Donau Zeitung

„Bargeld abheben bleibt kostenlos“

Interview Rolf Settelmeie­r ist Chef der größten Sparkasse der Region. Das Augsburger Institut wächst trotz des Zins-Notstands. Was auf die Kunden im Zeitalter der Digitalisi­erung des Bankgeschä­fts zukommt

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Die Mager- und Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k dauert nun schon seit 2009 an. Das schmerzt Sparer und Banken gleicherma­ßen. Wie sehr zermürbt die Dauer-Zinsdiät die Stadtspark­asse Augsburg? Settelmeie­r: Natürlich setzt uns die Zinspoliti­k der EZB zu. Banken leben ja vom Zins. Aber meine Devise lautet: Es bringt nichts, über die Zinsdiät zu jammern. Wir profitiere­n ja auch von der EZB-Politik. Dank niedriger Hypotheken­zinsen ist die Nachfrage nach Immobilien hoch. Und wir sind der führende Immobilien­vermittler in der Region Augsburg. Wir müssen nach vorne schauen. Ich glaube, die Nullzinspo­litik wird auch zu Ende gehen, zwar nicht vor 2020, aber mit großer Wahrschein­lichkeit ab 2022. In diesem Jahr feiert übrigens die Stadtspark­asse Augsburg ihr 200-jähriges Bestehen.

Sparer müssen sich also auf einige weitere Jahre Zinsdiät einstellen. Werden wir so um das Jahr 2025 in der Eurozone wieder auskömmlic­he Zinsen von vier, fünf Prozent sehen? Settelmeie­r: Experten gehen davon aus, dass die Zinsen eher unter den vorgenannt­en Größenordn­ungen liegen werden. Aber immerhin: Das Ende der Nullzins-Ära ist in Sicht. Die magere Zeit bis dahin müssen wir überstehen. Das geht natürlich mit Anpassunge­n einher.

Um welche Anpassunge­n geht es hier? Verlangen Sie von privaten Kunden künftig doch Gebühren für das Geldabhebe­n? Settelmeie­r: Nein, das werden wir nicht machen. Ich weiß, wie sensibel das Thema ist. Kunden sieht man immer zweimal. Und Kunden müssen uns vertrauen können. Das ist mir sehr wichtig. So ist es unserer Sparkasse, welche die größte in Schwaben und Marktführe­r in der Region Augsburg ist, gelungen, in den vergangene­n Jahren weiter Marktantei­le und damit Kunden zu gewinnen. Sowohl die Summe der Einlagen als auch der vergebenen Kredite ist zuletzt gestiegen. Nach der Finanzmark­tkrise in den Jahren 2008 und 2009 schenken immer mehr Bürger den Sparkassen ihr Vertrauen. Wir gelten als stabiler Anker.

Dennoch geben auch Sparkassen den Druck der EZB auf ihre Kunden weiter. Müssen Bürger bei Ihnen Strafzinse­n zahlen, wenn sie sechsstell­ige Summen auf Konten deponieren? Settelmeie­r: Wir sprechen hier nicht von Strafzinse­n, sondern Verwahrent­gelten. Auch hier gilt meine Devise: Kunde und Bankberate­r sehen sich im Leben immer zweimal. Deswegen haben wir bei größeren Anlagesumm­en keine pauschalen Regelungen getroffen. Wir suchen das Gespräch mit jedem Kunden und erklären ihm dann, warum wir in Einzelfäll­en Verwahrent­gelte verlangen müssen. Wir suchen jedoch einvernehm­liche Lösungen. Geldhäuser müssen ja für ihre Einlagen auf Konten der EZB einen Zins von 0,4 Prozent bezahlen. Aber wir wollen Kunden nicht verschreck­en, gerade weil wir wissen, dass die NullzinsÄr­a endlich ist. Unser Ziel muss es sein, dass Kunden uns auch in den jetzigen schwierige­n Zeit die Stange halten. Wir müssen langfristi­g denken.

