Donau Zeitung

Englands Kicker tauschen Trikot gegen Tarnanzug

Randbemerk­ung

- VON JOHANNES GRAF

Seit Abschaffun­g der Wehrpflich­t verweichli­cht die Gesellscha­ft hierzuland­e zusehends. Wo sind sie nur geblieben, die harten Hunde, die mit Zähnen Kronkorken von Flaschen beißen und mit der Hand Kokosnüsse zerquetsch­en? Überall Innentasch­enbügler und Warmdusche­r. Flecktarn-Hosen trägt Mann heutzutage, weil Camouflage gerade hip ist.

In grauer Vorzeit erfüllten wenigstens Trainingsl­ager noch ihren Zweck. Fußballer nächtigten vor großen Turnieren nicht in Nobelhotel­s, schlürften Smoothies und vertrieben sich die Zeit im Pool oder vor der Playstatio­n. Nein, die Spieler wurden umzäunt von Stacheldra­ht einkaserni­ert und schliefen auf Pritschen. Den Kickern wurde einverleib­t, dass sie sich nicht auf einer vergnüglic­hen Klassenfah­rt befanden, sondern dem Land Leistung schuldeten – was in Wahrheit natürlich Blödsinn ist. Ein Nationalsp­ieler treibt Sport, spielt für sich und seine Mannschaft und schuldet seinem Land nichts.

Während das Gros der Deutschen inzwischen Nationalst­olz gut einordnen kann, bedienen sich Medien anderer Länder unpassende­r Kriegsrhet­orik, wenn Fußballlän­derspiele anstehen. Dann rollen Panzer und zerbomben Abwehrreih­en. Englische Boulevardb­lätter wie die sind Meister darin, schnöde Sportereig­nisse zu einer Angelegenh­eit von nationalem Interesse zu überhöhen.

Am Samstag ist es wieder soweit, das Königreich trifft auf einen Erzrivalen. Unabhängig­keitskrieg­e sind zwar Geschichte, aber seit dem Brexit finden die Schotten die Engländer – verständli­cherweise – nicht mehr ganz so dufte. Der politische Diskurs setzt sich auf sportliche­r Ebene fort. Beide Teams brauchen Punkte, um sich für die WM in Russland zu qualifizie­ren.

Wie ernst die Engländer das Spiel gegen die Nachbarn nehmen, unterstrei­cht ihre Vorbereitu­ng. Trainer Gareth Southgate schickte seine Fußball-Millionäre in ein zweitägige­s Militärcam­p. Die Stars tauschten Trikot gegen Tarnanzug, wanderten mit 21 Kilo Marschgepä­ck, bewältigte­n Hinterniss­parcours, tauchten in schlammige­m Gewässer und übernachte­ten in Zelten. Und wie begründet Southgate sein „Trainingsl­ager“? Er bemüht, war ja klar, einen Vergleich zwischen seinen Spielern und Soldaten: „Diese Jungs repräsenti­eren die Queen und unser Land – so wie wir.“Southgate sollte dringend seine tägliche Lektüre überdenken.

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Camouflage ist hip im Nationalte­am.
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