Amjad im Glück
Serie Der 20-jährige Syrer nimmt sein Schicksal an und versucht, das Beste daraus zu machen. Jetzt mixt er Cocktails und serviert Cappuccino. Doch sein Traum ist ein anderer
Dillingen Ist jeder seines Glückes Schmied? Oder lächelt das Glück einigen und anderen einfach nicht? Sicherlich haben sich schon viele diese Frage gestellt. So wie der 20-jährige Amjad Al Khabbaz. „Ich habe viel Glück“, sagt der junge Syrer und zeigt sein breites Lächeln. Allerdings hat er selbst die Weichen dafür gestellt. Und letztendlich half ihm sein positives Denken.
Eigentlich hatte Amjad kein Glück, in eine Zeit hineingeboren zu sein, in der Syrien von einem scheinbar nicht enden wollenden Krieg heimgesucht wird. „Manche Ereignisse, auf die wir in unserem Leben stoßen, haben wir nicht selbst in der Hand“, sagt er. „Aber wir haben immer die Wahl, uns zu entscheiden, wie wir uns angesichts dieser Ereignisse verhalten wollen und welche Ziele wir uns stecken“. Lebte er noch in Syrien, wäre er sicherlich ein bewaffneter Kämpfer im Krieg oder vielleicht schon tot.
Jedoch hatte der junge Mann aus Syrien bereits 2012 die ersten Schritte für ein besseres Leben unternommen: „Damals bin ich mit meiner Familie nach Jordanien geflohen“, berichtet Amjad. In Jordanien hatte die Familie eine Wohnung gemietet. „Aber Syrern war es verboten, dort legal zu arbeiten“, so der junge Mann. In einem Land zu überleben, das schon viele Flüchtlinge aufgenommen hatte, war sehr schwierig. Amjad hatte sich als Schneider durchgeschlagen. „Die Qualität der Schulen dort ist zudem sehr, sehr schlecht, es war egal, ob man hingeht oder nicht. Um zu überleben, musste man arbeiten.“
Ein Mal mehr könnte man sagen, dass das Glück Amjad definitiv nicht angelacht hat. Als Ältester von sieben Kindern entschloss sich Amjad Ende 2015, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und floh erneut. Dieses Mal alleine und ohne Von Jordanien ging es zunächst in die Türkei, dann mit dem Schiff nachts nach Griechenland. „Ich weiß, dass die Flucht über das Meer sehr gefährlich ist. Aber meine Flucht Anfang 2016 ging insgesamt sehr schnell, ich brauchte von der Türkei nach Deutschland nur eine Woche. Ich bin zu Fuß gegangen und mit dem Bus und Zug gefahren“, erzählt Amjad weiter.
Nach einem kurzen Aufenthalt in München verschlug es den jungen Syrer nach Unterbechingen, wo er in einem Haus mit anderen Asylbewerbern untergebracht war. „Alle Leute waren sehr freundlich und ich hatte viel Glück, dass sich sehr nette und engagierte Betreuer um mich gekümmert haben.“Auch die notwendigen Aufenthaltspapiere waren in Kürze da. In der Berufsschule in Höchstädt fühlte er sich sofort wohl. Die Ehrenamtlichen waren es auch, die mit ihm mehrere Bewerbungen für Praktika formulierten, sodass Amjad bereits in die Berufe Industriemechaniker und Elektriker schnuppern konnte. Im Anschluss fand er dank der Intervention seiner Betreuer auch eine Wohnung in Dillingen, über dem Lucaffé.
Kurz nach dem Einzug fragte Amjad seinen Vermieter, Sinan Göcmen, zugleich Eigentümer des kleinen Cafés in der Königstraße, ob er vielleicht gelegentlich aushelfen könnte, und der sagte gleich zu. „Am Anfang habe ich die Speisekarte, die Namen der Getränke und die dazugehörigen Preise wie ein Schulbuch gelernt. Es war wirklich nicht einfach. Ich wollte nach der ersten Woche schon aufgeben“, berichtet er von Verständigungsschwierigkeiten. Einmal sollten gleich zwölf Gäste auf einen Schlag kommen, als er kurz alleine war.
Die Bestellungen gingen von Cappuccino über Cocktails bis hin zu Pizza. „Ich glaube, ich habe alles falsch gemacht“, erzählt er lachend. Aber wiederum sollte ihn das Glück treffen, denn die Gäste zeigten sich allesamt verständnisvoll. Und keiner habe sich beim Chef beschwert. „Amjad ist ein super Junge. Er lernt
Auf der Flucht
schnell und ist jemand, der etwas erreichen kann, wenn man ihm die Chance dazu gibt“, sagt Sinan Göcmen. Amjad gefällt die Arbeit nicht nur hinter dem Tresen.
„Der Kontakt mit den Gästen macht mir großen Spaß, vor allem, weil sie meistens mit guter Laune ins Café kommen. Das Ambiente empFamilie. finde ich als sehr angenehm.“Und was kann er an einem heißen Sommertag empfehlen?
Eine Eisschokolade natürlich: „Das ist ganz einfach: Drei Kugeln Schokoladeneis, ein Teelöffel Kaba und ein halbes Glas Milch und etwas Sahne“, verrät er und zeigt, was er bereits gelernt hat. Aber eigentlich strebt Amjad einen anderen Beruf an.
Er ist technisch versiert und will einmal als Elektriker sein Glück versuchen. (mit bäs)
Bei der Übersetzung half Katharina Hillenbrand vom Asylhelferkreis Buttenwiesen.