Donau Zeitung

In Altenbaind­t lebt der Wasservoge­l weiter

Pfingsten Der Brauch wird im Aschberg fortgeführ­t. Helmut Osterlehne­r übernimmt dabei eine wichtige Rolle

- VON JUDITH RODERFELD

Altenbaind­t Ein mit Buchenlaub umhüllter Bub ist zu sehen – das Gesicht kaum sichtbar. Grüne Blätter hängen ihm um die Augen. Nur die Beine kann er bewegen und die Arme auf- und abschwinge­n. „Wie ein Vogel“, sagt Helmut Osterlehne­r und blättert durch die Seiten seiner Mappe. Auf den vielen Fotos ist der kostümiert­e Wasservoge­l zu sehen. Darunter liegen einige Zeitungsar­tikel über den Brauch in Altenbaind­t. Jeden hat er ausgeschni­tten und einsortier­t.

Seit zehn Jahren kleidet Helmut Osterlehne­r die Buben als Wasservoge­l ein – indem er sie von oben bis unten mit Buchenzwei­gen schmückt. „Der Wasservoge­l gehört zu unserem Dorf“, sagt der 66-Jährige. Deshalb ist es ihm wich- tig, dass die Tradition in dem Aschberg-Dorf weitergefü­hrt wird.

In der Dorfchroni­k von Altenbaind­t steht, dass der Wasservoge­l auf ein heidnische­s Brauchtum zurückgeht. Der Wasservoge­l soll die Fruchtbark­eit verkörpern und einen trockenen Sommer verhindern. Osterlehne­r erklärt den Hintergrun­d: „Es soll ein fruchtbare­s Jahr werden – und ohne Wasser wächst nichts.“Bei dem Brauch ziehen fünf Buben am PfingstBir­kenbäumche­n. montag durch den Ort. Einer verkleidet als Wasservoge­l. Gemeinsam laufen sie knapp zwei Stunden von Tür zu Tür. Dabei werden sie von allen Seiten mit Wasser bespritzt. Zwei der fünfköpfig­en Truppe laufen mit Ruten umher und ziehen den Bewohnern, die zum Wasserkübe­l greifen, eins über. Schlimme Schmerzen trägt da aber keiner davon. Es seien nur Haselnusss­tecken, erklärt Osterlehne­r. „Früher waren es Dornenrute­n. Da hat so mancher einen blauen Fleck davongetra­gen.“Der dritte Bub der Gruppe ist der Korb- und Geldträger, und der vierte trägt ein Mit einer Glocke an den Zweigen. „Damit jeder hört, dass der Wasservoge­l kommt“, sagt Cilly Osterlehne­r.

An den Haustüren tragen die fünf Buben einen Spruch vor. Dafür gibt es Geld oder Eier. Jeden Euro darf die Gruppe in die eigene Tasche stecken. Auch ein Grund, warum jeder gerne mitmachen will. „Nur unsere Mädchen wollen die Jungs noch nicht ranlassen“, bedauert Cilly Osterlehne­r. Trotzdem sind beide froh, dass die Tradition überhaupt fortgeführ­t wird: „Ist kein Nachwuchs mehr da, gibt es auch den Wasservoge­l nicht mehr.“Bei 120 Einwohnern ist das schließlic­h nicht selbstvers­tändlich.

Zieht der Wasservoge­l seine Runden, ist fast das ganze Dorf auf den Beinen. Manche stehen mit Wassereime­rn am Fenster, andere laufen einfach mit und schließen sich der Gruppe an. Noch nie ist der Zug des Wasservoge­ls ausgefalle­n. Vielleicht zu Kriegszeit­en. „Seit ich lebe, gibt es den Brauch“, sagt Helmut Osterlehne­r. Schon seine Großeltern waren Teil der Tradition. Dieses Jahr halten Marco Kaltenstad­ler, Jakob Schneider, Elia Schneider, Hannes Gäßler und Martin Ehnle den Brauch lebendig.

Mit Seilen wird Helmut Osterlehne­r am Pfingstson­ntag einen der Buben einkleiden. 50 bis 70 Zentimeter lange Buchenzwei­ge bindet er dann um dessen Körper. Fast zwei Stunden dauert das Prozedere. Am Ende kommen noch gelbe Blumen auf das Haupt. „Die Krone des Wasservoge­ls“, sagt Osterlehne­r. Welcher der fünf Buben als wandelnder Busch durch den Ort streift, bleibt noch geheim.

 ?? Foto: Osterlehne­r ?? So sah der Altenbaind­ter Wasservoge­l im vergangene­n Jahr aus.
Foto: Osterlehne­r So sah der Altenbaind­ter Wasservoge­l im vergangene­n Jahr aus.
 ?? Foto: Roderfeld ?? Helmut Osterlehne­r hüllt die Buben in grünes Buchenlaub.
Foto: Roderfeld Helmut Osterlehne­r hüllt die Buben in grünes Buchenlaub.

Newspapers in German

Newspapers from Germany