Donau Zeitung

Immer weniger Apotheken auf dem Land

Medizin Wenn es in einer Gemeinde keinen Hausarzt mehr gibt, schließt oft auch die Apotheke. Die Branche steht unter Druck

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Es ist etwas mehr als einen Monat her, da wurde die OdenwaldGe­meinde Hüffenhard­t Schauplatz eines Streits. Es fing damit an, dass 2015 die Apotheke in der 2000-Einwohner-Gemeinde schloss. Wer ein Medikament brauchte, brachte sein Rezept zu einer Sammelstel­le. Die Apotheken aus den Nachbarort­en holten es ab und lieferten die Arznei aus. Dann mischte sich die niederländ­ische Versandapo­theke Doc Morris ein. Sie eröffnete in Hüffenhard­t Deutschlan­ds ersten Medikament­en-Automaten.

Kommt ein Kunde, kann er sich über ein Video-Telefonat von einem Apotheker in den Niederland­en beraten lassen. Dieser gibt dann per Knopfdruck ein Medikament frei, das der Kunde aus dem Automaten entnehmen kann. Schon 48 Stunden, nachdem der Automat in Betrieb gegangen war, stoppte das Regierungs­präsidium den Verkauf von rezeptpfli­chtigen Medikament­en in Hüffenhard­t. Der Automat sei eine Apotheke, allerdings habe er dafür weder eine Genehmigun­g, noch sei ein ausgebilde­ter Apotheker vor Ort, sagten Kritiker. Doc Morris rechtferti­gt sich, der Automat sei keine Apotheke, sondern eine Variante des Versandhan­dels. Am 14. Juni wird ein Gericht entscheide­n, wer recht hat.

Natürlich ist das Beispiel kurios. Aber es steht für ein Problem. Denn ähnlich wie die Zahl der Hausarztpr­axen geht auch die der Apotheken auf dem Land immer weiter zurück. 2009 gab es 3439 Apotheken in Bayern. Vergangene­s Jahr waren es noch 3205. Tendenz fallend.

„4000 Kunden braucht eine Apotheke in etwa, damit sie sich trägt“, sagt Clemens Recker. Er forscht am Institut für Wirtschaft­spolitik in Köln zur Versorgung­ssicherhei­t mit Medikament­en. „Dass immer mehr Apotheken schließen, ist eine wirtschaft­liche Entwicklun­g und hat mit einem Apothekens­terben noch nichts zu tun“, sagt er. Denn im ländlichen Raum schrumpft die Bevölkerun­g – und damit nimmt die Zahl der Kunden ab.

Vor allem Bundesländ­er wie Mecklenbur­g-Vorpommern sind betroffen, aber ein Blick in die Zahlen der Bundesvere­inigung der Deutschen Apothekerv­erbände zeigt: Auch in Schwaben und Oberbayern gibt es zum Teil nur bis zu 23 Apotheken je 100 000 Einwohner. Damit findet sich die Region am unteren Ende der Skala. Eine Erhebung des Thünen-Instituts für Ländliche Räume zeigt, dass die meisten Menschen in der Region etwa vier Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt leben. Ab sechs Kilometern werde die Versorgung­ssicherhei­t kritisch, heißt es in einer Untersuchu­ng von Wirtschaft­swissensch­aftler Recker.

„In Zukunft werden Apotheken nur noch da sein, wo auch Ärzte sind“, glaubt Ulrich Koczian. Er ist Apotheker in Augsburg und Vizepräsid­ent der Bayerische­n Landesapot­hekerkamme­r. „In kleinen Orten ohne Arzt kann man nur schwer eine Apotheke betreiben“, meint er. Dass damit die Versorgung­ssicherhei­t auf dem Land gefährdet wird, hält er für Unsinn. Schließlic­h habe man am Beispiel von Supermärkt­en gesehen, dass sie sich auf Orte konzentrie­ren, zu denen Kunden kommen. „Und es gibt Rezeptsamm­elstellen. Zudem liefern alle Apotheken“, fügt Koczian hinzu.

Doch Apotheker setzt noch etwas anderes unter Druck: der OnlineHand­el mit Medikament­en. In Deutschlan­d kosten rezeptpfli­chtige Medikament­e in allen Apotheken gleich viel. So soll ein Preiswettb­ewerb verhindert werden. Zwar können die Pharmahers­teller unterschie­dlich viel für ihre Arzneimitt­el verlangen, Großhändle­r und Apotheker schlagen allerdings immer den gleichen, festen Satz auf. „Ein Apotheker bekommt immer etwas mehr als acht Euro. Egal, welches Medikament er verkauft“, sagt Koczian. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) urteilte allerdings, dass die Preisbindu­ng ausländisc­hen Anbietern den Zugang zum Markt erschwere und deshalb unzulässig ist. Mit diesem Urteil fürchten Apotheker um ihre Geschäftsg­rundlage. Denn 80 Prozent ihres Umsatzes erwirtscha­ften sie mit rezeptpfli­chtigen Arzneimitt­eln. Auch deshalb kündigte Gesundheit­sminister Hermann Gröhe nach der EuGH-Entscheidu­ng an, den Versandhan­del mit rezeptpfli­chtigen Arzneimitt­eln ganz zu verbieten. Nach Ansicht des Experten Recker könnte das aber schwierig werden.

Die Apotheken in Zahlen

Apothekenz­ahl In ganz Deutsch land gab es vergangene­s Jahr 20 023 Apotheken. Damit kommen im Durchschni­tt auf 100 000 Ein wohner 24,4 Apotheken. Die Zahl sinkt seit dem Jahr 2000 langsam, aber stetig. Das zeigen Zahlen des Deutschen Apothekenv­erbands (DAV).

Beschäftig­te In öffentlich­en Apo theken arbeiten 50 123 Personen.

Umsatz Im Jahr 2016 machten die deutschen Apotheken 48,1 Milliar den Euro Umsatz. Fast 80 Prozent davon mit rezeptpfli­chtigen Arz neimitteln. (hhc)

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Foto: Fotolia Apotheken gehören zu einem Ort einfach dazu. Doch gerade auf dem Land müssen Kunden immer weiter fahren, um Medikament­e zu bekommen.

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