Graffiti: Zwischen Kunst und Ärger
Lebensstil „Sprayen“polarisiert. In Buttenwiesen gibt es dafür einen Workshop
Wertingen Nicht lang Farben anmischen, sondern gleich lossprühen. Das ist es, was der Wertinger Julien Kneuse Le Ray so schätzt an der Graffitikunst. „Es ist schnell, günstig, unkompliziert“, sagt Le Ray. Das hat ihn vor einigen Jahren am Sprühen begeistert.
Damals wie heute hatte er viele Vorbilder aus der ganzen Welt. Deren „Tags“, kunstvolle Schriftzüge, schaute er sich an und war fasziniert. Wie die allermeisten Sprayer habe er dann viel geübt, auch illegal, wo es eben Platz gab. Was seit jeher ein typisches Element der damals noch jungen Hip-Hop-Kultur gewesen sei, ist inzwischen seiner Ansicht nach erwachsen geworden. „Graffiti ist heute eine anerkannte Kunstform. Es gibt Ausstellungen und Galerien. Die Künstler und Fans sind ja auch älter geworden“, sagt Le Ray.
Doch gerade in jungen Jahren wollten sich die Sprayer meistens einen Namen machen, wie Le Ray erzählt. Und das geht in der Sprayerszene vor allen Dingen so, dass man seinen Namen so oft und so gut sichtbar es geht im eigenen Umkreis auf alles sprüht, was eine Fläche hat – Garagen, Lärmschutzwände, Verteilerkästen, Eisenbahnwaggons. „Bei vielen herrscht die Mentalität vor ‚Je mehr, desto besser‘ “, sagt der Künstler. „Ich persönlich bin eher der Ästhet.“
Die Kunstform hat sich in der Region etabliert. In Buttenwiesen findet beispielsweise ein Workshop statt, bei dem sich junge Interessierte darin unterrichten lassen können, wie man mit den bunten, klackernden Dosen am besten arbeitet. Sie lernen es von Lukas Kraus, der seine eigenen gesprühten Werke im Pfarrhof ausstellt. Doch Barbara Mahler stellt klar: „Bei unserem Workshop steht im Vordergrund, zu lernen, wie man Schriften dreidimensional darstellt. Das hat nichts mit Vandalismus zu tun.“
Die Polizisten der Dillinger Inspektion haben eine harsche Sicht auf die Szene. Für Wolfgang Trittner sind die Werke der Sprayer ein Thema, seit er bei der Polizei arbeitet. „Das hat es gegeben, als ich angefangen habe, und das wird auch nicht mehr verschwinden“, sagt der Polizist. Die meisten Schriftzüge, die an öffentlichen Flächen zu finden sind, fallen für ihn klar unter reine Sachbeschädigung. „Bei einem Großteil handelt es sich einfach um Gesudel, bei dem man auch mit bestem Willen nicht mehr von Kunst sprechen kann“, sagt Trittner. In der Nähe des neuen Edekas, an einem Bahnhäuschen, und diversen Schildern in Steinheim hat jemand „Sans-Soussi“nebst anderem Gekrakel hinterlassen. Ob er gefasst wird, ist fraglich. „Die Aufklärungsquote bei diesen Delikten ist nicht optimal“, sagt Trittner. Tatsächlich wurden im Jahr 2015 29 Fälle registriert, von denen acht aufgeklärt wurden. 2016 wurde ein Sprayer erwischt, als er an der Donaubrücke sprühte. Nach Ermittlungen der Polizei ist der 20-Jährige für mindestens 20 Fälle illegalen Sprayens verantwortlich, was einen Schaden von etwa 20000 Euro verursachte.
Der Schaden, den die Sprayer anrichten, ist für die Allgemeinheit hoch. „Die Farben in den Sprühdosen sind sehr aggressiv für den Beton. Sie lassen sich nur mit intensiheute ver Hochdruckreinigung entfernen, oft auch dann nicht komplett“, sagt Trittner. Oftmals helfe nur, die besprühte Fläche zu überstreichen.
Das „Revoluzzerding“sei natürlich nach wie vor ein starker Motor der Szene, weiß Julien Kneuse Le Rays Freund, der unter dem Alias BRNZN in der Szene bekannt ist. Seinen echten Namen will er nicht nennen, auch er machte schon Kunst außerhalb der Grenzen der Legalität – seine „Augsburgblume“wurde weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Er ist „um die 30“und zeigt durchaus Verständnis, wenn man Sprayen als Vandalismus betrachtet. „Ich persönlich feiere fast alles – Hauptsache, es passiert irgendwas“, sagt er. „Aber wenn ein Hausbesitzer nicht begeistert ist, wenn ihm die Wand vollgesprüht wurde, ist das ja nachvollziehbar.“
Zu Workshops hat der Künstler eine gespaltene Meinung – er selbst war Autodidakt, hat sich alles selbst abgeschaut und beigebracht. Früher habe es keine Workshops für das Sprayen gegeben. „Ich finde immer noch, dass man am intensivsten erlebt, was man eigenständig erkundet“, sagt er.
Doch genau wie sein Kumpel Julien findet auch BRNZN, dass Sprühen heute als Kunst akzeptiert wird. Wer seine Werke schätzt, wundert ihn dennoch manchmal: „Die Familienväter mögen das nicht so sehr. Aber von Senioren bekomme ich für meine Werke oft Komplimente“, sagt er. »Diese Woche