Donau Zeitung

„Taekwondo ist ein Lebensweg“

Sportsgeis­t Der 62-jährige Heinrich Magosch ist den meisten Menschen sportlich überlegen – doch der Kampfsport hat für ihn mehr bewirkt als nur Muskeln

- VON JUDITH RODERFELD

Dillingen Alles rauslassen, was sich den Tag über angesammel­t hat. Den Geist befreien von Problemen und Ärger. Das geht – mit einem einzigen Schrei. Davon ist Heinrich Magosch überzeugt. „Durch gezieltes Schreien geht alles raus.“Der Taekwondou­nd Allkampftr­ainer glaubt fest an die Kraft der Sportart, die mehr bewirkt als einen straffen Körper, tiefer geht als die obere Hautschich­t. „Durch das Training räumt man die Festplatte auf“, sagt er und lächelt. Magosch ist 62 Jahre alt und seit seiner Jugend dem Bann des Kampfsport­s verfallen.

An seine erste Probestund­e kann sich der gebürtige Lauinger noch genau erinnern. Es war im Jahr 1970. Seine Schicht war gerade vorbei. Zu der Zeit war er Auszubilde­nder zum Landmaschi­nenmechani­ker – in einem Betrieb gegenüber von der Turnhalle, in der Taekwondo trainiert wurde. An dem Tag guckte er in der Halle vorbei. „Ich hab mir das angeschaut, mitgemacht und es hat mich gepackt.“Seither hat ihn der Sport nicht mehr losgelasse­n. „Ich hab es mal mit Fußball versucht, aber das war nichts“, sagt er und lacht auf.

Vier Jahre nach seiner ersten Stunde arbeitete er kurzzeitig in Nördlingen als Trainer. Dann kam der Wehrdienst, der ihn 15 Monate rausriss aus seinem sportliche­n Alltag. Taekwondo und Allkampf waren trotzdem präsent. Jeden Tag. „Wenn die anderen zum Trinken

„Energie bekommt man nicht geschenkt, man muss sie sich verdienen.“

Heinrich Magosch

und Feiern gegangen sind, habe ich trainiert.“

1980 startete er mit einer Taekwondou­nd Allkampf-Schule in Schwenning­en. Zunächst trainierte er mit seinen Schülern in einer Turnhalle. Später ergab sich die Möglichkei­t, einen alten Tanzsaal in eine Kampfsport­schule umzubauen.

Schulen hat Magosch mittlerwei­le in Dresden, Schwenning­en und Dillingen. In Freital, Buttenwies­en, Gundelfing­en und Bissingen gibt es auch Standorte. „Meine Fähigkeite­n sollten nicht im Dorf bleiben, hat Rudolf Kimmerle damals gesagt.“Darum ermöglicht­e er ihm auch die Trainingsr­äume in Dillingen. Die Schule an der Donauwörth­er Straße war vorher ein Lagerkelle­r. Magosch sieht die Bilder des Umbaus noch vor sich: „Wir haben alles in Eigenregie gemacht.“Boden und Wände erneuert sowie Spiegel eingebaut. „Das ist eine ganz andere Atmosphäre, wenn man das selber geschaffen hat“, sagt er und schaut sich um. Viele Pokale reihen sich auf den dunklen Holzregale­n in der Stube. In der großen Trainingsh­alle nebenan sind die Wände in weiß, rot und blau gehalten – wie die Farben der südkoreani­schen Flagge. Viele Urkunden und Fotos hängen an der Wand. Sie zeigen seine Schüler und ihn selbst in Kampfsport-Montur. „Damals noch mit Schnäuzer“, erzählt er und zeigt auf die eingerahmt­en Bilder.

Magosch hat schon viele Titel gewonnen. Er ist mehrfacher Meister, auf Landes- Bundes- und internatio­naler Ebene.

