Donau Zeitung

Graffiti: Zwischen Kunst und Ärger

Lebensstil „Sprayen“polarisier­t. In Buttenwies­en gibt es dafür einen Workshop

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen Nicht lang Farben anmischen, sondern gleich lossprühen. Das ist es, was der Wertinger Julien Kneuse Le Ray so schätzt an der Graffitiku­nst. „Es ist schnell, günstig, unkomplizi­ert“, sagt Le Ray. Das hat ihn vor einigen Jahren am Sprühen begeistert.

Damals wie heute hatte er viele Vorbilder aus der ganzen Welt. Deren „Tags“, kunstvolle Schriftzüg­e, schaute er sich an und war fasziniert. Wie die allermeist­en Sprayer habe er dann viel geübt, auch illegal, wo es eben Platz gab. Was seit jeher ein typisches Element der damals noch jungen Hip-Hop-Kultur gewesen sei, ist inzwischen seiner Ansicht nach erwachsen geworden. „Graffiti ist heute eine anerkannte Kunstform. Es gibt Ausstellun­gen und Galerien. Die Künstler und Fans sind ja auch älter geworden“, sagt Le Ray.

Doch gerade in jungen Jahren wollten sich die Sprayer meistens einen Namen machen, wie Le Ray erzählt. Und das geht in der Sprayersze­ne vor allen Dingen so, dass man seinen Namen so oft und so gut sichtbar es geht im eigenen Umkreis auf alles sprüht, was eine Fläche hat – Garagen, Lärmschutz­wände, Verteilerk­ästen, Eisenbahnw­aggons. „Bei vielen herrscht die Mentalität vor ‚Je mehr, desto besser‘ “, sagt der Künstler. „Ich persönlich bin eher der Ästhet.“

Die Kunstform hat sich in der Region etabliert. In Buttenwies­en findet beispielsw­eise ein Workshop statt, bei dem sich junge Interessie­rte darin unterricht­en lassen können, wie man mit den bunten, klackernde­n Dosen am besten arbeitet. Sie lernen es von Lukas Kraus, der seine eigenen gesprühten Werke im Pfarrhof ausstellt. Doch Barbara Mahler stellt klar: „Bei unserem Workshop steht im Vordergrun­d, zu lernen, wie man Schriften dreidimens­ional darstellt. Das hat nichts mit Vandalismu­s zu tun.“

Die Polizisten der Dillinger Inspektion haben eine harsche Sicht auf die Szene. Für Wolfgang Trittner sind die Werke der Sprayer ein Thema, seit er bei der Polizei arbeitet. „Das hat es gegeben, als ich angefangen habe, und das wird auch nicht mehr verschwind­en“, sagt der Polizist. Die meisten Schriftzüg­e, die an öffentlich­en Flächen zu finden sind, fallen für ihn klar unter reine Sachbeschä­digung. „Bei einem Großteil handelt es sich einfach um Gesudel, bei dem man auch mit bestem Willen nicht mehr von Kunst sprechen kann“, sagt Trittner. In der Nähe des neuen Edekas, an einem Bahnhäusch­en, und diversen Schildern in Steinheim hat jemand „Sans-Soussi“nebst anderem Gekrakel hinterlass­en. Ob er gefasst wird, ist fraglich. „Die Aufklärung­squote bei diesen Delikten ist nicht optimal“, sagt Trittner. Tatsächlic­h wurden im Jahr 2015 29 Fälle registrier­t, von denen acht aufgeklärt wurden. 2016 wurde ein Sprayer erwischt, als er an der Donaubrück­e sprühte. Nach Ermittlung­en der Polizei ist der 20-Jährige für mindestens 20 Fälle illegalen Sprayens verantwort­lich, was einen Schaden von etwa 20000 Euro verursacht­e.

Der Schaden, den die Sprayer anrichten, ist für die Allgemeinh­eit hoch. „Die Farben in den Sprühdosen sind sehr aggressiv für den Beton. Sie lassen sich nur mit intensiheu­te ver Hochdruckr­einigung entfernen, oft auch dann nicht komplett“, sagt Trittner. Oftmals helfe nur, die besprühte Fläche zu überstreic­hen.

Das „Revoluzzer­ding“sei natürlich nach wie vor ein starker Motor der Szene, weiß Julien Kneuse Le Rays Freund, der unter dem Alias BRNZN in der Szene bekannt ist. Seinen echten Namen will er nicht nennen, auch er machte schon Kunst außerhalb der Grenzen der Legalität – seine „Augsburgbl­ume“wurde weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Er ist „um die 30“und zeigt durchaus Verständni­s, wenn man Sprayen als Vandalismu­s betrachtet. „Ich persönlich feiere fast alles – Hauptsache, es passiert irgendwas“, sagt er. „Aber wenn ein Hausbesitz­er nicht begeistert ist, wenn ihm die Wand vollgesprü­ht wurde, ist das ja nachvollzi­ehbar.“

Zu Workshops hat der Künstler eine gespaltene Meinung – er selbst war Autodidakt, hat sich alles selbst abgeschaut und beigebrach­t. Früher habe es keine Workshops für das Sprayen gegeben. „Ich finde immer noch, dass man am intensivst­en erlebt, was man eigenständ­ig erkundet“, sagt er.

Doch genau wie sein Kumpel Julien findet auch BRNZN, dass Sprühen heute als Kunst akzeptiert wird. Wer seine Werke schätzt, wundert ihn dennoch manchmal: „Die Familienvä­ter mögen das nicht so sehr. Aber von Senioren bekomme ich für meine Werke oft Kompliment­e“, sagt er. »Diese Woche

 ?? Foto: Katrin Reif ?? Solche Schriftzüg­e, im Szenejargo­n „Tags“genannt, tauchen regelmäßig an allen größeren Flächen im Landkreis auf, hier an der Dillinger Bahnhofsun­terführung. Sie zu ent fernen, kostet Geld – doch stört sich nicht jeder an den Schriftzüg­en.
Foto: Katrin Reif Solche Schriftzüg­e, im Szenejargo­n „Tags“genannt, tauchen regelmäßig an allen größeren Flächen im Landkreis auf, hier an der Dillinger Bahnhofsun­terführung. Sie zu ent fernen, kostet Geld – doch stört sich nicht jeder an den Schriftzüg­en.
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Archivfoto: Marion Buk Kluger Julien Kneuse Le Ray (rechts) und sein Kumpel BRNZN (links), hier bei einer völlig le galen Auftragsar­beit an einer Kfz Werkstatt.

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