Lebenshilfe Mitarbeiter betrog Bewohner um ihr Geld
Prozess Über Jahre hob der 46-Jährige immer wieder Beträge von ihren Konten ab und behielt einen Teil für sich. Das flog nur durch einen Zufall auf. Nun stand er vor Gericht
Landkreis Der große Umzugskarton auf dem Richtertisch quillt vor Aktenordnern beinahe über. Er enthält Kontodaten von mehr als 100 Bewohnern der Lebenshilfe in Dillingen. Monatelang hat die Polizei die Daten ausgewertet. Am Ende stand eine Anklageschrift mit 52 Seiten. Und ein Verfahren gegen einen 46-jährigen ehemaligen Mitarbeiter. Der einstige Wohnbereichsleiter soll über Jahre hinweg Geld von den Konten der Bewohner abgehoben und einen Teil davon für sich behalten haben. Insgesamt 50626 Euro. Großteils hatte er für die Konten eine Vollmacht. In einem Fall fehlte die allerdings. Außerdem wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, auf Kosten der Lebenshilfe für fast 7000 Euro verschiedenste Gegenstände gekauft und dann für sich verwendet zu haben. Insgesamt waren es 78 Dinge – von der Handkreissäge über ein Radio bis zum Kochtopf.
2014 dann flog der 46-Jährige auf. Da erregte eine ungewöhnliche hohe Diensthandyrechnung von 600 Euro das Misstrauen der Geschäftsführung.
Darauf angesprochen, wurde vereinbart, dass der Mann die Rechnung selbst begleicht. Als er das aber nicht tat und sich auch noch zeigte, dass er mit dem Dienstwagen zahlreiche private Fahrten unternommen hatte, entschloss sich die Geschäftsführung, während seines Urlaubs das Büro zu öffnen. „Da haben wir gesehen, dass dort sehr viele Kontoauszüge aufbewahrt wurden“, sagte Geschäftsführer Johann Uhl im Prozess vor dem Schöffengericht in Dillingen unter Vorsitz von Richter Patrick Hecken. „Das führte dazu, anzunehmen, dass da etwas nicht stimmen könnte.“Eine Annahme, die Stichproben auf den Konten von Bewohnern und schließlich auch ein Geständnis des Mitarbeiters bestätigten. Wäre die Sache mit der hohen Handyrechnung nicht ins Rollen gekommen, sei nicht auszuschließen, dass den Betrug sonst niemand bemerkt hätte, so Uhl.
Der Angeklagte selbst räumte im Prozess alle Vorwürfe in vollem Umfang ein und entschuldigte sich gleich zu Anfang für den „großen Vertrauensmissbrauch“. „Es ist schwierig, diese große Anzahl vernünftig und sachlich zu erklären“, so der 46-Jährige. Seinen Anfang habe das Ganze genommen, als er immer mal wieder Beträge vom Geld der Bewohner genommen und am nächsten Tag wieder zurückgelegt habe, weil er nicht genügend Bargeld dabei hatte. Er begann eine Liste zu führen. Doch dann habe sich die Sache langsam verselbstständigt und sei aus dem Ruder gelaufen. „Solche Summen waren sicher nicht geplant“, so der Angeklagte, der nach Abschluss der Ermittlungen selbst schockiert von der Höhe der Summe gewesen sei. „Das war mir so nicht bewusst. Ich schäme mich unendlich dafür und kann es mir nicht erklären.“Denn aus einer finanziellen Notlage heraus habe er die Taten nicht begangen. Warum aber dann?
Diese Frage kann sich der 46-Jährige bis heute nicht so recht beantworten. Ein Faktor sei sicherlich die kriselnde Ehe gewesen, ein anderer die hohe Verantwortung im Job, die ständige Erreichbarkeit. Vielleicht auch ein Gefühl, dass die Arbeit nicht richtig anerkannt wurde. Das Geld habe er daneben nicht für Luxusartikel ausgegeben und auch weniger für sich. „Im Grunde habe ich Sachen für die Familie gekauft, Einkäufe davon bezahlt oder Spielzeug für die Kinder mitgebracht.“Nachdem er aufgeflogen war, wurde sein Arbeitsverhältnis beendet. Mittlerweile hat der Mann neue Arbeit gefunden. Von den insgesamt 57000 Euro Schaden hat er schon 17000 Euro zurückgezahlt, hat dafür extra einen Kredit von 10 000 Euro aufgenommen und stottert nun Monat für Monat 200-Euro-Raten ab.
Deshalb, weil der Mann voll geständig war, sich entschuldigt hat, nicht vorbestraft ist und eine gute Sozialprognose aufweist, verurteilte ihn das Schöffengericht gerade noch zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Wegen Betrugs und Untreue. Nachdem es keinerlei Kontrollmechanismen gegeben habe, habe man es ihm verhältnismäßig einfach gemacht, sagte Richter Patrick Hecken in der Urteilsbegründung. Trotzdem: „Wenn jemand darauf angewiesen ist, dass man sich um seine Angelegenheiten kümmert und in Obhut begibt, dann ist es besonders verwerflich, dieses Vertrauen auszunutzen.“
Menschen wie die Bewohner der Lebenshilfe seien Menschen, die oft keinen Argwohn gegenüber anderen hegten. „Für die ist es dann noch schlimmer, wenn ihr Vertrauen enttäuscht wird.“Letztlich bringe es ihnen nun allerdings mehr, wenn der 46-Jährige nicht hinter Gitter muss, seine Arbeit behalten und damit den Schaden weiter abstottern kann, so der Richter.