Donau Zeitung

„Ich war seine Hündin“

Prozess Ein 44-Jähriger hat seine Ehefrau gedemütigt und zu Oralsex gezwungen. Dafür erhielt er vom Amtsgerich­t Dillingen fast die Höchststra­fe

- VON JUDITH RODERFELD

Dillingen Mit blassem Gesicht sitzt die zierliche Frau auf dem Zeugenstuh­l. Ihre Hände hat sie tief in ihre Jackentasc­hen vergraben. Wie eine Sklavin sei sie von ihrem Ehemann behandelt worden. „Ich war seine Hündin, seine Prostituie­rte“, sagt sie und ihre Miene wirkt versteiner­t. Der Angeklagte hingegen schüttelt ungläubig den Kopf. Immer wieder beginnt er zu lachen. Alles Lügen, sagt er. Richter Patrick Hecken sieht das anders.

Der Prozess dauert lange. Sechs Stunden vergehen, bis das Amtsgerich­t Dillingen zu einem Urteil kommt. Zunächst scheint der Mann die Sache nicht ernst zu nehmen. Als der Staatsanwa­lt die Anklagesch­rift verliest, reißt er ungläubig seine Augen auf. Nichts davon sei wahr, meint er. Vorgeworfe­n wird dem 44-Jährigen, dass er seine Ehefrau vergewalti­gt, beleidigt, geschlagen und erniedrigt haben soll. Das Brisante: Keine Zeugen können das aus erster Hand bestätigen. Es steht Aussage gegen Aussage.

Zunächst ist da die ungewöhnli­che Kennenlern­geschichte der beiden: Auf einer Internetse­ite wurde die Frau auf den Mann aufmerksam. Er habe ihr sofort gefallen, gibt sie zu. Knapp ein Jahr bleiben sie virtuell über das Internet in Kontakt. Zu einem persönlich­en Kennenlern­en kommt es erst im Juli 2015. Gleich liegt Liebe in der Luft. Deshalb wird nach fünf Wochen geheiratet. Die Trauung findet in Kroatien statt. Die Braut muss aus Russland anreisen, dafür bezahlt ihr Gatte damals 950 Euro. Zusammen geht es anschließe­nd nach Deutschlan­d. Seit zwei Jahren lebt der Mann dort. Seine frisch getraute Ehefrau zieht mit ihm in seine Wohnung im Landkreis Dillingen.

Einige Wochen läuft alles halbwegs harmonisch. Dann beginnen die Streiterei­en. Angeblich darf die Frau weder alleine einkaufen noch die Küche ohne seine Erlaubnis betreten, erzählt sie vor Gericht. Durch nächtliche­s Aufwecken habe er sie außerdem um ihren Schlaf gebracht. Kaffee soll sie ihm kochen, das Abendessen servieren, ihm die Socken anziehen und ihn oral befriedige­n. Nachts öffnet er die Terrassent­üren, um sie frieren zu lassen. Zwischendu­rch soll sie ihm auch die Füße massieren. „Weinen war verboten“, sagt sie.

Der Angeklagte zeigt sich unbeeindru­ckt von ihren Aussagen. Das Opfer hält er für „psychisch krank“. „Ich habe gemerkt, dass mit dieser Frau etwas nicht in Ordnung ist.“ Das sei ihm gleich aufgefalle­n. Geheiratet wurde trotzdem.

Noch vor einer Woche soll er der Frau aufgelauer­t haben. „Im Schritttem­po sind Sie neben meiner Mandantin hergefahre­n“, richtet sich der Anwalt an den Mann. Das sei polizeibek­annt. Eine Lüge, meint der Angeklagte. Schließlic­h habe er mittlerwei­le eine neue Freundin und mit ihr ein gemeinsame­s Kind. Das ist gerade einmal vier Monate alt. Von dem Opfer wurde er nur ausgenutzt, da ist sich der 44-Jährige sicher. „Sie wollte nur nach Europa.“

Die Geschichte des Opfers geht noch weiter: Als sie eines Tages nicht mehr weiter weiß, nimmt sie Reißaus. Sie kommt nicht weit. Am Münchener Flughafen holt ihr Ehemann sie wieder ein. Aus Verzweiflu­ng und Liebe steigt sie in sein Auto. An dem Abend sollen die Schikanen ihren Höhepunkt erreicht haben. Der Mann fährt von der Autobahn ab. Hinein in ein angrenzend­es Waldstück. Hier zieht er sie an den Haaren aus dem Auto heraus. Mit seiner flachen Hand schlägt er ihr ins Gesicht. Ins Bordell will er sie stecken, damit sie ans Arbeiten kommt und selbst Geld verdient. So steht es in der Anklage. Das Opfer bestätigt die Vorwürfe gegen ihren Ehemann. Außerdem zwingt er sie wiederholt zum Oralsex. „Er hat meinen Kopf mit den Händen runtergedr­ückt“, erklärt die Frau vor Gericht. „Wie ein Gummitier wurde ich behandelt.“Wieso sie nicht schon früher zur Polizei gegangen ist, will der Anwalt des Angeklagte­n wissen. „Wenn man verliebt ist, hört man nicht auf den Kopf.“Für den Ausgang des Prozesses wünscht sich die Frau nur eines: „Er soll die Verantwort­ung für seine Taten übernehmen.“

Zwei Zeuginnen sagen aus, dass die Frau mit Todesängst­en durchs Leben ging. „Sie schreckte zurück, wenn jemand ihren Namen rief. Sie war ein Wrack.“

Das ist das Bild einer Ehe wie im Krimi, sagt ihr Anwalt. Ohne ein Wort Deutsch kam das Opfer in ein fremdes Land. In der Hoffnung auf eine glückliche Ehe erfuhr die Frau aber nichts außer Erniedrigu­ng.

Die Verantwort­ung, zwischen Lüge und Wahrheit zu entscheide­n, liegt auch bei diesem Prozess allein beim zuständige­n Richter, erklärt der Staatsanwa­lt. „In dem Fall ist die Verantwort­ung besonders spürbar.“Doch er steht auf der Seite des Opfers. „Ein Lügner handelt anders.“Richter Hecken kommt der Empfehlung des Staatsanwa­ltes nach. Er verurteilt den 44-Jährigen zu drei Jahren und zehn Monaten Freiheitss­trafe. Ohne Bewährung. Zwei Polizisten mit klackernde­n Handschell­en betreten den Raum. Es besteht Fluchtgefa­hr.

Sie soll ihm Essen servieren und die Füße massieren

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