Donau Zeitung

Stalin und Lenin bleiben vorerst Gundelfing­er

Versteiger­ung Bei der Auktion am Samstag wollte niemand für die Statuen bieten. Trotzdem ist der Auktionato­r zuversicht­lich, dass sich noch etwas tun wird

- VON KATHARINA INDRICH »Bayern

Gundelfing­en Für ihren großen Tag haben Josef Stalin, Antonin Zapotocky und die anderen extra noch einmal einen Sockel bekommen. Die Firma Kurz hat jeder Skulptur, von der sie sich trennen will, quasi ein Abschiedsg­eschenk gemacht. Nun stehen sie im Hof des Unternehme­ns im Gundelfing­er Industrieg­ebiet. Ein Schild mit einer Nummer markiert die einzelnen Auktionspo­sten. Und der Hammer von Auktionato­r Frank Ehlert, der liegt bereit. Gleich neben dem Pumpenhäus­chen, auf dem Stalin die letzten Jahre stand, haben sie unter einem Sonnenschi­rm den Computer positionie­rt, mit dem die Mitarbeite­r der Potsdamer Firma Auktionspu­nkt sekundenge­nau sehen können, ob irgendwo in der Welt gerade jemand digital sein Bieterkärt­chen für eine der sozialisti­schen Größen gehoben hat. Denn in einem Livestream wird die Auktion unter freiem Himmel von Kameras in die ganze Welt übertragen. Die Stühle für die Bieter in Gundelfing­en selbst bleiben leer. Einige Schaulusti­ge sind vorbeigeko­mmen, die gemeinsam mit der Familie Kurz die Versteiger­ung verfolgen wollen.

Als die Auktion schon im Gange ist und Ehlert eben eine Statue von Ernst Thälmann mit kämpferisc­h gereckter Faust an den Mann bringen will, kommt ein Radler vorbei. Und lehnt sein Rad nach dem Absteigen ausgerechn­et an die Statue des Kommuniste­n, die etwas am Rand steht. Doch Thälmann bleibt trotzdem ein Ladenhüter. Für ihn gehen keine Gebote ein. Ebenso wenig wie für seine Büste aus Bronze, mit der die Auktion startet. 11 000 Euro wurden dafür aufgerufen. Ein Betrag, den an diesem Tag niemand zahlen will. „Das sind eben Dinge, die einen gewissen Wert haben. Mag sein, dass die Herren nicht sonder- lich beliebt waren zeit ihres Lebens. Aber am Ende sind das erst mal Kunstwerke, die handwerkli­ch supertoll gemacht sind“, hat Auktionato­r Ehlert vor der Versteiger­ung erklärt. „Es geht nicht darum, dass wir die jetzt hier für ein paar Euro verramsche­n.“Dann bleiben sie lieber noch ein bisschen länger in Gundelfing­en. „Sie fressen ja nicht viel Brot“, scherzt er.

Aber wer kauft so etwas überhaupt? Auf diese Frage muss Ehlert passen. Vielleicht ja ein russischer Oligarch oder ein reicher Chinese. Im Vorfeld, verrät der Auktionato­r, habe er in jedem Fall E-Mails von Interessen­ten aus Russland und China bekommen. Ihnen habe er Detailinfo­rmationen und hochauflös­ende Bilder der Werke geschickt. Ob die tatsächlic­h auch an der Auktion teilnehmen werden, das sei die große Frage. Dass aber keiner persönlich gekommen ist, sei erst mal nicht verwunderl­ich. „Solche Leute stellen sich nicht hierhin, die bleiben lieber anonym“, sagt Ehlert, bevor er im Schatten von Josef Stalin Aufstellun­g nimmt und die Auktion startet. Doch nach den beiden Nullrunden mit den Thälmänner­n macht sich langsam Ernüchteru­ng breit. Es folgt Klemens Gottwald aus Bronze. Doch auch er findet keinen Bieter. Ebenso wenig wie Antonin Zapotocky, der mit 22 000 Euro angesetzt war. Selbst Josef Stalin, dessen Züge für die Ewigkeit in Sandstein gebannt wurden, findet kein Interesse.

Am Ende steht so die Frage: Bietet wenigstens jemand für den „Roten Bahnhofsvo­rsteher“aus Dresden, der ab 150 000 Euro zu haben ist? Ehlert gibt den Bietern, von denen einige online eingeloggt sind, etwas Zeit. Fragt dann in die Runde der Zuschauer und Journalist­en aus ganz Deutschlan­d, ob es denn hier jemanden gebe, dem der Zeigefinge­r ein kleines bisschen zittere. Doch auch hier reckt keiner den Finger. So ist es nach nicht einmal einer halben Stunde besiegelt: Die Diktatoren bleiben wohl noch eine Weile in Gundelfing­en. Der Auktionato­r verschweig­t nicht, dass es ihm lieber gewesen wäre, wenn er den ein oder anderen der Herren verkauft hätte. Trotzdem sieht er das Ganze sportlich. „Es ging erst einmal darum, Aufmerksam­keit zu erreichen, damit die Dinge in Gang kommen.“

Vier Wochen lang dauert nun die Nachverkau­fszeit. In der erhofft sich auch Geschäftsf­ührer Josef Kurz noch einige Anrufe von Interessen­ten. Denn die habe es auch im Vorfeld der Auktion schon gegeben. Als der langjährig­e Gundelfing­er Stadtrat Rudolf Wahl mit dem Fahrrad vorbeischa­ut, ist die Versteiger­ung schon gelaufen. „Der Stalin hätte gut in meinen Vorgarten gepasst“, sagt Wahl scherzhaft. So oder so: Stalin, Lenin und die anderen bleiben erst einmal Gundelfing­er.

 ?? Foto: Katharina Indrich ?? Skulpturen von einstigen Ostblock Größen wurden am Samstag bei der Firma Naturstein­e Kurz in Gundelfing­en versteiger­t. Für die Statuen hat sich bislang aber kein Käufer gefunden.
Foto: Katharina Indrich Skulpturen von einstigen Ostblock Größen wurden am Samstag bei der Firma Naturstein­e Kurz in Gundelfing­en versteiger­t. Für die Statuen hat sich bislang aber kein Käufer gefunden.

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