Stalin und Lenin bleiben vorerst Gundelfinger
Versteigerung Bei der Auktion am Samstag wollte niemand für die Statuen bieten. Trotzdem ist der Auktionator zuversichtlich, dass sich noch etwas tun wird
Gundelfingen Für ihren großen Tag haben Josef Stalin, Antonin Zapotocky und die anderen extra noch einmal einen Sockel bekommen. Die Firma Kurz hat jeder Skulptur, von der sie sich trennen will, quasi ein Abschiedsgeschenk gemacht. Nun stehen sie im Hof des Unternehmens im Gundelfinger Industriegebiet. Ein Schild mit einer Nummer markiert die einzelnen Auktionsposten. Und der Hammer von Auktionator Frank Ehlert, der liegt bereit. Gleich neben dem Pumpenhäuschen, auf dem Stalin die letzten Jahre stand, haben sie unter einem Sonnenschirm den Computer positioniert, mit dem die Mitarbeiter der Potsdamer Firma Auktionspunkt sekundengenau sehen können, ob irgendwo in der Welt gerade jemand digital sein Bieterkärtchen für eine der sozialistischen Größen gehoben hat. Denn in einem Livestream wird die Auktion unter freiem Himmel von Kameras in die ganze Welt übertragen. Die Stühle für die Bieter in Gundelfingen selbst bleiben leer. Einige Schaulustige sind vorbeigekommen, die gemeinsam mit der Familie Kurz die Versteigerung verfolgen wollen.
Als die Auktion schon im Gange ist und Ehlert eben eine Statue von Ernst Thälmann mit kämpferisch gereckter Faust an den Mann bringen will, kommt ein Radler vorbei. Und lehnt sein Rad nach dem Absteigen ausgerechnet an die Statue des Kommunisten, die etwas am Rand steht. Doch Thälmann bleibt trotzdem ein Ladenhüter. Für ihn gehen keine Gebote ein. Ebenso wenig wie für seine Büste aus Bronze, mit der die Auktion startet. 11 000 Euro wurden dafür aufgerufen. Ein Betrag, den an diesem Tag niemand zahlen will. „Das sind eben Dinge, die einen gewissen Wert haben. Mag sein, dass die Herren nicht sonder- lich beliebt waren zeit ihres Lebens. Aber am Ende sind das erst mal Kunstwerke, die handwerklich supertoll gemacht sind“, hat Auktionator Ehlert vor der Versteigerung erklärt. „Es geht nicht darum, dass wir die jetzt hier für ein paar Euro verramschen.“Dann bleiben sie lieber noch ein bisschen länger in Gundelfingen. „Sie fressen ja nicht viel Brot“, scherzt er.
Aber wer kauft so etwas überhaupt? Auf diese Frage muss Ehlert passen. Vielleicht ja ein russischer Oligarch oder ein reicher Chinese. Im Vorfeld, verrät der Auktionator, habe er in jedem Fall E-Mails von Interessenten aus Russland und China bekommen. Ihnen habe er Detailinformationen und hochauflösende Bilder der Werke geschickt. Ob die tatsächlich auch an der Auktion teilnehmen werden, das sei die große Frage. Dass aber keiner persönlich gekommen ist, sei erst mal nicht verwunderlich. „Solche Leute stellen sich nicht hierhin, die bleiben lieber anonym“, sagt Ehlert, bevor er im Schatten von Josef Stalin Aufstellung nimmt und die Auktion startet. Doch nach den beiden Nullrunden mit den Thälmännern macht sich langsam Ernüchterung breit. Es folgt Klemens Gottwald aus Bronze. Doch auch er findet keinen Bieter. Ebenso wenig wie Antonin Zapotocky, der mit 22 000 Euro angesetzt war. Selbst Josef Stalin, dessen Züge für die Ewigkeit in Sandstein gebannt wurden, findet kein Interesse.
Am Ende steht so die Frage: Bietet wenigstens jemand für den „Roten Bahnhofsvorsteher“aus Dresden, der ab 150 000 Euro zu haben ist? Ehlert gibt den Bietern, von denen einige online eingeloggt sind, etwas Zeit. Fragt dann in die Runde der Zuschauer und Journalisten aus ganz Deutschland, ob es denn hier jemanden gebe, dem der Zeigefinger ein kleines bisschen zittere. Doch auch hier reckt keiner den Finger. So ist es nach nicht einmal einer halben Stunde besiegelt: Die Diktatoren bleiben wohl noch eine Weile in Gundelfingen. Der Auktionator verschweigt nicht, dass es ihm lieber gewesen wäre, wenn er den ein oder anderen der Herren verkauft hätte. Trotzdem sieht er das Ganze sportlich. „Es ging erst einmal darum, Aufmerksamkeit zu erreichen, damit die Dinge in Gang kommen.“
Vier Wochen lang dauert nun die Nachverkaufszeit. In der erhofft sich auch Geschäftsführer Josef Kurz noch einige Anrufe von Interessenten. Denn die habe es auch im Vorfeld der Auktion schon gegeben. Als der langjährige Gundelfinger Stadtrat Rudolf Wahl mit dem Fahrrad vorbeischaut, ist die Versteigerung schon gelaufen. „Der Stalin hätte gut in meinen Vorgarten gepasst“, sagt Wahl scherzhaft. So oder so: Stalin, Lenin und die anderen bleiben erst einmal Gundelfinger.