Der Geist im Hochprozentigen
Serie Was hat es mit dem spirituellen Wort im „Himbeergeist“auf sich? Ist es nur ein Begriff für EU-Beamte?
Steinheim „Lieber Himbeergeist als gar keinen Verstand.“Ein flapsiger Spruch, den man vielleicht mal in einer Kneipe oder an einem Stammtisch zu hören bekommt. Doch im Rahmen unserer Pfingstserie „Geistreich“haben wir uns tatsächlich gefragt: Woher kommt er, der Geist im Hochprozentigen?
Alle, die gehofft haben, im alkoholischen Genuss läge tatsächlich etwas Spirituelles, müssen wir an dieser Stelle enttäuschen. Josef Rieß, Betreiber einer Obstbrennerei in Steinheim, erklärt es ganz nüchtern: „Geist, das ist nur ein Begriff, eine Deklaration.“Doch etwas mehr steckt schon dahinter. Denn wer weiß, was dieses Wort bedeutet, gehört zu denen, für die der Genuss des hochprozentigen Alkohols mehr ist als nur stumpfe Trinkerei.
Der Destillateur erklärt die Begrifflichkeiten, die den feinen Unterschied machen: Die Himbeere ist eigentlich eine Frucht, aus der man beim Brennen nicht viel Alkohol gewinnen kann.
Deswegen werden die süßen Beeren in reinem Alkohol eingelegt. Sie saugen sich damit voll – und werden dann erst gegeistet (gebrannt). Schnaps, der auf diese Weise hergestellt wird, heißt „Geist“. Wobei Schnaps zwar als Überbegriff verwendet werden kann, aber eigentlich ein umgangssprachliches Wort ist, sagt Rieß.
Für diesen Herstellungsprozess eignen sich außerdem Holunderblüten, Himbeeren und Schlehen. Der Geist, der aus den blauen Früchten gemacht wird, gehört zu den Favoriten des Steinheimers. „Schlehen sind nicht veredelt worden, sie sind noch so, wie sie die Natur geschaffen hat“, das mag Rieß besonders. Er selbst verwendet in seiner Brennerei nur Schlehen, die nach dem Herbst bereits einmal den Frost erlebt haben. „Manche schockgefrieren sie, aber da fehlt der Sauerstoff. Das ist ein anderer Geschmack.“
Für alle, die zu Experten werden wollen, erklärt Rieß, was es mit den beiden anderen Arten hochprozentigen Schnaps auf sich hat: Ist der Alkohol, der in der Flasche ist, nicht zugesetzt, sondern beim Brennen aus der Frucht entstanden, heißt das Getränk „Brand“. Gibt der Destillateur noch etwas hinzu, Zucker oder zum Beispiel Honig für den HonigWilli, wird das Getränk zur Spirituose.
Spirituose – „spiritus“ist lateinisch für „Geist“– wieder gibt es einen Zusammenhang zwischen Alkohol und dem Spirituellen. Doch auch hier folgt die Ernüchterung auf dem Fuß: Der Begriff basiert auf der „Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates“, dasselbe gilt für den Geist und den Brand. Zoll- und Steuerbehörden orientieren sich an diesen Deklarationen.
Allenfalls, wenn wir den Begriff des Spirituellen etwas erweitern – auf das menschliche Gespür und das, was unseren Geist erfreut –, dann finden wir auch in der Herstellung und im Genuss von Schnäpsen etwas Geistreiches.
Rieß achtet beim Brennen auf jede Kleinigkeit. Die Früchte zum Beispiel sollen natürlich sein, nicht schockgefroren. Außerdem müsse ein Destillateur Gespür beweisen, wenn er behutsam durch Testen überprüft, ob im Schnaps auch wirklich kein Methanol ist. „Dafür muss man sensibel sein, das ist eine Gefühlssache.“Methanol, der Vorlauf des Alkohols (Ethanol), ist giftig und kann für den Konsumenten gefährlich werden.
Der Steinheimer nimmt seine Verantwortung diesbezüglich sehr ernst. Denn nur, wenn er dafür sorgt, dass alles nach Plan läuft, können die Kunden seine Produkte ohne Bedenken – in Maßen – genießen.