Donau Zeitung

Söders Donnerwett­er in Wertingen

Politische­r Abend Der Heimat- und Finanzmini­ster hielt bei heftigem Regen eine mitreißend­e Rede. Wer seinen Spott abbekam und was das mit Bert Brecht zu tun hat

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen War der Einmarsch des Heimat- und Finanzmini­sters Dr. Markus Söder nun standesgem­äß? Eine Frage, die kurz vor Beginn seiner Rede an den Biertische­n eifrig diskutiert wurde. Denn Söders Gang durch das Festzelt des Wertinger Volksfeste­s wurde neben dem Wummern des Starkregen­s auch vom Bayerische­n Defilierma­rsch begleitet. Und darauf kam Söder gleich in den ersten Minuten seiner Rede zu sprechen. Es handele sich da um einen „Formfehler“, denn der Defilierma­rsch sei bei Veranstalt­ungen ja dem Ministerpr­äsidenten vorbehalte­n. Eifriges Murmeln, Kunstpause. „Ich glaube aber, ich kann das emotional verkraften“, schob Söder grinsend nach und erntete lauten Beifall.

Der Hochkaräte­r der CSU sprach vor vollem Haus, aber überbelegt war das Festzelt auch nicht. Von der ersten Sekunde an zog Söder die Menge in seinem Bann. Der Franke sprach rund 50 Minuten kraftvoll, mitreißend und unterhalts­am, ohne sich nur ein einziges Mal zu verhaspeln oder ins Stocken zu geraten. So austauschb­ar der Ort schien, an dem er sprach – von ein paar Anekdoten über den heimischen Landtagsab­geordneten Georg Winter abgesehen, ging er auf den Landkreis selbst nie konkret ein – so unterhalts­am war seine Rede.

Vorbereite­t worden war der Auftritt von einem doppeldeut­igen Eingangssa­tz des einzigen Nicht-CSUlers des Abends, Bürgermeis­ter Willy Lehmeier (Freie Wähler): „Wenn ich schon einmal die Gelegenhei­t habe, vor so einem Publi- kum zu sprechen, werde ich es natürlich bei einem Grußwort belassen.“

Söder schien es recht zu sein, als er die Bühne betrat. Nach ein paar anfänglich­en Witzen folgten viele lobende Worte über Bayern und den Fleiß des Mittelstan­des – speziell im ländlichen Raum. Deutschlan­d sei stark, weil es Leistungsk­erne gebe. „Europa ist stabil, weil Deutschlan­d stark ist. Und Deutschlan­d ist stark, weil es Bayern gibt“– dafür gab es kräftigen Applaus.

Da das CSU-geführte Bayern wunderbar dasteht, sparte Söder nicht mit Seitenhieb­en auf alles, was sich politisch links der CSU bewegt. Speziell auf die Bundeshaup­tstadt schoss er sich ein. „Eigentlich müssten die in Berlin einen mit Dankesgest­en empfangen, wenn man ankommt. Aber die halten stets die Hand auf und fordern mehr“, sagte Söder. Das andauernde Debakel des Hauptstadt­flughafens BER führte er als Zeugnis des politische­n Versa- gens ebenso an wie die neuen Enthüllung­en um die möglichen Vertuschun­gen im Fall des Terroriste­n Anis Amri. Alles, was politisch links stehe, setze sich zudem gerade für Steuererhö­hungen ein. Dabei sei es sein Anliegen, dass alle, die fleißig und ehrlich arbeiteten, endlich mehr im Geldbeutel haben sollen.

Der Finanzmini­ster vereinnahm­te dann noch ein Zitat des berühmten Augsburger Lyrikers (und Kommuniste­n) Bertolt Brecht und wandelte es leicht ab in: „Das Schönste an Berlin ist die Rückfahrt nach Bayern.“Brecht sagte einst über seine Geburtssta­dt Augsburg, dass das Schönste an ihr der Zug nach München sei. Söders Liebe zur Landeshaup­tstadt hält sich dagegen scheinbar in Grenzen, denn da habe man ja mittlerwei­le Glück, wenn man auf der Straße noch einen Bayer treffe. Deshalb: „Etwas weniger für München, etwas mehr für den ländlichen Raum.“

So polternd und zielgerich­tet blau-weiß-bayerisch der Großteil seiner Rede ausfiel, so ging Söders Blick auch über den Tellerrand hinaus. Für die Niederland­e, die aufgrund eines Auftrittsv­erbots für türkische Politiker ebenfalls ins Visier von Präsident Erdogan geriet, der es ebenso wie Deutschlan­d mit wirren Nazi-Anschuldig­ungen belegte, gab es Schützenhi­lfe. „Da muss man sich schon fragen, ob der Mann ein emotionale­s Problem hat“, rief Söder. „Gerade Holland, das Opfer des Nationalso­zialismus geworden ist, in diese Ecke zu drängen, ist völlig absurd.“Die Gespräche mit Erdogan über einen EU-Beitritt will er abbrechen.

Härte forderte er außerdem bei der Integratio­n, die doppelte Staatsbürg­erschaft will Söder abgeschaff­t sehen – er könne sich nicht vorstellen, dass man sich zwei Ländern gleich verbunden fühlt. Und bei der Diskussion über die Werte, die es zu vermitteln gelte, sieht er eine falsch verstanden­e Toleranz in Teilen der Gesellscha­ft – vor allem den Grünen und Linksliber­alen. „Wer hierbleibe­n will, muss unsere Sitten und Gebräuche lernen und nicht umgekehrt“, so Söder, wofür er von den Gästen bejubelt wurde.

Wenn die Stimmungsl­age zu sehr ins Ernste abzudrifte­n drohte, schaffte es Söder stets, mit Witz abzufedern. Dabei kokettiert­e er nicht nur mit einer möglichen Nachfolge Seehofers als Ministerpr­äsidenten. Auch bei der eigenen Biografie wusste Söder zu unterhalte­n. „Ich habe es geschafft, Abitur zu machen, zu studieren, einen Doktor zu machen. Und ich habe es auch geschafft, diesen Titel zu behalten.“

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Fotos: Benjamin Reif Wird er nun Bayerns Ministerpr­äsident oder nicht? Markus Söder (2. von rechts) kokettiert­e im Lauf des Abends öfter mit dieser Möglichkei­t. Unterstütz­ung bekam er von den regionalen Vertretern der CSU Hans Moraw (links), und Alfred Schneid (2. von...
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Bevor er mit dem Defilierma­rsch empfangen wurde, musste Markus Söder erst ein mal unter dem Vordach warten – es schüttete wie aus Kübeln.

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