Im Schutz der Pflanzen
Kräutergeist Wie Kräuter und Blumen auf Menschen wirken. Dazu muss von der Pflanze selbst manchmal gar nichts mehr da sein. Die Kräuterpädagogin Maria Burlefinger erzählt
Wertingen Der Vater Landwirt, die Mutter Bäuerin – so wächst Maria Burlefinger auf. Ganz selbstverständlich verbringt sie Tage und Wochen mit auf dem Feld, hat von frühmorgens bis spätabends einfach nur Wiese und Acker um sich. Sie sieht wilden Feldsalat und Kümmel wachsen, sammelt büschelweise Kamille und flicht Blumenkränzchen. Nebenbei erzählt ihr die Mutter, wie Blumen, Kräuter und Pflanzen heißen. Die Tochter wächst heran, heiratet, geht ihrem Beruf nach, zieht eigene Kinder groß. Jahrzehnte später tauchen die Bilder der Kindheit wieder intensiv in ihr auf. Die letzten Jahre vor dem Tod pflegt sie die Mutter. „Die wichtigste und richtigste Arbeit meines Lebens“, sagt die 53-Jährige rückblickend. Über die Gespräche mit der Mutter erkennt die Untertürheimerin ihren ganz persönlichen Weg zur Pflanzenwelt, lässt sich schließlich zur Kräuterpädagogin ausbilden.
Als solche bietet sie im ganzen Landkreis seit einigen Jahren nebenberuflich Wanderungen, Vorträge und Aktionen an. Gar vieles sie über Kräuter und Blumen zu erzählen. In zwei dicken Ordnern hat sie ihr ganz persönliches Herbarium angelegt, jede einzelne Pflanze säuberlich getrocknet, aufgeklebt und beschriftet. Gewidmet hat sie es ihrer Mutter. „Sie hat mich mit ihrer großen Liebe zu Pflanzen und ihrer Achtung vor der Schöpfung von Kindheit an geprägt“, steht auf der ersten Seite.
Die meisten Pflanzen stammen aus dem Donauried – „meiner Seelenlandschaft“. In den dortigen Wiesen und Wäldern kann Maria Burlefinger nachvollziehen, warum Menschen die Natur früher als „beseelt“wahrgenommen haben. Sie selbst macht in der Natur immer wieder die Erfahrung der Langsamkeit. „Oft passiert mir, dass ich flott loslaufe und automatisch immer langsamer werde.“Es braucht weder etwas Großes noch etwas zu tun, und sie wird ruhig. „Dann kann sein, dass ein paar winzig kleine Blüten mich anlachen.“ Die eigenen Antennen ausfahren, wahrnehmen und erkennen, was ist – darin steckt für die Kräuterexpertin die eigentliche Botschaft von Pfingsten und des Heiligen Geistes. „Alle Religionen laufen darauf hinaus, dass es eine höhere Macht gibt, die wir nicht greifen, dafür spüren und wahrnehmen können, wenn wir bewusst sind.“
Eine Verbindung von Kräutern und Geist sieht die 53-Jährige noch in vielen anderen Aspekten, führt als Beispiel die Homöopathie an. Hier werde teils mit sehr giftigen Pflanzen wie dem Eisenhut (Aconitum) gearbeitet. In hohen Potenzen finde sich von der Pflanze selbst überhaupt nichts mehr: „Nur noch deren Energie, sprich der Geist der Pflanze.“
Viele Menschen räuchern, andere genießen den Duft eines Kräutertees oder Kräuteröls. In ihrer Ausbildung zur Kräuterpädagogin ist Maria Burlefinger wirklich klar geworden: „Pflanzen machen mithilfe von Licht und Wasser erst das Leben für Mensch und
Tier möglich.“Sie steweiß hen am Anfang der Nahrungskette und nützen in vielerlei Hinsicht. Doch eigentlich interessiert Maria Burlefinger das, was über das reine „was nützt mir das“hinausgeht, noch viel mehr.
Im Moment blüht der Holunder in seiner vollen Pracht. Seine Blüten können getrocknet als Tee oder eingeweicht als Sirup übers ganze Jahr genossen werden. Sie helfen dem Immunsystem ebenso wie die dunklen vitaminreichen Beeren im Herbst. Die „Apotheke des Bauern“nennt die Kräuterexpertin den „Holderbusch“, der noch heute oftmals Hauseingänge und Gärten einrahmt und als Schutz gesehen wird. Das Märchen der „Frau Holle“spiele auf die dunkle Seite – die Pechmarie – und mit der Goldmarie auf die helle Seite an. Letztere gehorcht, indem sie macht, was zu tun ist. So gelte es auch für uns, der ureigenen inneren Stimme und somit dem göttlichen Geist, zu folgen. „Der Mensch braucht Bilder, wie das einer weißen Göttin, die ihn darauf hinweisen, was zu tun ist“, weiß Burlefinger. Deshalb haben sich wohl viele archaische Bräuche auch mit dem Christentum bis heute gehalten. So dürfe man einen Holunder nicht ohne guten Grund umschlagen. Burlefinger: „Damit würde man ihm das Leben und seinen Schutzgeist aushauchen.“