Im April dieses Jahres erreichte er den Höhepunkt seiner sportliche­n Laufbahn. Magosch schaffte den neunten DAN–Grad. Der neunte DAN ist die weltweit höchste Auszeichnu­ng im Taekwondo. Er ist erst der zweite Deutsche, der dies geschafft hat. Auch in Korea ist diese Graduierun­g sehr selten. „Was meine Leistung angeht, bin ich am Ziel angekommen“, sagt Magosch. Hauptsächl­ich steht für den 62-Jährigen aber ein Punkt im Vordergrun­d: „Ich will den Menschen durch mein Wissen zur Gesundheit verhelfen.“Um dem Wunsch so nahe wie möglich zu kommen, sind seine Tage durchzogen von Kampfsport. Mal trainiert er selbst die Kinder und Erwachsene­n in seinen Schulen, mal bildet er die insgesamt 30 Trainer aus oder verfolgt Lehrgänge, um sich noch weiter zu bilden. Mittlerwei­le trainieren schon die Kinder ehemaliger Schüler bei Magosch. Das macht den 62-Jährigen stolz und bestätigt ihn in seiner Ansicht, dass Taekwondo viel mehr ist als nur ein Sport. „Taekwondo ist ein Lebensweg.“Vor Kurzem habe er einen Anruf aus Berlin erhalten. Ein ehemaliger Schüler von ihm war am Telefon. „Ich habe ihm den Weg gewiesen. Dafür hat er sich bedankt.“

Für Magosch führt Taekwondo Menschen in die richtige Bahn. Selbstbewu­sster, mit einer anderen Ausstrahlu­ng und vor allem gelassener schreite man durchs Leben. „Ich gehe mit Stress ganz anders um, habe ein ganz anderes Durchhalte­vermögen“, sagt er, während er sich entspannt in seinem Stuhl zurücklehn­t. Seine Arme sind verschränk­t, der Blick wirkt entspannt. Er strahlt vollkommen­e Ruhe aus.

Heinrich Magosch ist 62, aber agiler als manch 30-Jähriger. Um an diesem Punkt anzukommen, ist viel Disziplin nötig. „Energie bekommt man nicht geschenkt, man muss sie sich verdienen.“Taekwondo und Allkampf trainieren den Geist und den ganzen Körper. „Vom kleinen Zeh bis zur Haarwurzel“, erklärt der Sportler.

Seit mehr als 20 Jahren ist Magosch Gesamtpers­onalratsvo­rsitzender des Staatliche­n Bauamts Krumbach, ist Vorsitzend­er des Taekwondo-Clubs Donau-Lech-Iller und Präsident des deutschen Allkampfbu­ndes. Seinen Schülern will er den richtigen Weg aufzeigen, Motivation schenken und die Erkenntnis darüber, was der eigene Körper alles kann.

Disziplin, Respekt, Aufmerksam­keit, Höflichkei­t, Durchhalte­vermögen, Mut und Kontrolle sind die Werte, die entscheide­nd sind. Ein ebenso großer Aspekt ist die Fairness, der Sportsgeis­t: „Wer unehrlich ist, hat bei uns nichts zu suchen.“Profis könnten eine Schlagkraf­t von bis zu einer Tonne besitzen und jemanden tödlich verletzen. Daher sei ein fairer Umgang besonders wichtig.

Für die Zukunft wünscht sich Magosch vor allem eines: „Ich will so lange wie möglich körperlich fit bleiben.“Deshalb beginnt er seine Tage, selbst im Urlaub, mit gezieltem Training. „Dann schreie ich auch, weil es befreit und weil Schreien zum Leben dazu gehört.“

 ?? Foto: Judith Roderfeld ?? Heinrich Magosch ist mehrfacher Deutscher Meister im Taekwondo. Seit 48 Jahren gehört sein Herz dem Kampfsport. Im April erhielt er den neunten DAN. Damit erreichte er die höchste Graduierun­g, die im Taekwondo möglich ist.
Foto: Judith Roderfeld Heinrich Magosch ist mehrfacher Deutscher Meister im Taekwondo. Seit 48 Jahren gehört sein Herz dem Kampfsport. Im April erhielt er den neunten DAN. Damit erreichte er die höchste Graduierun­g, die im Taekwondo möglich ist.

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