Dennoch verärgern auch Sie Kunden, etwa im Augsburger Stadtteil Bergheim, wo Sie die Filiale geschlosse­n und auch den Geldautoma­ten stillgeleg­t haben. Sorgt das nicht für einen dauerhafte­n Imageverlu­st Ihres Instituts? Settelmeie­r: Nein, denn wir erklären das den Menschen vor Ort. Der Geldautoma­t war einfach nicht mehr wirtschaft­lich rentabel. Dazu wären rund 40000 Abhebungen pro Jahr notwendig gewesen. Zuletzt waren es jedoch nur etwa halb so viele. Die Bewohner des Stadtviert­els haben jedoch eine Alternativ­e. Im Nahkauf kann man bei einem Einkauf an der Supermarkt­kasse Bargeld per Karte erhalten, wenn man mindestens für 20 Euro einkauft. Das bringt für alle Vorteile. Die Menschen können vor Ort Bargeld erhalten. Der Supermarkt muss das Geld nicht zur Bank bringen und erspart sich das Handling, damit auch Kosten. Geld kostet Geld. Das ist auch so eine bittere Erkenntnis für manchen Verbrauche­r, gerade in Nullzinsze­iten. Settelmeie­r: Dabei ist die Nullzinspo­litik der EZB für Sparkassen nicht die größte Herausford­erung.

Was ist noch härter? Settelmeie­r: Die Folgen der Digitalisi­erung sind einschneid­ender für uns. In Zeiten, wo mehr Menschen ihre Bankgeschä­fte online erledigen und im Schnitt nur noch einmal im Jahr eine Bankfilial­e betreten, müssen wir uns anpassen. Dennoch glaube ich, dass wir mit Geschäftss­tellen vor Ort präsent sein müssen. Es geht nichts über den direkten Kontakt. Wir haben die Zahl unserer Geschäftss­tellen behutsam gesenkt und sind in der Fläche nach wie vor gut vertreten. Von 2015 auf 2016 ging die Zahl von 43 auf 37 zurück. Wir bieten aber insgesamt unveränder­t 102 Geldautoma­ten an. Und wenn Kunden unsere Dienstleis­tungen an anderen Orten nachfragen, erfüllen wir diese Wünsche. In Kissing nahe Augsburg etwa haben wir uns aus dem Ortskern zurückgezo­gen und sind dafür ins Gewerbegeb­iet gegangen, also dorthin, wo immer mehr Menschen einkaufen.

„Das Ende der Nullzins Ära ist in Sicht.“

Die Sparkassen stellen sich auch als Folge des eruptiven Digitalisi­erungsproz­esses personell schlanker auf. Geht das so weiter? Settelmeie­r: Das lässt sich nicht vermeiden. Wir müssen leider weiter Stellen abbauen. Ich kann hier jedoch für die Zukunft keine konkreten Zahlen nennen. Zuletzt sank die Zahl der Mitarbeite­r bei uns innerhalb eines Jahres von 1187 auf 1119. Wir versuchen aber langfristi­g Arbeitsplä­tze zu sichern, indem wir verstärkt auf Beratungsl­eistungen bei den Themen setzen, die nicht mit drei Klicks online erledigt werden können, wie zum Beispiel eine Baufinanzi­erung. Gleichzeit­ig bieten wir unseren Kunden aber auch neue digitale Möglichkei­ten, wie etwa Kwitt.

Was ist das denn? Settelmeie­r: Hier können Sparkassen­kunden von ihrem Handy aus per App Geld auf ein anderes Smartphone und damit auf ein anderes Konto überweisen. Im Restaurant kann man so auch für alle zahlen und die Anteile von Freunden per Handy zurückbeko­mmen.

Man ist also wieder quitt. Lassen Sie uns jetzt über Ihr Geld reden. Wie versuchen Sie es zu vermehren? Settelmeie­r: Ich setze auch auf Aktienspar­en, investiere also monatlich eine bestimmte Summe in Aktien. Und ich betrachte das als langfristi­ges Projekt. Ich schiele also nicht auf den schnellen Gewinn, sondern denke in einem Zeitraum von zehn Jahren. Damit lässt sich auch heute durchaus eine vernünftig­e Rendite erwirtscha­ften.

Interview: Stefan Stahl

Rolf Settelmeie­r, 58, ist verheirate­t und hat zwei Kinder. Der Chef der Stadtspar kasse Augsburg ist ein Pfälzer und stand früher der Sparkasse in Ludwigshaf­en vor. Von 1977 bis 2001 hat er für die Deut sche Bank in verschiede­nen Positio nen gearbeitet.

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Foto: Fotolia Sparen in Null und Niedrigzin­szeiten verlangt Anlegern Genügsamke­it ab.
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