Wo Geister ihr Unwesen treiben
Serie Reiter ohne Kopf, geizige Krämer und verwunschene Nonnen: In den alten Sagen spukt es an allen Ecken und Enden des Landkreises. An diesen Orten packte die Menschen einst das kalte Grausen
Die Weiße Frau von der Kloster statt In einer hellen Mondnacht erwachte ein Obermedlinger Mädchen und glaubte, es sei schon Tag. Es machte sich auf in den Wald, um Gras zu holen. Während der Arbeit hörte es einen lieblichen Gesang. Schnell band es das Gras zu einem Bündel und eilte den Tönen nach gerade auf die Klosterstatt, einen verödeten Platz im Wald, zu. Eine weiß gekleidete Jungfrau schritt über die Stätte und winkte dem Mädchen, das der Erscheinung zaghaft bis in eine düstere Höhle folgte. Dort sah es im Zwielicht einen großen Hund mit einem Schlüssel im Maul, der eine eiserne Truhe bewachte. „Komm morgen mit Vater und Mutter, und ihr werden euer Leben lang glücklich sein“, sagte die Weiße Frau. In der folgenden Nacht kehrte das Mägdlein mit seinem Vater zurück in den Wald. Die weiße Gestalt erzählte beiden, sie sei hierher verbannt, weil sie einst als reiche Schlossherrin zu hartherzig war. Nur ein unschuldiges Mädchen, das dem Hund in der Höhle den Schlüssel entreiße, könne sie erlösen. Doch als das Mädchen in der Höhle die Augen des Untiers aufleuchten sah, nahm es Reißaus. Bis nahe ans Dorf begleitete sie das Schluchzen und Klagen der verwünschten Schlossherrin.
Der Reiter Als 1387 das Lauinger Schloss erbaut wurde, übertrug Herzog Stephan die Aufsicht über den Bau einem Ritter. Der war ungemein habsüchtig und geizig und quälte die Bewohner der Stadt und die Landleute der Umgebung, die beim Schlossherrn Frondienste verrichten mussten. Er bereicherte sich durch Abzüge vom sauer verdienten Lohn der Arbeiter. Das Volk nannte das Schloss den „Fluchenstein“und verwünschte den Ritter samt dem Bau. Auf einem weinseligen Heimritt von der Abtei Echenbrunn stürzte der Ritter vom Pferd und brach sich den Hals. Einige Lauinger erzählten, dass um die Mitternachtsstunden im Schlosshof um das kleine Gärtchen ein gespenstischer Reiter dahinsprengte. Andere wollen ihn gesehen haben, wie er gleich einer Wetterwolke von Lauingen nach Faimingen dahingaloppierte.
Vom Brühlmännle In Dillingen wohnte einst ein geiziger Krämer, der Tag und Nacht darauf sann, wie er seinen Geldkasten noch besser füllen könne. Eines Tages starb der alte Geizhals. Doch seine Schätze ließen ihm keine Ruhe. Kaum hatte man ihn begraben, fing es schon an, in seiner Wohnung umzugehen. Niemand wollte sich mehr dort aufhalten, so furchterregend seufzte und stöhnte es. Als der Spuk nicht aufhörte, befahl ein Jesuit dem Geist aus dem Haus zu weichen und sich einen unbewohnten Platz zu su- chen. Wirklich war dort von dieser Zeit an Ruhe. Dafür hörte man den Geist zur Nachtzeit im nahen „Brühlwäldle“rufen. Oft sollen arglose Wanderer, die den Weg nicht kannten, durch sein Geschrei „Daher, daher“vom Weg abgebracht worden sein. Besonders die Kinder fürchteten das Geschrei, das man bis in die Stadt hören konnte. Deshalb schreckte man die bösen Kinder damals mit der Drohung „Das Brühlmännle kommt.“Die verwunschene Nonne Göggelestal ist der Name einer kleinen Mulde auf halbem Weg zwischen Höchstädt und Steinheim. Manch einer, der dort vorüberging, vernahm in den Mondnächten ein Wehklagen. Wenn er näherkam, erblickte er eine weiß gekleidete Nonne. Sie war an Händen und Füßen gefesselt und wälzte sich jammernd in Richtung Galgenmühle. Zuletzt sah sie vor etwa hundert Jahren ein Bahnarbeiter. Seitdem hat sie niemand mehr bemerkt. Die Wiese der ar men Seelen Dort, wo einst die Höchstädter Molkerei stand und nun der Edeka-Markt beheimatet ist, soll einmal die Kirche der Höchstädter Altstadt mit Friedhof gewesen sein. Obwohl davon keine Spur mehr zu finden ist, hat sich die Volkserzählung folgende Erinnerung bewahrt: Immer, wenn diese Wiese gemäht wurde, weinten die armen Seelen. Das bewirkte, dass es noch am gleichen oder spätestens am nächsten Tag zum Regnen kam.
