In Altenbaindt lebt der Wasservogel weiter
Pfingsten Der Brauch wird im Aschberg fortgeführt. Helmut Osterlehner übernimmt dabei eine wichtige Rolle
Altenbaindt Ein mit Buchenlaub umhüllter Bub ist zu sehen – das Gesicht kaum sichtbar. Grüne Blätter hängen ihm um die Augen. Nur die Beine kann er bewegen und die Arme auf- und abschwingen. „Wie ein Vogel“, sagt Helmut Osterlehner und blättert durch die Seiten seiner Mappe. Auf den vielen Fotos ist der kostümierte Wasservogel zu sehen. Darunter liegen einige Zeitungsartikel über den Brauch in Altenbaindt. Jeden hat er ausgeschnitten und einsortiert.
Seit zehn Jahren kleidet Helmut Osterlehner die Buben als Wasservogel ein – indem er sie von oben bis unten mit Buchenzweigen schmückt. „Der Wasservogel gehört zu unserem Dorf“, sagt der 66-Jährige. Deshalb ist es ihm wich- tig, dass die Tradition in dem Aschberg-Dorf weitergeführt wird.
In der Dorfchronik von Altenbaindt steht, dass der Wasservogel auf ein heidnisches Brauchtum zurückgeht. Der Wasservogel soll die Fruchtbarkeit verkörpern und einen trockenen Sommer verhindern. Osterlehner erklärt den Hintergrund: „Es soll ein fruchtbares Jahr werden – und ohne Wasser wächst nichts.“Bei dem Brauch ziehen fünf Buben am PfingstBirkenbäumchen. montag durch den Ort. Einer verkleidet als Wasservogel. Gemeinsam laufen sie knapp zwei Stunden von Tür zu Tür. Dabei werden sie von allen Seiten mit Wasser bespritzt. Zwei der fünfköpfigen Truppe laufen mit Ruten umher und ziehen den Bewohnern, die zum Wasserkübel greifen, eins über. Schlimme Schmerzen trägt da aber keiner davon. Es seien nur Haselnussstecken, erklärt Osterlehner. „Früher waren es Dornenruten. Da hat so mancher einen blauen Fleck davongetragen.“Der dritte Bub der Gruppe ist der Korb- und Geldträger, und der vierte trägt ein Mit einer Glocke an den Zweigen. „Damit jeder hört, dass der Wasservogel kommt“, sagt Cilly Osterlehner.
An den Haustüren tragen die fünf Buben einen Spruch vor. Dafür gibt es Geld oder Eier. Jeden Euro darf die Gruppe in die eigene Tasche stecken. Auch ein Grund, warum jeder gerne mitmachen will. „Nur unsere Mädchen wollen die Jungs noch nicht ranlassen“, bedauert Cilly Osterlehner. Trotzdem sind beide froh, dass die Tradition überhaupt fortgeführt wird: „Ist kein Nachwuchs mehr da, gibt es auch den Wasservogel nicht mehr.“Bei 120 Einwohnern ist das schließlich nicht selbstverständlich.
Zieht der Wasservogel seine Runden, ist fast das ganze Dorf auf den Beinen. Manche stehen mit Wassereimern am Fenster, andere laufen einfach mit und schließen sich der Gruppe an. Noch nie ist der Zug des Wasservogels ausgefallen. Vielleicht zu Kriegszeiten. „Seit ich lebe, gibt es den Brauch“, sagt Helmut Osterlehner. Schon seine Großeltern waren Teil der Tradition. Dieses Jahr halten Marco Kaltenstadler, Jakob Schneider, Elia Schneider, Hannes Gäßler und Martin Ehnle den Brauch lebendig.
Mit Seilen wird Helmut Osterlehner am Pfingstsonntag einen der Buben einkleiden. 50 bis 70 Zentimeter lange Buchenzweige bindet er dann um dessen Körper. Fast zwei Stunden dauert das Prozedere. Am Ende kommen noch gelbe Blumen auf das Haupt. „Die Krone des Wasservogels“, sagt Osterlehner. Welcher der fünf Buben als wandelnder Busch durch den Ort streift, bleibt noch geheim.