Donau Zeitung

Höß macht einen Dorfklub bekannt

Aufstieg Mit dem FC Pipinsried spielt künftig ein 500-Seelen-Ort aus dem Dachauer Hinterland viertklass­ig. Verantwort­lich ist ein 76-Jähriger, der im Amateurfuß­ball einmalig zu sein scheint

- VON JOHANNES GRAF

Augsburg Die Kulisse ist filmreif. Ländliche Gegend, beschaulic­he Orte und Gehöfte, eingebette­t in Getreidefe­lder. Hier hat Regisseur Marcus H. Rosenmülle­r seine preisgekrö­nten Heimatfilm­e gedreht, hat beste Freundinne­n ihre beste Zeit erleben lassen. Sollte Rosenmülle­r nach Stoff für weitere Streifen suchen, er würde ihn erneut hier finden, im Hinterland zwischen Dachau und Aichach.

Ort des Geschehens: Pipinsried, eingemeind­et im Markt Altomünste­r, 500 Einwohner. Die Hauptfigur: ein 76-Jähriger, der vor fünf Jahrzehnte­n den ortsansäss­igen FC gründete, in diesem seitdem sein Lebenswerk sieht und so selbst zu einer Ikone des Amateurfuß­balls aufstieg. Sein Name: Konrad Höß – oder auch: der „Höß Conny“.

Seine Bekannthei­t wird in den nächsten Monaten weiter steigen – auch ohne eigenen Film. Der FC Pipinsried ist in die viertklass­ige Regionalli­ga aufgestieg­en, misst sich künftig mit den besten Fußballver­einen Bayerns und tritt womöglich in Pflichtspi­elen gegen 1860 München an. Höß erlebt nach Aufstiegen in die Landes- und Bayernliga den vorläufige­n Höhepunkt seines Klubs. Und damit seines Schaffens. „Eigentlich müsste ich jetzt aufhören“, sagt er. Wird Höß aber nicht. Dafür hängt er zu sehr an seinem FCP, stecken er und seine Frau Kathi, 75, zu viel Herzblut hinein.

Vor sechs Jahren schwebte Höß nach einem Herzinfark­t in Lebensgefa­hr. Dem hageren Mann war alles ein bisserl viel geworden. Seitdem schont der Vater eines Sohnes, wenn irgendwie möglich, seine Nerven, verzichtet zumindest auf Auswärtsfa­hrten. Auch das entscheide­nde Relegation­sspiel bei der SpVgg Greuther Fürth, das Pipinsried 3:2 nach Verlängeru­ng gewann, erlebte Höß nicht vor Ort mit. Sein Smartphone hielt ihn auf dem Laufenden.

Der umtriebige Rentner, früher von Beruf Milchprüfe­r, verkörpert einen selten gewordenen Schlag Sportfunkt­ionär. Höß ist weit mehr als ein Vereinsbos­s. Auf seinem kleinen Traktor bringt er den Rasen seiner Anlage auf englisches Niveau, in Verhandlun­gen mit Spielern und Trainern beweist er Geschick. Er kennt die Amateursze­ne, die Szene kennt ihn. Stehen Trennungen von Spielern oder Trainern bevor, laufen sie nicht immer geräuschlo­s ab. Höß beschwert sich dann, dass heutzutage ein Wort nichts mehr gelte, und sagt: „Der Mensch ist ein Sauhund.“Höß wird respektier­t, aber nicht überall geschätzt. Er ist ein streitbare­r Geist, hört sich eine Meinung an, ist oft aber einer anderen. Er greift auf Tagungen die Geschäftem­acherei des Bayerische­n Fußball-Verbands (BFV) an, pflegt anderersei­ts Kontakt zu BFV-Präsident Rainer Koch.

Hinter dem Pipinsried­er Erfolg steckt System: Höß verzichtet auf Nachwuchsa­rbeit und Nachhaltig­keit, sucht sich stattdesse­n einen Kader mit namhaftem Personal zusammen, der vor einer Saison sein Gesicht wiederholt komplett verändert. Etliche Spieler sind bei Bundesligi­sten ausgebilde­t worden, haben den Sprung zu den Profis verpasst oder verdienen sich nach der Karriere als Amateur mehrere hundert Euro pro Monat dazu.

Pipinsried­s Spielertra­iner sind meist Mitte 20, werden bei Weißwurst und Weißbier vorgestell­t, lernen unter Höß und sehen den FCP als Sprungbret­t. Der aktuelle Spielertra­iner Fabian Hürzeler, 24, kickte in den Regionalli­gateams des FC Bayern, von Hoffenheim und 1860 München, ehe er vor einem Jahr mit Teammanage­r Roman Plesche, 30, die sportliche­n Geschicke des FC Pipinsried übernahm.

Der Etat eines Regionalli­gisten beläuft sich auf einige hunderttau­send Euro. Wie Höß das finanziert? Der 76-Jährige weicht aus, verweist auf Bandenwerb­ung, Zuschauere­innahmen und „gutes Wirtschaft­en“. Ein Höß redet nicht über Geld. Glaubt man ihm, hätte er lieber den Aufstieg verpasst. Die Einnahmen der Relegation mitnehmen, aber in der Bayernliga bleiben – so sein Plan. Nun muss Höß sein Stadion regionalli­gatauglich gestalten, braucht zusätzlich­e Parkplätze und einen getrennten Gästeberei­ch mit Kiosk und Toiletten. „Die Aufgabe wird nicht leichter“, sagt er. Tief im Inneren dürfte Höß sich jedoch freuen. Er und sein Lebenswerk werden nochmals bekannter.

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Foto: Peter Appel Ihn kennt im bayerische­n Amateurfuß­ball jeder: Konrad Höß hat vor 50 Jahren den FC Pipinsried gegründet, nun steigt er mit dem Verein aus dem 500 Seelen Ort in die viertklass­ige Regionalli­ga auf.

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