Das bittere Ende einer langen Leitung
Technik Immer mehr Telefonhäuschen im Landkreis verschwinden. Aber nicht alle
Landkreis Rund 30000 Telefonzellen, sogenannte Kabinen für die analoge Kommunikation, stehen laut Telekom in Deutschland. Von ursprünglich 110 000 im Jahr 2006, als das Mobiltelefon gerade begann, sich zu einem Massenprodukt zu entwickeln. Seither ist der Bestand an öffentlichen Telefonstellen rapide geschrumpft. In Bayern, das dem bundesweiten Minus-Trend gefolgt ist, sollen es noch etwa 2000 sein. Mit Jahresbeginn drückt der Betreiber beim Rückbau der Anlagen mächtig aufs Tempo. Doch es gibt noch ein paar Zellen, etwa in Bächingen, Lauingen, Donaualtheim oder Wertingen. Meist unbesetzt.
Dabei gehörte der knallgelbe Kasten mit abgerundeten Ecken, schwarz eingefassten Scheiben und schwarzem Griff früher zum Stadtbild. Inzwischen wurden sie, ebenso wie die magenta-farbenen neueren Ausführungen mit den dreieckigen spitzen Dächern, kontinuierlich abgebaut. Der gute alte „Fernsprecher“wurde von Handy und Smartphone abgehängt. Zum Bedauern der älteren Bürger.
Denn wer in den 70er- und 80erJahren aufwuchs, für den bedeutete ein solcher Kasten den Anschluss zur Welt. Oder wenigstens zum besten Freund, dessen Eltern schon ein Telefon ihr Eigen nannten. Der dunkle Hörer mit seiner langen Schnur lag in der Hand wie ein schwerer Hundeknochen. Bis die Verbindung mittels Wählscheibe oder später Drucktasten stand, dauerte es ewig. Im Winter war es in der Zelle eiskalt, im Sommer heiß. Dort hausten Spinnen, Käfer, Schnaken. Doch das war den Nutzern meist egal, schließlich konnte man für 20 Pfennig Dauergespräche führen. Die Folge waren dann Warteschlangen oder Wutausbrüche, wenn jemand gegen die Scheibe polterte oder die Tür aufriss: „Mach endlich Schluss.“
Nun will das Radio- und Telefonmuseum Wertingen ein gelbes Original mit der Modellbezeichnung „TelH78“aufstellen. Es soll eine Dauerleihgabe sein und die Schau mit mehr als 250 Exponaten rund um die Welt der menschlichen Verständigung bereichern. Beim Netzbetreiber sind diese Farb-Varianten, die er seit einiger Zeit für rund 600 Euro aufwärts angeboten hatte, bereits ausverkauft. Der Wertinger Peter Bogner, Mitarbeiter der örtlichen Museen und sonst als erfahrener Sondengänger mit jeweils interessanten Funden unterwegs, hat Exot unserer digitalisierten Epoche schon mal fachmännisch inspiziert. „Eine tolle Sache“, urteilt der ehemalige Lehrer, der üblicherweise lieber den Dingen unterhalb der Erdoberfläche nachspürt.
Das fanden vor einigen Jahren auch die Bürgervertreter der Stadt Höchstädt. Sie lehnten einen Antrag der deutschen Telekom auf Entfernung ab: „Es gibt noch Menschen, die kein Handy haben. Wenn wir die Zellen jetzt abbauen, bekommen wir nie wieder eine“, begründete Bürgermeister Stefan Lenz damals den negativen Entscheid.
Auch in Wittislingen kam die Entfernung der immer noch nostalgisch besetzten Geräte einst zur Sprache. Damals wurde dort gesagt, dass es gut sei, wenn so eine Einrichtung bleiben würde.
Holzheims Rathauschef Erhard Friegel dagegen sagt heute, er hätte sich für den Erhalt der Apparate stark gemacht, „wenn es der Bürger denn so gewollt hätte“. Aber das ist am Aschberg kein Thema mehr, auch wenn die Ellerbacher Bewohner mit Handy in einem „Funkloch“verharren müssen.
Dass die Kommunen bei dem Thema überhaupt mitreden und ein Veto einlegen können, liegt an dem Versorgungsauftrag der Telefonunternehmen. Sie müssen laut Gesetz sicherstellen, dass die Bevölkerung in Verbindung bleiben kann. Weil diese Verpflichtung für das gesamte Bundesgebiet galt, wurde der hohe Bestand an frei zugänglichen Telefonzellen erforderlich.
Doch die über Jahre gesunkene Nutzerzahl der öffentlichen Münzund Kartentelefone machte diese unrentabel.
Einerseits brachten sie kaum Umsatz, andererseits mussten sie aber gewartet und sauber gehalten werden. Beispiel: Ein Anschluss an einem Bahnhof im Landkreis verursachte monatliche Kosten von 50 Euro für Strom, Reinigung, Platzmiete sowie Wartung, die Einnahden men beliefen sich auf knapp 13 Euro.
„Die Telekom darf Städte und Gemeinden wegen eines Abbaus ansprechen, wenn auf deren Gebiet extrem unwirtschaftliche öffentliche Fernsprecher mit einem Umsatz von weniger als 50 Euro pro Monat stehen“, betonte ein Sprecher gegenüber unserer Zeitung. Und: „Die Zahl der Menschen ohne Handy nimmt täglich ab, man geht nicht mehr aus dem Haus und um die Ecke zum Telefonieren.“Laut Polizeihauptmeisterin Katharina von Rönn (Dillingen) gab es in den vergangenen zehn Jahren lediglich zehn Fälle von Sachbeschädigung. Etwa mit der Eisenstange eingeschlagene Scheiben oder ein mit Schwarzpulver weggesprengtes Zellendach. Ein Zwischenfall aus dem 2009 liegt auch schon einige Zeit zurück. Dabei wurde so ein Häuschen in Schretzheim einfach zerlegt – von einem umstürzenden, zuvor abgesägten Maibaum.