Donau Zeitung

„Erst zuschlagen, dann die politische Lösung suchen“

Zeitgeschi­chte Israel gelang ein großer Sieg im Sechstagek­rieg vor 50 Jahren. Aber der Konflikt schwelt bis heute fort

- VON WINFRIED ZÜFLE

Augsburg Die Situation wurde von Tag zu Tag dramatisch­er. Ägyptens Staatschef Gamal Abdel Nasser hatte im Mai 1967 die UN aufgeforde­rt, ihre Friedenstr­uppen von der entmilitar­isierten Sinaihalbi­nsel und aus dem Gazastreif­en abzuziehen – was prompt geschah. Dann ließ er die Seestraße von Tiran für die Schifffahr­t schließen und blockierte damit den israelisch­en Hafen Eilat am Roten Meer. Kurz darauf verbündete sich Nasser demonstrat­iv mit Jordaniens König Hussein. Das kleine Israel musste sich vor 50 Jahren umzingelt und in seiner Existenz bedroht fühlen.

Die Generäle des jüdischen Staates, der bereits zwei Kriege mit seinen arabischen Nachbarn geführt hatte, wussten, dass sie den vereinten Kräften von Ägypten, Syrien und Jordanien zahlenmäßi­g in jeder Hinsicht unterlegen waren. Sie hatten weniger Soldaten, weniger Panzer und weniger Flugzeuge. Da entstand die Idee, das Überraschu­ngsmoment auszunutze­n. Am 3. Juni erklärte Israels Verteidigu­ngsministe­r Moshe Dayan, der Kriegsheld mit der Augenklapp­e, der kurz zuvor auf öffentlich­en Druck hin in sein Amt gekommen war, bei einem Treffen im kleinen Kreis: „Wenn wir noch sieben bis neun Tage warten, bedeutet dies tausende Tote. Warten macht keinen Sinn. Lasst uns erst zuschlagen und dann nach einer politische­n Lösung suchen.“

Zwei Tage später war es soweit: Am 5. Juni vor 50 Jahren begann Israels Präventivs­chlag. Der gut trainierte­n Luftwaffe gelang es an einem einzigen Tag, erst die ägyptische­n und danach auch die jordanisch­en und syrischen Kampfflugz­euge nahezu komplett am Boden zu zerstören. In den folgenden Tagen eroberten die Israelis den von Ägypten beanspruch­ten Sinai, das Westjordan­land und Ostjerusal­em, die bis dahin unter jordanisch­er Verwaltung standen, und am 9. und 10. Juni auch die syrischen Golanhöhen, von denen aus jüdische Siedler am See Genezareth und im Jordantal immer wieder angegriffe­n worden waren. Nach sechs Tagen, die dem Waffengang seinen Namen gaben, waren die Kämpfe zu Ende.

Ungelöst blieben jedoch die politische­n Fragen. Die Ergebnisse des Sechstagek­riegs bestimmen die politische Landkarte des Nahen Ostens bis heute. Der Jom-Kippur-Krieg 1973 konnte daran nichts ändern: Ägypten und Syrien scheiterte­n mit dem Versuch, verlorenes Terrain zurückzuge­winnen.

So ist auch heute noch der Status von Ostjerusal­em ungeklärt. Die Annexion durch Israel, das im vereinten Jerusalem seine Hauptstadt sieht, wird internatio­nal nicht anerkannt. Die Palästinen­ser beanspruch­en ihrerseits den Ostteil als Hauptstadt eines eigenen Staates. Das lehnt Israel ab – auch, weil es den Juden viel bedeutet, dass ihre heiligen Stätten erstmals seit 2000 Jahren wieder unter ihrer Kontrolle stehen.

Die Irritation­en wurden dieser Tage wieder sichtbar. Es galt als ungewöhnli­ch, dass US-Präsident Donald Trump auf seiner Nahostreis­e im Mai an der in Ostjerusal­em gelegenen Klagemauer betete. Die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem hat er aber zunächst auf Eis gelegt.

Umstritten sind auch das Westjordan­land und der Gazastreif­en. Dort soll gemäß dem Oslo-Friedenspr­ozess ein Palästinen­serstaat entstehen. Aber während sich Israel aus dem Gazastreif­en zurückzog, beanspruch­t es weiter die Kontrolle über Teile des Westjordan­lands, in dem sich seit dem Sechstagek­rieg eine halbe Million jüdische Siedler niederließ­en. Generell wird das Modell der Zwei-Staaten-Lösung immer mehr infrage gestellt.

Israel hat Frieden mit Jordanien (1994) und mit Ägypten (1979) geschlosse­n, das den Sinai zurückerhi­elt. Die syrischen Golanhöhen indes hat es annektiert.

 ?? Foto: GPO, dpa ?? Vertreibun­g aus dem Sinai: Israelisch­e Soldaten rückten im Juni 1967 gegen ägypti sche Stellungen vor und eroberten die Halbinsel.
Foto: GPO, dpa Vertreibun­g aus dem Sinai: Israelisch­e Soldaten rückten im Juni 1967 gegen ägypti sche Stellungen vor und eroberten die Halbinsel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany