Windkraftanlagen. Gerade die erfahrenen Tiere treffe es. Kayser rechnete vor, dass ein großes Windrad mit seinen Rotorblättern rund 1,5 Hektar überstreiche, sodass die Vögel kaum Zeit zum Durchfliegen hätten. Er sprach von einer „ökologischen Falle“, die bis zu 230 Meter hoch sei. Die Amerdinger sollten zudem diesen Natur- und Erholungsraum schützen.
Die Fläche, um die es geht, gehört Camilla Prinzessin zu SaynWittgenstein-Berleburg, die auch in die Mehrzweckhalle gekommen war. Ihr Mann hatte sich bereits in die Debatte eingebracht, er hatte den Gemeinderat in nicht-öffentlicher Sitzung über Windkraft informiert. Carl-Albrecht Prinz zu SaynWittgenstein-Berleburg habe auf seinem Grund in Nordrhein-Westfalen bereits acht Windkraftanlagen gebaut, berichtet seine Frau. Sie begrüßte gegenüber unserer Zeitung zwar den Informationsabend, übte aber auch Kritik, dass der Standort nicht generell betrachtet wurde: „Wir, die Amerdinger Bürger, sollten umfänglich und objektiv informiert werden.“Und sie positionierte sich klar: „Es geht bei der erneuerbaren Energie darum, wie wir es schaffen, die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten, sodass der Meeresspiegel nicht weiter steigt.“Zwei bis drei Windkraftanlagen bei Amerdingen seien da ein kleiner Preis – zumal sie drei Kilometer vom Ort entfernt wären.
Harald Wiedenmann meinte am Dienstagabend, es müsse doch im Windpark in Zöschingen auffallen, wenn die von Kayser errechnete Zahl von Rotmilanen von den Windkraftanlagen getötet werde. Kayser entgegnete, dass die verendeten Tiere gefressen werden und man den Boden um die Anlagen nicht gezielt nach toten Vögeln absuche.
Georg Honold, der den Zöschinger Windpark betreibt, griff Kayser frontal an – der sei ein Windkraftgegner. Man müsse auch die andere Seite hören, forderte er. Engelhardt Wiedemann dagegen berichtete, die Investoren in Zöschingen seien unzufrieden, nur der Erbauer – also Honold – verdiene daran. Kayser hatte zuvor gesagt, dass die erwarteten Durchschnitts-Windgeschwindigkeiten in Amerdingen geringer seien als in Zöschingen. Heinz Amolsch forderte den Gemeinderat auf, nicht den regionalen Aspekt zu sehen, sondern die Aufgabe, aus einer fossilen in eine regenerative Welt zu gehen.
Bürgermeister Hermann Schmidt betonte, es sei die Aufgabe des Gemeinderates, abzuwägen. Die Untere Naturschutzbehörde habe eine Stellungnahme abgegeben, Gutachter Kayser habe zu dieser beigetragen. Schmidt kündigte an, noch die Meinung der Nachbarn aus Dischingen einzuholen. Die Entscheidung fällt in der Gemeinderatssitzung am Donnerstag, 1. Juni. Beginn im Sitzungssaal des Rathauses ist um 20 Uhr.