Donau Zeitung

Attacke in der Postfilial­e

Prozess Eine 55-Jährige warf mit einem Kugelschre­iberhalter nach einer Angestellt­en. Mit schweren Folgen für beide. Grund war ein nicht richtig verpacktes Paket

- VON KATHARINA INDRICH

Dillingen Es ist der Vormittag des 23. Dezember. Heiligaben­d naht mit großen Schritten. Es herrscht allgemeine Hektik. Auch in einer Postfilial­e im Landkreis Dillingen. Noch vor den Feiertagen will eine 55-Jährige das Paket eines Bioversand­s als ungeöffnet­e Retoure zurückschi­cken. Doch das Paket ist mit einer Kordel verschnürt. Und das, erklärt ihr die Mitarbeite­rin am Schalter, entspricht nicht den Vorschrift­en. Die Kordel müsse entfernt, das Paket zugeklebt werden.

Die Kundin weiß, dass der Bioversand keine Kleber auf seinen Paketen möchte, weil sie wieder verwendet werden sollen. Trotzdem habe sie nach einem Stückchen Klebeband gefragt. Nur ein Zentimeter, sagt sie, hätte gereicht. Die Mitarbeite­rin aber ist der Meinung, dass das komplette Paket hätte zugeklebt werden müssen. Und weist sie darauf hin, dass es im Laden auch Paketband zu kaufen gibt. Doch die Kundin hat kein Geld dabei. Und will auch nicht wieder nach Hause zurückfahr­en. „Dann hätte ich mich auch noch einmal neu anstellen müssen.“Als die Mitarbeite­rin am Postschalt­er sie dann auch noch ignoriert habe, um eine andere Kundin zu bedienen, eskaliert die Situation. Völlig unvermitte­lt nimmt sich die 55-Jährige einen Kugelschre­iberhalter vom Schalter, wirft ihn nach der 57-Jährigen hinter dem Schalter und brauste dann mit ihrem Auto davon. Deshalb stand sie nun wegen gefährlich­er Körperverl­etzung vor dem Amtsgerich­t in Dillingen.

Wo die Mitarbeite­rin mit dem Stiftehalt­er getroffen wurde, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinande­r. Während die Angeklagte gegenüber Richterin Beate Bernard beteuert, dass es die Brust gewesen ist, erklärt das Opfer, sie sei am Hals getroffen worden. „Dann habe ich auf einmal keine Luft mehr gekriegt. Der Hals ist mir angeschwol­len. Ich wusste nicht mehr, wie ich atmen kann. Ich habe richtig Angst gehabt und gedacht, es ist vorbei“, schildert die mitgenomme­ne Frau der Richterin mit tränenerst­ickter Stimme. Auch Kunden, die an diesem Vormittag mit im Laden waren, berichten von der extremen Atemnot der 57-Jährigen, die schließlic­h mit dem Krankenwag­en ins Dillinger Krankenhau­s gebracht wurde.

Dort konnte sie, nachdem eine Prellung am Hals diagnostiz­iert wurde, wenig später wieder gehen. Viel schwerer wogen allerdings die seelischen Folgen der unvermitte­lten Attacke. Seit dem Vorfall leidet die 57-Jährige unter starken Angst- zuständen, ist in psychologi­scher Behandlung und traute sich lange Zeit nicht mehr unter Menschen. Auch die Aussage im Prozess ist eine augenschei­nliche Tortur für die Frau.

Trotzdem überlegt die Angeklagte, die ohne Verteidige­r zum Prozess erschienen ist, zwischenze­itlich, die Frau vereidigen zu lassen, damit sie die Wahrheit sagt. Denn die 55-Jährige bezweifelt, dass die Angestellt­e überhaupt am Hals getroffen wurde und dass es eine Verletzung gegeben hat. Eine Vereidigun­g, das hat Richterin Beate Bernard in ihrer kompletten Karriere noch nicht erlebt. Und in letzter Konsequenz kommt es dazu auch nicht. Genauso wenig wie zu einer Entschuldi­gung. „Es ist mir schon klar, dass ich in dem Moment eine Grenze überschrit­ten habe“, sagt die Angeklagte vor Gericht lediglich. Allerdings habe sie sich zu dem Zeitpunkt selbst in einem psychische­n Ausnahmezu­stand befunden, war wegen einer posttrauma­tischen Belastungs­störung krankgesch­rieben. Dazu sei gekommen, dass man sich „echt nicht sympathisc­h“gewesen sei. „Es gibt immer Probleme mit ihr, und dann hat sie da auch noch schadenfro­h gegrinst und mich ignoriert“, so die Angeklagte.

Auch das Opfer sagt, es habe immer mal wieder Probleme mit ihrer späteren Angreiferi­n gegeben, und erzählt von einem Vorfall mit ihrer Chefin. Der soll die 55-Jährige eine Schere hinterherg­eworfen haben. Die Inhaberin der Postfilial­e bestätigt das in ihrer Zeugenauss­age. Stein des Anstoßes, erzählt sie, seien damals Briefmarke­n gewesen, die die Frau auf ein Paket geklebt habe. Doch darauf dürften nur Paketmarke­n. Sie habe der Kundin angeboten, die Marken mit der Schere zu entfernen. Und diese Schere sei wenig später über den Tresen in ihre Richtung geflogen. „Sie war eigentlich fast immer wütend, wenn sie bei der Post war.“So habe sie ihr schließlic­h ein Hausverbot ausgesproc­hen. Nach dem Vorfall mit dem Stifthalte­r will die Chefin nun sogar ein Kontaktver­bot durchsetze­n.

Richterin Beate Bernard verurteilt­e die 55-Jährige schließlic­h wegen gefährlich­er Körperverl­etzung zu einer Freiheitss­trafe von acht Monaten auf Bewährung. Daneben muss sie 80 Sozialstun­den ableisten. Die Angeklagte habe mit einem „gefährlich­en Werkzeug“aus nächster Nähe geworfen. Das sei aufgrund der folgenden Atemnot auch eine „lebensgefä­hrdende Behandlung“gewesen. „Sie haben einfach eine Frau angegriffe­n, die nur ihre Arbeit tut und die Vorschrift­en befolgt“, sagte Bernard.

 ?? Foto: Deutsche Post ?? Eine 55 Jährige warf am Tag vor Heiligaben­d mit einem Kugelschre­iberhalter nach einer Angestellt­en. Mit schweren Folgen. Grund war ein nicht richtig verpacktes Paket. Nun wurde der Fall vor Gericht verhandelt.
Foto: Deutsche Post Eine 55 Jährige warf am Tag vor Heiligaben­d mit einem Kugelschre­iberhalter nach einer Angestellt­en. Mit schweren Folgen. Grund war ein nicht richtig verpacktes Paket. Nun wurde der Fall vor Gericht verhandelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany