Bitte kein Gekrakel
Diese Woche
Klar ist der Großteil dessen, was von selbst ernannten „Künstlern“mit der Spraydose fabriziert wird, keine Kunst. Sieht oft eher aus, als hätte jemand mit falschem Fokus in eine Schüssel Kartoffelsalat fotografiert und danach versucht, das Ergebnis abzumalen. Verschönert nichts, außer vielleicht das Ego des pubertierenden Dosenhalters. Das ein oder andere Werk ist dagegen sehr hübsch anzusehen.
Sprayen ist eine anziehende Art für junge Leute, Abenteuer jenseits der (so empfundenen) langweiligen Pfade gesellschaftlicher Normen auszuleben. Großer Nervenkitzel, das Ergebnis verschafft einem innerhalb einer verschworenen Gruppe Anerkennung und geht allen Nicht-Mitgliedern gehörig auf den Senkel. Verursacht ja auch alles Kosten.
Wie soll man da nun vorgehen gegen die Schmierfinken mit ihren seltsamen Schriftzügen? Garantiert nicht mit dem moralischen Zeigefinger, zumindest wenn man etwas erreichen will. Denn eine einfache Formel bei jeder wie auch immer gearteten Gegenkultur lautet: Je größer die öffentliche Empörung, desto größer der Jubel innerhalb der Gruppe. Damit erreichen die Akteure bei Jugendlichen in der Findungsphase einen enorm „coolen“Nimbus, sodass ihnen fleißig nachgeeifert wird. Man will ja nicht lange ein „Toy“bleiben, wie die Nichtskönner unter den Sprayern innerhalb ihrer Szene genannt werden. Also wird die Spraydose geschüttelt, bis man von dem Geklacker einen Tinnitus bekommen hat. Alles für die eigene Identität als Guerillakünstler.
Man kann gegen Schmier-Sprayer nicht viel machen, ergo sollte man ihnen auch keine große Aufmerksamkeit schenken. Die bittere Pille der Reinigungskosten schlucken, und gut ist’s. Aus ästhetischer Sicht könnte ein Workshop, wie er heute stattfindet, allerdings einiges bewirken. Denn wenn schon graue Wände vollgesprüht werden, dann bitte schön mit Kunst und keinem obskuren Gekrakel – und vor allem im Einvernehmen mit dem Eigentümer. Manch tristem Betonklotz könnte ein wenig Farbe ja auch sehr guttun.