Wenn ein Rentner keine Ruhe findet
Porträt Friedrich Wilhelm Kugel aus Glött steht teils mitten in der Nacht auf. Er will die Eisenbahn in die Zukunft führen
In unserer Serie „Leben im Alter“stellen wir in loser Folge Senioren vor. Dieses Mal ein Ehepaar, das eigentlich die Rente mit einem Wohnwagen verbringen wollte. Doch daraus wurde nichts.
Glött Wenn Friedrich Wilhelm Kugel nachts um drei wieder einmal aus dem Bett hüpft, dreht sich seine Frau Marie-Luise nur kurz um und schläft weiter. Sie weiß, wie umtriebig ihr Mann auch in der Rente noch ist. „Nachts habe ich oft die besten Ideen“, sagt der 79-Jährige, in dessen Büro sich Ordner und Bücher stapeln – gewidmet sind sie alle dem Thema Eisenbahn. Seit der gelernte Maschinenbauer 1975 seine Firma gründete, lässt ihn das Thema nicht mehr los. In einer kleinen Werkstatt stehen die Modelle, mit denen Kugel die Eisenbahn in die Zukunft führen wollte und immer noch will.
Ein von ihm entwickeltes Konzept ist der „Container-Lift“, mit dem er Frachtcontainer kostengünstig vom Lastwagen auf die Schiene verladen will. Sogar das passende Gelände für eine Versuchsanlage hatte der Glötter schon in Aussicht: Im nordrhein-westfälischen Halver auf einem stillgelegten Bahnhofsgelände. „Aber die Stadt wollte lieber ein Einkaufszentrum dort hinbauen“, moniert er. Doch aufgeben will er deswegen nicht. Er ist ein Kämpfer, der schon seine Firma mit gerade einmal 3500 Mark Startkapital aus dem Boden stampfte.
„Ich will junge Leute dazu motivieren, dass sie selbst etwas entwickeln“, sagt er. Deswegen könne er sich vorstellen, Interessierte in Zukunft in seine Werkstatt zu lassen, um sie an der Zukunft für die Eisenbahn entwickeln zu lassen. Wenig verwunderlich beginnt auch die Geschichte von Friedrich Wilhelm Kugel und seiner jetzigen, zehn Jahre jüngeren Frau Marie-Luise mit dem Thema Eisenbahn.
Durch eine gemeinsame Bekannte, die natürlich etwas mit der Eisenbahn zu tun hatte, lernte sich das Paar, das seit 13 Jahren verheiratet ist kennen. „Von der Bahn wollte ich aber erst mal nichts wissen. Schließlich musste ich jeden Tag von Augsburg nach München pendeln“, erzählt die gelernte Versicherungskauffrau lächelnd.
Doch als das Paar zusammenkommt, stellt sie eine Bedingung: „Am liebsten wäre ich in Augsburg geblieben. Aber da hätte er nicht genug Platz gehabt, um zu arbeiten. Also bestand ich darauf, dass wir in Glött, wo mein Elternhaus steht, leben“, erinnert sie sich. Die Firma hat Friedrich Wilhelm zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon verkauft.
Also einigt sich Wilhelm mit seiner Frau Marie-Luise und zieht vom Ruhrpott ins kleine Dorf Glött. Als auch seine Frau vor vier Jahren in Rente geht, wollen sie sich einen lang gehegten Traum erfüllen: Ein Wohnmobil soll her, die Garage hat Friedrich Wilhelm bereits dafür ausgelegt. Doch als sie sich probehalber eines leihen und einige Tage damit unterwegs sind, merken sie schnell, dass das nichts für sie ist. „Uns wird das einfach zu langweilig“, sagen beide übereinstimmend. Sie brauchen beide ihre Arbeit – was für Friedrich Wilhelm die Eisenbahnen sind, ist für Marie-Luise der Garten, ein Hund und die Nachbarin, um die sie sich oft kümmert, wenn sie nicht gerade im Büro ihres Mannes hilft. „Wir spornen uns immer gegenseitig an“, sagt ihr Mann und wirft ihr ein Lächeln zu.
Als sie beide noch voll berufstätig waren, hätten sie sich nie große Gedanken gemacht, wie ihre Rente einmal aussehen soll. Doch sie seien sehr zufrieden. „Als ich mich bei meiner Ärztin einmal beschwerte, sagte sie zu mir, ich solle doch mal mit ins Pflegeheim kommen. Das hat mir zu denken gegeben“, gibt sie zu.
Doch neben all der Arbeit gönnen sie sich jetzt deutlich mehr Zeit miteinander und gehen auch öfters essen. Dieser Luxus muss sein. Auch wenn der Wecker am morgigen Tag wieder um halb 7 Uhr morgens klingeln wird. „Mein Mann denkt, er hat sonst so wenig vom Tag.“