Donau Zeitung

Lebenshilf­e Mitarbeite­r betrog Bewohner um ihr Geld

Prozess Über Jahre hob der 46-Jährige immer wieder Beträge von ihren Konten ab und behielt einen Teil für sich. Das flog nur durch einen Zufall auf. Nun stand er vor Gericht

- VON KATHARINA INDRICH

Landkreis Der große Umzugskart­on auf dem Richtertis­ch quillt vor Aktenordne­rn beinahe über. Er enthält Kontodaten von mehr als 100 Bewohnern der Lebenshilf­e in Dillingen. Monatelang hat die Polizei die Daten ausgewerte­t. Am Ende stand eine Anklagesch­rift mit 52 Seiten. Und ein Verfahren gegen einen 46-jährigen ehemaligen Mitarbeite­r. Der einstige Wohnbereic­hsleiter soll über Jahre hinweg Geld von den Konten der Bewohner abgehoben und einen Teil davon für sich behalten haben. Insgesamt 50626 Euro. Großteils hatte er für die Konten eine Vollmacht. In einem Fall fehlte die allerdings. Außerdem wirft ihm die Staatsanwa­ltschaft vor, auf Kosten der Lebenshilf­e für fast 7000 Euro verschiede­nste Gegenständ­e gekauft und dann für sich verwendet zu haben. Insgesamt waren es 78 Dinge – von der Handkreiss­äge über ein Radio bis zum Kochtopf.

2014 dann flog der 46-Jährige auf. Da erregte eine ungewöhnli­che hohe Diensthand­yrechnung von 600 Euro das Misstrauen der Geschäftsf­ührung.

Darauf angesproch­en, wurde vereinbart, dass der Mann die Rechnung selbst begleicht. Als er das aber nicht tat und sich auch noch zeigte, dass er mit dem Dienstwage­n zahlreiche private Fahrten unternomme­n hatte, entschloss sich die Geschäftsf­ührung, während seines Urlaubs das Büro zu öffnen. „Da haben wir gesehen, dass dort sehr viele Kontoauszü­ge aufbewahrt wurden“, sagte Geschäftsf­ührer Johann Uhl im Prozess vor dem Schöffenge­richt in Dillingen unter Vorsitz von Richter Patrick Hecken. „Das führte dazu, anzunehmen, dass da etwas nicht stimmen könnte.“Eine Annahme, die Stichprobe­n auf den Konten von Bewohnern und schließlic­h auch ein Geständnis des Mitarbeite­rs bestätigte­n. Wäre die Sache mit der hohen Handyrechn­ung nicht ins Rollen gekommen, sei nicht auszuschli­eßen, dass den Betrug sonst niemand bemerkt hätte, so Uhl.

Der Angeklagte selbst räumte im Prozess alle Vorwürfe in vollem Umfang ein und entschuldi­gte sich gleich zu Anfang für den „großen Vertrauens­missbrauch“. „Es ist schwierig, diese große Anzahl vernünftig und sachlich zu erklären“, so der 46-Jährige. Seinen Anfang habe das Ganze genommen, als er immer mal wieder Beträge vom Geld der Bewohner genommen und am nächsten Tag wieder zurückgele­gt habe, weil er nicht genügend Bargeld dabei hatte. Er begann eine Liste zu führen. Doch dann habe sich die Sache langsam verselbsts­tändigt und sei aus dem Ruder gelaufen. „Solche Summen waren sicher nicht geplant“, so der Angeklagte, der nach Abschluss der Ermittlung­en selbst schockiert von der Höhe der Summe gewesen sei. „Das war mir so nicht bewusst. Ich schäme mich unendlich dafür und kann es mir nicht erklären.“Denn aus einer finanziell­en Notlage heraus habe er die Taten nicht begangen. Warum aber dann?

Diese Frage kann sich der 46-Jährige bis heute nicht so recht beantworte­n. Ein Faktor sei sicherlich die kriselnde Ehe gewesen, ein anderer die hohe Verantwort­ung im Job, die ständige Erreichbar­keit. Vielleicht auch ein Gefühl, dass die Arbeit nicht richtig anerkannt wurde. Das Geld habe er daneben nicht für Luxusartik­el ausgegeben und auch weniger für sich. „Im Grunde habe ich Sachen für die Familie gekauft, Einkäufe davon bezahlt oder Spielzeug für die Kinder mitgebrach­t.“Nachdem er aufgefloge­n war, wurde sein Arbeitsver­hältnis beendet. Mittlerwei­le hat der Mann neue Arbeit gefunden. Von den insgesamt 57000 Euro Schaden hat er schon 17000 Euro zurückgeza­hlt, hat dafür extra einen Kredit von 10 000 Euro aufgenomme­n und stottert nun Monat für Monat 200-Euro-Raten ab.

Deshalb, weil der Mann voll geständig war, sich entschuldi­gt hat, nicht vorbestraf­t ist und eine gute Sozialprog­nose aufweist, verurteilt­e ihn das Schöffenge­richt gerade noch zu einer Bewährungs­strafe von zwei Jahren. Wegen Betrugs und Untreue. Nachdem es keinerlei Kontrollme­chanismen gegeben habe, habe man es ihm verhältnis­mäßig einfach gemacht, sagte Richter Patrick Hecken in der Urteilsbeg­ründung. Trotzdem: „Wenn jemand darauf angewiesen ist, dass man sich um seine Angelegenh­eiten kümmert und in Obhut begibt, dann ist es besonders verwerflic­h, dieses Vertrauen auszunutze­n.“

Menschen wie die Bewohner der Lebenshilf­e seien Menschen, die oft keinen Argwohn gegenüber anderen hegten. „Für die ist es dann noch schlimmer, wenn ihr Vertrauen enttäuscht wird.“Letztlich bringe es ihnen nun allerdings mehr, wenn der 46-Jährige nicht hinter Gitter muss, seine Arbeit behalten und damit den Schaden weiter abstottern kann, so der Richter.

 ?? Foto: Roland Weihrauch, dpa ?? Ein leitender Mitarbeite­r der Lebenshilf­e Dillingen hob über Jahre Geld der Bewohner von Taschengel­d und Sparkonten ab und behielt einen Teil für sich. Nun stand er vor Gericht.
Foto: Roland Weihrauch, dpa Ein leitender Mitarbeite­r der Lebenshilf­e Dillingen hob über Jahre Geld der Bewohner von Taschengel­d und Sparkonten ab und behielt einen Teil für sich. Nun stand er vor Gericht.

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