Donau Zeitung

„Da ist der Heilige Geist im Spiel“

Serie Der Leiter des Heilig-Geist-Stifts in Dillingen, Siegfried Huber, erlebt in seinem Alltag ganz besondere Momente

- VON CORDULA HOMANN

Dillingen Siegfried Huber kann sich gut an den Mann erinnern. 97 Jahre alt war der Bewohner des HeiligGeis­t-Stifts in Dillingen geworden. Irgendwann ging das Leben des alten Priesters zu Ende, und Heimleiter Huber kam, um sich zu verabschie­den. „Obwohl er im Sterben lag, lächelte der Mann und sagte: Wissen’s, in meinem Alter muss man auch gehen dürfen“, erinnert sich der heute 58-jährige Heimleiter. Und ist sich sicher: Bei diesem Bewohner war der Heilige Geist im Spiel. Der 94-jährige Priester war als Kaplan während des Zweiten Weltkriege­s bei einem Bombenangr­iff verschütte­t worden und hatte unter den Trümmern mit seinem Leben abgeschlos­sen. Da fiel eine zweite Bombe auf das Haus, und er war frei, erzählt der Heimleiter. „Und dann verabschie­det dieser Mann sich zum Schluss mit einem Lächeln. Wenn man so etwas erleben darf, das ist bewegend.“Seit 17 Jahren leitet Siegfried Huber das Heilig-Geist-Stift. 122 Betten, 19 Wohneinhei­ten in der Seniorenwo­hnanlage und rund 115 Mitarbeite­r hat die Einrichtun­g. Das entspricht einem mittelstän­dischen Unternehme­n, sagt Huber. Die Stelle sei für ihn ein Glücksfall. Denn dort kann der Diplom-Verwaltung­sfachwirt, der sich schon als Ministrant in der Kirche engagierte und später Jugendgrup­pen leitete, auch sozial tätig sein – für ihn eine „geniale Kombinatio­n“.

Für den Vater zweier erwachsene­r Söhne ist der Heilige Geist eine Grundhaltu­ng. Dass man die christ- lichen Werte verinnerli­cht und bereit sei, sie im Alltag zu leben. Es sei ein Geschenk von Gott, ein Angebot, eine Gnade. Huber kann sich den christlich­en Glauben ohne den Heiligen Geist nicht vorstellen.

Die beschriebe­ne Grundhaltu­ng beobachte er auch bei Mitarbeite­rn. Das sei im Umgang mit den Senioren mal ein Streicheln, die Hand reichen. Oder wenn ein Bewohner lächelt in einer Situation, „wo man sich gar nicht vorstellen kann, dass der Mensch das noch kann“.

Huber zählt weitere Beispiele für das Wirken des Heiligen Geistes auf: Die ehemalige Mitarbeite­rin, die seit ihrer Rente jeden einzelnen Tag mit Bewohnern den Rosenkranz betet. „Da muss man schon beseelt sein, um das zu machen“, findet der Leiter. Oder die Kollegen, die ehrenamtli­ch Demenzgott­esdienste, Hospizarbe­it und Krankenkom­munion unterstütz­en. Und die vielen Ehrenamtli­chen, die unter anderem das offene Singen anbieten. „Der Name Heilig-Geist-Stift soll nicht nur auf der Fahne stehen, sondern auch umgesetzt werden.“

Dazu gehören, wenn gewünscht, Abschiedsg­ottesdiens­te für verstorben­e Bewohner und alle halbe Jahr ein Gedenkgott­esdienst, wo noch mal an die Verstorben­en der vergangene­n Monate erinnert wird. Diese Gottesdien­ste finden in der hauseigene­n Kirche statt. Von ihr hat das Hospital auch seinen Namen – allerdings noch nicht so lang.

1257 hatten Graf Hartmann IV. und sein Sohn, Graf Hartmann V., die Stiftung gegründet. Sie sollte Arme, Kranke und Pilger aufnehmen. Einige Plätze waren für die heimische Bevölkerun­g reserviert. Doch erst als die Gebäude samt Kirche in den 1990er-Jahren saniert wurden, bekam die Hospitalst­iftung den Titel „Heilig-Geist-Stift“. Der neue Name sollte laut Huber nach außen zeigen, dass sich die Einrichtun­g, die nach wie vor unter Trägerscha­ft der Stiftung steht, von einem Alten- zu einem Pflegeheim entwickelt hat.

In Hubers Büro hängt die Hausordnun­g von 1879. Auch damals spielte der Glaube eine große Rolle. So lautet Paragraf fünf: „Gottesfurc­ht ist die einzige feste Grundlage christlich­er Hausordnun­g. Sämtliche Pfründeper­sonen haben daher den täglichen Hausandach­ten, nämlich: dem Morgen-, Abend- und Tischgebet­e, welche von einer Schwester laut verrichtet werden, mit größter Aufmerksam­keit beizuwohne­n und täglich für die Wohlthäter, geistliche und weltliche Obrigkeit zu beten.“Die kirchliche­n Riten, etwa beim Empfangen der Kommunion, kennen selbst schwer demenzkran­ke Menschen, erzählt Huber. Die Senioren würden immer später einziehen, der Trend gehe zum Schwerstpf­legebereic­h. Von den Bewohnern im Stift sterben im Jahr 50 bis 60 Personen. „Dem müssen wir gerecht werden. Es ist wichtig, dass wir eine Sterbekult­ur leben“, sagt der Heimleiter, der auch die Stiftung betreut. So werde mit den Bewohnern offen über das Ende und ihre Wünsche dafür gesprochen. Naht der Tod, werden die Angehörige­n und der Hospizvere­in informiert. Manchmal, erzählt der 58-Jährige, wollen Angehörige, den Sterbenden nicht gehen lassen, worunter dieser wiederum sehr leiden könne. Auch Hubers eigener Vater wurde im Dillinger Stift betreut. Dieser hatte sich mit dem Umzug in die Einrichtun­g schwergeta­n. Doch eines Tages sagte der Vater: „Mir geht’s gut hier, ich hab doch alles.“Die Hubers hatten sich damit versöhnt. Zwei Tage später schloss der Vater für immer seine Augen.

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Siegfried Huber, 58, leitet seit 17 Jahren das Heilig Geist Stift und die Hospital Stiftung in Dillingen. Im Hintergrun­d die Kirche, von der das Spital seinen Namen hat.
 ?? Fotos: Homann ?? Ein Blick durch das Gitter in den Altarraum der Spitalkirc­he zum Heiligen Geist. Über dem Altarbild schwebt die Taube als Dar stellung des Heiligen Geistes. Die Dillinger Pfarrei bietet auch in dieser Kirche Gottesdien­ste an.
Fotos: Homann Ein Blick durch das Gitter in den Altarraum der Spitalkirc­he zum Heiligen Geist. Über dem Altarbild schwebt die Taube als Dar stellung des Heiligen Geistes. Die Dillinger Pfarrei bietet auch in dieser Kirche Gottesdien­ste an.

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