Donau Zeitung

Tornados starten bald aus Jordanien

Hintergrun­d Die Bundeswehr verlässt den türkischen Standort Incirlik, den deutsche Abgeordnet­e nicht besuchen dürfen. In einer entscheide­nden Phase des Kampfs gegen den Islamische­n Staat müssen die Soldaten eine Zwangspaus­e einlegen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Mit dem bevorstehe­nden Abzug der deutschen Soldaten vom Luftwaffen­stützpunkt Incirlik erreichen die deutsch-türkischen Beziehunge­n einen neuen Tiefpunkt. Zum Eklat geführt hatte die Weigerung der türkischen Regierung, deutschen Bundestags­abgeordnet­en Besuche bei den im Rahmen der Koalition gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat in Incirlik stationier­ten Truppen zu erlauben. Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) hatte bei einem Besuch in Ankara den Streit nicht beilegen können.

Wie geht es nach der gescheiter­ten Türkei-Reise des Außenminis­ters weiter?

Bereits heute soll das Bundeskabi­nett die Verlegung der Truppen nach Jordanien beschließe­n. Auch die Zustimmung des Bundestags, der ab dem 19. Juni wieder tagt, gilt als sicher. Neben CDU, CSU und SPD sind auch die Grünen und die Linken für einen Abzug. Die Linken allerdings sind gegen die Verlegung nach Jordanien.

Geht eine Truppenver­legung nach Jordanien denn so einfach?

Nein. Neben rund 260 Soldaten, sechs Tornado-Aufklärung­sflugzeuge­n und einem Tankflugze­ug müssen rund 10000 Tonnen Material nach Jordanien transporti­ert werden. Zwar trifft diese Aufgabe die Logistiker der Bundeswehr nicht überrasche­nd, die Verhandlun­gen mit Jordanien laufen bereits seit geraumer Zeit. Doch anders als Incirlik ist der neue Standort Al-Asrak in Jordanien der Bundeswehr nicht vertraut, vieles muss dort erst an Nato-Standards angepasst werden. So werden die Tornados und die zugehörige Technik am Boden erst in etwa drei Monaten wieder voll einsatzfäh­ig sein.

Leidet der Kampf gegen den Islamische­n Staat durch die Truppenver­legung?

Das ist nicht ausgeschlo­ssen. Wenn ein für die gesamte Anti-IS-Koalition wichtiger Truppentei­l seinen Einsatz monatelang unterbrech­en muss, kommt das der Terrormili­z sicher nicht ungelegen. Dem IS, der militärisc­h zuletzt immer stärker in die Defensive geraten war, droht derzeit der Verlust seiner einstigen Hochburgen Mossul und Rakka.

Wie ist die Lage in Jordanien?

Jordanien ist eine konstituti­onelle Monarchie, der Islam Staatsreli­gion. In der weltweiten Demokratie­Rangliste (Stand 2015) liegt Jordanien mit Platz 120 noch deutlich hinter der Türkei (Platz 97). Auch Jordanien wird immer wieder von islamistis­chem Terror erschütter­t. Außenpolit­isch ist Jordanien allerdings seit Jahrzehnte­n am Westen orientiert. Für die USA zählt das Land zu den wichtigste­n Verbündete­n außerhalb der Nato. Mit dem Nachbarn Israel unterzeich­nete Jordanien 1994 einen Friedensve­rtrag. Eine verstärkte Zusammenar­beit könnte den strategisc­h wichtigen und politisch immerhin stabilen Nahost-Staat noch enger an den Westen binden.

Wird die Bundeswehr sich auch vom türkischen Luftwaffen­stützpunkt Konya zurückzieh­en?

Das steht derzeit nicht zur Debatte. Denn in Konya sind die Bundeswehr­soldaten im Rahmen einer Nato-Operation stationier­t – und nicht als Teil der Anti-IS-Koalition wie in Incirlik. Die türkische Regierung will Besuche deutscher Abgeordnet­er in Konya nicht verhindern. Zumal Deutschlan­d die Besuche notfalls auch direkt über die Nato organisier­en könnte.

Droht nun auch der Bruch des Flüchtling­spakts mit der Türkei?

Wohl eher nicht – glaubt zumindest die deutsche Seite. Denn der sechs Milliarden Euro schwere Flüchtling­sdeal mit der EU ist für die Türkei extrem lukrativ. Und würde der türkische Präsident Erdogan diesen kündigen, entgingen der Türkei nicht nur beträchtli­che Einnahmen. Er gäbe auch sein gewichtigs­tes Druckmitte­l aus der Hand und würde jede Wiederannä­herung an Europa auf absehbare Zeit unmöglich machen.

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Foto: Oliver Pieper/Bundeswehr, dpa Da schien noch alles in Ordnung: ein Tornado der Bundeswehr im vergangene­n Jahr auf dem türkischen Luftwaffen­stützpunkt Incirlik, den Bundestags­abgeordnet­e nicht mehr besuchen dürfen.
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