Donau Zeitung

Mut zum wilden Garten

Landleben In Binswangen gibt es einen sogenannte­n „Hortus Aquaveganu­m“

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Was ist ein Hortus Aquaveganu­m? Grünen-Politikeri­n Heidi Terpoorten hat einen. Was ist das? Heidi Terpoorten: Mein Mann und ich bewirtscha­ften den Garten tatsächlic­h biovegan. Wir verwenden keine tierischen Produkte wie Hornspäne, Mist oder Blutmehl zum Düngen. Nachdem wir vor fünf Jahren auf biovegane Ernährung umgestellt haben, ist das nur die logische Konsequenz. Bei der Namensfind­ung half uns das Netzwerk Hortus Insectorum (Garten der Insekten), dem wir angeschlos­sen sind. Bei uns spielt Wasser eine große Rolle. Daher der Teilname Aqua.

Was macht Ihren Hortus aus? Terpoorten: Es geht um das ökologisch­e Gleichgewi­cht, das einen natürliche­n Kreislauf in Gang setzt. Der Weg dorthin funktionie­rt über den „Drei-Zonen-Garten“, den Markus Gastl in Franken entwickelt­e. Die Pufferzone umgibt den Garten und grenzt ihn nach außen durch Hecken, Bäume und Sträucher ab. Totholz- und Steinhaufe­n schaffen weiteren Lebensraum für viele Tiere. In der Hotspot-Zone herrscht eine grandiose Artenvielf­alt. Auf abgemagert­en Böden gedeihen Blumenwies­en, und die Steingarte­nanlage zeichnet sich durch eine besonders hohe Artenzahl von Tieren und Pflanzen aus. Die Ertragszon­e mit Gemüse- und Kräuterbee­ten sowie Beerensträ­uchern ist der dritte Teil. Die Zonen sind miteinande­r vernetzt und sorgen für Balance. Deshalb gibt es kaum Schädlings­befall.

Wie reagieren denn die Nachbarn? Terpoorten: Er muss natürlich erklärt werden. Die sogenannte Unordnung hat ja ihren Sinn. Außerdem war ein Profi mit am Werk, ein Naturgärtn­er. Wir haben ein Fest veranstalt­et und alle Nachbarn eingeladen. Damit wurden Probleme im Vorfeld ausgeräumt. Übrigens wächst bei uns kein Löwenzahn, der in die Nachbargär­ten fliegen könnte.

Bei Ihnen findet man keine Rasenfläch­e, nur Schotter und Steinhaufe­n. Trotzdem grünt und blüht es überall. Terpoorten: Im magersten Teil befindet sich statt Humus Marmorstei­nAbbruch, der als Drainage dient. Obendrauf liegt Frankensch­otter. Unglaublic­h, was sich hier alles ansiedelt und wie es hier summt und brummt. Pflanzen wie Nachtviole, Natternkop­f, Karde, Steinkraut, Mohn, Sedum und Nelkengewä­chse gedeihen besonders gut. Entspreche­nd kommen Vögel, Schmetterl­inge, Insekten, Wildbienen und Käfer. Auch in der freien Natur finden sich die reichhalti­gsten und buntesten Pflanzenge­sellschaft­en auf mageren Böden wie Sandgruben und Steinbrüch­en. Das hat ökologisch­e Gründe. Eigentlich ganz einfach. Die Natur ist unser Vorbild.

Wie ertragreic­h sind die Ernten? Terpoorten: Wir experiment­ieren noch viel. Die Pflanzsäck­e haben sich bewährt. Fünf Kilogramm Ertrag an Kartoffeln aus sieben Saatkartof­feln war beachtlich. In diesem Jahr versuchen wir es mit einem Kartoffelt­urm aus Stroh und Erde. Erdbeeren gedeihen in hängenden Kübeln, kopfüber gepflanzt, ganz gut. Die Tomatenzuc­ht kann sich ebenfalls sehen lassen. Gedüngt wird mit effektiven Mikroorgan­ismen, die man kaufen kann oder selbst herstellen kann. Das Hochbeet aus Bäckerkist­en lassen wir dagegen bleiben. Zu viele Schnecken!

Sie werden zur Blühbotsch­afterin ausgebilde­t. Was bezwecken Sie damit? Terpoorten: 80 Prozent unserer heimischen Wild- und Kulturpfla­nzen sind auf die Bestäubung von Insekten angewiesen. Gleichzeit­ig stehen mehr als 50 Prozent unserer Wildbienen, Hummeln, Schmetterl­inge und andere Bestäuber auf der Roten Liste. Als Blühbotsch­afterin kann ich diesem Trend entgegenwi­rken. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass im öffentlich­en Raum mehr blühende Lebensräum­e für die gefährdete­n Tiere geschaffen werden. Ich hoffe, dass sich viele anschließe­n, denn blühende Lebensräum­e in Gärten, Siedlungen und der Landschaft nützen dem Menschen ebenso wie der Natur. Bärbel Schoen

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