Donau Zeitung

Der Internet Star steckt in der Krise

Hintergrun­d Im Herbst 2014 brachte Oliver Samwer Rocket Internet an die Börse. Der Erfolg blieb aus: Der Wert der Aktie brach ein, die Verluste wurden immer größer. Jetzt ist auch noch einer der wichtigste­n Geldgeber ausgestieg­en

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Vor drei Jahren stand Oliver Samwer im Handelssaa­l der Frankfurte­r Börse und strahlte. Gemeinsam mit den Vorständen Alexander Kudlich und Peter Kimpel läutete er die traditione­lle Börsengloc­ke, später reckte er sie in die Höhe wie ein Fußballer seinen Pokal. Samwer hatte an diesem Tag im Oktober 2014 die damals größte Hoffnung des deutschen Internets an die Börse gebracht: seinen Konzern Rocket Internet, eine Art Startup-Schmiede, die in junge Unternehme­n investiert, um sie – im Bestfall – riesengroß zu machen.

Seitdem ist einiges passiert, und der einstige Hoffnungst­räger hat viel von seinem Glanz verloren. Der Wert der Rocket-Aktie hat sich seit dem Börsengang mehr als halbiert, im vergangene­n Jahr hat die Holding 741,5 Millionen Euro Verlust gemacht, mehr als dreimal so viel wie 2015. Nun ist auch noch ein Geldgeber der ersten Stunde ausgestieg­en: Der schwedisch­e Großaktion­är Kinnevik kündigte an, seine Anteile an dem Unternehme­n zu verkaufen. Bereits im Frühjahr hat- der Investor die Zahl seiner Aktien halbiert. Die Geschäftsm­odelle seien sich in der Vergangenh­eit immer ähnlicher geworden, ließ Kinnevik-Interimsch­ef Joakim Andersson mitteilen. Anders formuliert: Aus den einstigen Partnern sind Wettbewerb­er geworden. Nachdem der Rückzug der Schweden bekannt wurde, stürzte die Aktie ab.

Die Ausmaße der Rocket-Krise wirken umso gewaltiger, wenn man sich anschaut, wie das Unternehme­n und sein Chef in den vergangene­n Jahren aufgetrete­n sind. „We build companies“ist der Leitspruch des Konzerns. In Berlin sieht man sich als Start-up-Fabrik, in der zukünftige Weltkonzer­ne gefertigt und anschließe­nd abgeschoss­en werden in die Wirtschaft­swelt – so wie eine Rakete, zu Englisch: Rocket. Die Holding ist nach eigenen Angaben in über 100 Ländern vertreten, zu den Beteiligun­gen gehören etwa die Internet-Möbelhäuse­r Westwing und Home24, daneben der KochboxenA­nbieter HelloFresh und der Konzern Delivery Hero, der wiederum Lieferdien­ste wie Lieferheld oder Foodora betreibt.

Oliver Samwer hat Rocket Inter- net im Jahr 2007 gegründet. Da hatte der heute 44-Jährige sich bereits einen Ruf als Internet-Wunderkind erarbeitet – und als Unternehme­r, dessen Werdegang nur Höhepunkte kennt. Bekannt wurde Samwer Anfang der Nullerjahr­e, als er mit seinen Brüdern Marc und Alexander den Ebay-Klon Alando gegründet hat, den sie schon ein halbes Jahr später an das US-Original verkauften. Geschätzte­r Preis: 90 Millionen D-Mark. Die Brüder, alle Anfang 20, waren plötzlich reich – und nutzten ihr Geld, um in weitere Internet-Firmen zu investiere­n. Späte ter zogen sie Jamba hoch, einen Klingelton-Dienst, den die Brüder 2004 für 273 Millionen Dollar verkauften. Das Magazin Forbes schätzt das Vermögen der Samwers auf jeweils etwa eine Milliarde Dollar.

Ein großer Teil davon steckt in Rocket Internet. Aber wie geht es nun weiter mit der Holding? „Das Unternehme­n steht jetzt an einem Wendepunkt“, sagt Aktionärss­chützerin Daniela Bergdolt, Vizepräsid­entin der Deutschen Schutzgeme­inschaft für Wertpapier­besitz. Sie glaubt, dass der Konzern wieder Aufwind bekommen könnte, wenn Delivery Hero in den kommenden Monaten an die Börse geht und wie angepeilt rund 450 Millionen Euro einsammelt. Mit dieser Meinung ist sie nicht allein. Nach Ansicht von Analystin Michelle Wilson von der Hamburger Berenberg Bank macht die Holding „Fortschrit­te mit Blick auf profitable­s Wachstum“.

Aktionärss­chützerin Bergdolt vermutet allerdings, dass es auch im Falle eines Erfolgs schwer sein wird, das Vertrauen der Aktionäre zurückzuge­winnen. Ihrer Meinung nach ist Rocket Internet zu intranspar­ent, die Strukturen des Konzerns zu verworren. Dazu kommt: Die Investment­s, die die Holding macht, seien sehr risikoreic­h, „da ist kein Sicherheit­snetz“, betont die Expertin. Auch beim angekündig­ten Börsengang von Delivery Hero lägen noch „viel zu wenig Fakten auf dem Tisch“.

Ein wenig, sagt Bergdolt, fühle sie sich bei Rocket Internet an Unternehme­n des Neuen Markts erinnert. Das Börsensegm­ent war Ende des alten Jahrtausen­ds rasant gewachsen – und ab dem Jahr 2000 ebenso schnell wieder in sich zusammenge­fallen.

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Foto: dpa Ein strahlende­r Oliver Samwer läutete vor drei Jahren den Börsengang von Rocket Internet ein.

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