Der nächtliche Schimmelreiter Die kürzeste Verbindung zwischen Blindheim und Gremheim führte einst über den Nebelsteg. Eines Nachts betraten ein Blindheimer Rechenmacher und sein Sohn nach guten Geschäften bei einem Glas Bier tief in der Nacht den Steg. Da erhob sich plötzlicher heftiger Wind, der zu einem wild tobenden Sturm wurde. Mitten im Sturmbrausen erschien den beiden ein Reiter ohne Kopf, der einen mächtigen Schimmel ritt. Plötzlich schleuderte sie eine unsichtbare Macht zu Boden. Erst als der Reiter über die Wellen der alten Donau gesprengt war, konnten sie wieder aufstehen. Nach der Art der altertümlichen Montur soll es sich bei dem Schimmelreiter um einen ausländischen Offizier handeln, der in der großen Schlacht von 1704 schwer verwundet wurde und fast ausgeblutet vom Steg ins Wasser stürzte. In fremder Erde konnte er keine Ruhe finden.
Vom Schertlin Im 16. Jahrhundert war der Schertlin der Herr von Bissingen und zwang seine Untertanen dazu, den Glauben zu wechseln. Deshalb waren die Bissinger ihm sehr böse. Zur Strafe für seinen Abfall vom alten Glauben soll er seit seinem Ableben als Geist umgehen. Die Leute erzählen sich, er erscheine zu heiligen Zeiten und in stürmischen Nächten im Schloss zu Bissingen. Die Türen werden aufgerissen, der Schertlin fährt mit sechs Rossen durch die Schlossgemächer, kehrt um und verschwindet wieder. Andere Augenzeugen wollen wissen, dass er in den Raunächten in Begleitung von Hunden auf einem mächtigen Schimmel im Hofgarten umherreitet.
Der verwünschte Bauer Vor vielen Jahren hörten einige Leute in Wittislingen in der Nacht ein Poltern und Rollen, als würde ein schwerer Wagen über schlechte Wege fahren. Gleichzeitig war ein lautes Fluchen zu vernehmen. Der Unhold war zu seinen Lebzeiten Bauer gewesen, der mit seinem Knecht oft des Nachts in den Wald gefahren war und Holz gestohlen hatte. Auf dem Heimweg hatte er stets den gleichen Weg durch die Vogtengasse eingeschlagen und an der Egau angehalten, um seine Pferde zu tränken. Diese gleiche Fahrt musste er nach seinem Tod so lange wiederholen, bis ein Papst alle bösen Geister verbannte.
Der Mann ohne Kopf Zu Bachhagel liegt mitten im Dorf ein altes, efeuumranktes Gebäude – das Mauthaus. Einst hatte darin das Hochgericht seinen Sitz und mancher arme Sünder verbrachte dort die letzten Stündlein seines Lebens. Daher auch der Spruch: „Mit dem geht’s Bachhagel zua.“Einmal wurde auch ein Bäuerlein ins Loch gesteckt, der seinen Frondienst nicht leisten wollte. Das büßte er mit dem Tode. Seitdem hört man in Vollmondnächten um Mitternacht aus dem Mauthaus ein Poltern und Schlürfen. Dann öffnet sich die Haustür und ein Mann ohne Kopf tritt hervor. Kurz bevor die Turmuhr die erste Morgenstunde schlägt, wandert der Spuk dann zurück ins efeuumrankte Mauthaus. Die Geschichten sind dem Büchlein „Sagen des Landkreises Dillingen“entnommen. (gau)