Donau Zeitung

Wenn ein Rentner keine Ruhe findet

Porträt Friedrich Wilhelm Kugel aus Glött steht teils mitten in der Nacht auf. Er will die Eisenbahn in die Zukunft führen

- VON ALEXANDER MILLAUER

In unserer Serie „Leben im Alter“stellen wir in loser Folge Senioren vor. Dieses Mal ein Ehepaar, das eigentlich die Rente mit einem Wohnwagen verbringen wollte. Doch daraus wurde nichts.

Glött Wenn Friedrich Wilhelm Kugel nachts um drei wieder einmal aus dem Bett hüpft, dreht sich seine Frau Marie-Luise nur kurz um und schläft weiter. Sie weiß, wie umtriebig ihr Mann auch in der Rente noch ist. „Nachts habe ich oft die besten Ideen“, sagt der 79-Jährige, in dessen Büro sich Ordner und Bücher stapeln – gewidmet sind sie alle dem Thema Eisenbahn. Seit der gelernte Maschinenb­auer 1975 seine Firma gründete, lässt ihn das Thema nicht mehr los. In einer kleinen Werkstatt stehen die Modelle, mit denen Kugel die Eisenbahn in die Zukunft führen wollte und immer noch will.

Ein von ihm entwickelt­es Konzept ist der „Container-Lift“, mit dem er Frachtcont­ainer kostengüns­tig vom Lastwagen auf die Schiene verladen will. Sogar das passende Gelände für eine Versuchsan­lage hatte der Glötter schon in Aussicht: Im nordrhein-westfälisc­hen Halver auf einem stillgeleg­ten Bahnhofsge­lände. „Aber die Stadt wollte lieber ein Einkaufsze­ntrum dort hinbauen“, moniert er. Doch aufgeben will er deswegen nicht. Er ist ein Kämpfer, der schon seine Firma mit gerade einmal 3500 Mark Startkapit­al aus dem Boden stampfte.

„Ich will junge Leute dazu motivieren, dass sie selbst etwas entwickeln“, sagt er. Deswegen könne er sich vorstellen, Interessie­rte in Zukunft in seine Werkstatt zu lassen, um sie an der Zukunft für die Eisenbahn entwickeln zu lassen. Wenig verwunderl­ich beginnt auch die Geschichte von Friedrich Wilhelm Kugel und seiner jetzigen, zehn Jahre jüngeren Frau Marie-Luise mit dem Thema Eisenbahn.

Durch eine gemeinsame Bekannte, die natürlich etwas mit der Eisenbahn zu tun hatte, lernte sich das Paar, das seit 13 Jahren verheirate­t ist kennen. „Von der Bahn wollte ich aber erst mal nichts wissen. Schließlic­h musste ich jeden Tag von Augsburg nach München pendeln“, erzählt die gelernte Versicheru­ngskauffra­u lächelnd.

Doch als das Paar zusammenko­mmt, stellt sie eine Bedingung: „Am liebsten wäre ich in Augsburg geblieben. Aber da hätte er nicht genug Platz gehabt, um zu arbeiten. Also bestand ich darauf, dass wir in Glött, wo mein Elternhaus steht, leben“, erinnert sie sich. Die Firma hat Friedrich Wilhelm zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon verkauft.

Also einigt sich Wilhelm mit seiner Frau Marie-Luise und zieht vom Ruhrpott ins kleine Dorf Glött. Als auch seine Frau vor vier Jahren in Rente geht, wollen sie sich einen lang gehegten Traum erfüllen: Ein Wohnmobil soll her, die Garage hat Friedrich Wilhelm bereits dafür ausgelegt. Doch als sie sich probehalbe­r eines leihen und einige Tage damit unterwegs sind, merken sie schnell, dass das nichts für sie ist. „Uns wird das einfach zu langweilig“, sagen beide übereinsti­mmend. Sie brauchen beide ihre Arbeit – was für Friedrich Wilhelm die Eisenbahne­n sind, ist für Marie-Luise der Garten, ein Hund und die Nachbarin, um die sie sich oft kümmert, wenn sie nicht gerade im Büro ihres Mannes hilft. „Wir spornen uns immer gegenseiti­g an“, sagt ihr Mann und wirft ihr ein Lächeln zu.

Als sie beide noch voll berufstäti­g waren, hätten sie sich nie große Gedanken gemacht, wie ihre Rente einmal aussehen soll. Doch sie seien sehr zufrieden. „Als ich mich bei meiner Ärztin einmal beschwerte, sagte sie zu mir, ich solle doch mal mit ins Pflegeheim kommen. Das hat mir zu denken gegeben“, gibt sie zu.

Doch neben all der Arbeit gönnen sie sich jetzt deutlich mehr Zeit miteinande­r und gehen auch öfters essen. Dieser Luxus muss sein. Auch wenn der Wecker am morgigen Tag wieder um halb 7 Uhr morgens klingeln wird. „Mein Mann denkt, er hat sonst so wenig vom Tag.“

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Foto: Alexander Millauer Friedrich Wilhelm Kugel und seine Frau Marie Luise aus Glött.

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