Als ein „Riesenvogel“im Donauried landete
Vor 50 Jahren Ein russischer Pilot legte am Fronleichnamstag 1967 eine Notlandung im Donauried bei Höchstädt hin. Der Wirbel war gewaltig
Dillingen Franz Schuster weiß nicht genau, wie oft er diese Geschichte hat erzählen müssen. Das Ereignis verfolgt den 77-jährigen Dillinger jedenfalls sein ganzes Leben. Am Fronleichnamstag 1967 hatte sich der Elektriker ins Donauried zwischen Höchstädt und Binswangen aufgemacht, um dort seltene Vögel zu beobachten und zu fotografieren. Was er dann plötzlich im Sucher seines Fernglases entdeckte, war der seltenste „Vogel“, den Schuster bis dahin zu Gesicht bekommen hatte. Unsere Zeitung schrieb damals: „Silbrig glänzend liegt im kniehohen Gras der sumpfigen Wiesen ein – Düsenjäger.“Auf dem hoch aufragenden Leitwerk der Maschine prangte hellrot der Sowjetstern. Und Franz Schuster war vor Ort der erste Zeuge der aufsehenerregenden Notlandung des russischen Oberleutnants Wassilij Iljitsch Epatko, der an diesem Donnerstagmittag während des Kalten Kriegs mit einem Düsenjäger des Typs MiG 17 in die Bundesrepublik Deutschland geflüchtet war.
Der Fall sorgte in ganz Deutschland und auch im damaligen Ostblock für Aufsehen. Das sowjetische Kampfflugzeug war immerhin 180 Kilometer ungehindert in den bundesdeutschen Luftraum eingedrungen. Offiziere der Bundeswehr zollten dem Piloten „höchste Anerkennung“für die Notlandung des „Riesenvogels“. Epatko hatte lediglich eine 500 Meter lange Schleifspur auf den Wiesen hinterlassen und zwei Fernsprechleitungen abgerissen.
Der 27-jährige Franz Schuster war der erste, der „dem Mann vom anderen Stern“begegnete. Es begann ein kurioser Dialog. „Maschin kaputt?“, fragte der Dillinger den Russen. „Ja kaputt“, antwortete der Pilot. „Wo ich?“– „In Deutschland“, sagte Schuster. „Ost?“, fragte Epatko. „Nein, West.“– „Was machen?“– „Amerikanisch Militär.“Franz Schuster erläuterte dem Oberleutnant, dass die nächste USEinheit in Augsburg liegt. Er brachte den Piloten schließlich mit dem Auto in die Dillinger Kaserne. Amerikanische Soldaten und die deutsche Polizei riegelten den Landeplatz hermetisch ab. Schwerbewaffnete GIs patrouillierten um die Maschine. Hunderte Schaulustige rückten aus der näheren und weiteren Umgebung an. Beamte der USBotschaft holten den 25-jährigen Epatko schließlich in Dillingen ab, das zwischenzeitlich zerlegte Flugzeug transportierten die Amerikaner mit einem Tieflader ab.
Franz Schuster wird immer wieder über die Notlandung ausgefragt. Es sei aber falsch, dass er in der Aufregung vergessen habe, die Maschine zu fotografieren. Der Dillinger hatte ein 400-er-Teleobjektiv auf der Kamera. „Ich habe eine Aufnahme gemacht, sie war wegen des Luftflimmerns aber nicht scharf.“
Ohnehin hatte ein Fehler diese heutige Geschichte ins Rollen gebracht. In unserem Service-Teil hatten wir im Kalenderblatt über die Notlandung berichtet. Joe Schmid aus Burghagel thematisierte in einem Leserbrief das spektakuläre Ereignis vor 50 Jahren. „Ich kann mich noch gut an den roten Stern am Leitwerk des Silber glänzenden Militärjets erinnern“, schrieb Schmid. Er ist damals an Fronleichnam als 17-Jähriger mit dem Fahrrad von Eppisburg aus zur Landestelle gefahren. Versehentlich hatte unsere Zeitung beim Abdruck von Schmids Brief aus Oberleutnant Epatko einen Oberstleutnant gemacht – und bei der Verbesserung nochmals eine Panne verursacht.
Zum Glück, denn dies machte den Gundelfinger Georg Hammer auf die Notlandung von 1967 aufmerksam. Der heute 73-jährige war damals bei der Bundeswehr in Leipheim stationiert. Er arbeitete in der Bildstelle. „Als Flugunfallfotograf war ich überall in Deutschland unterwegs“, sagt Hammer. „Die G 91-Flugzeuge sind runtergefallen wie die Fliegen.“Nach der Notlandung des Kampfjets im Donauried erhielt Hammer den Auftrag, die Maschine zu fotografieren. Er hat die Aufnahmen unserer Zeitung zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.
Der Anblick des weitgehend unbeschädigten Düsenjägers überraschte Georg Hammer. „Normalerweise gibt’s das nicht, dass er mit einer MiG einfach im Ried landen kann“, sagt der 73-Jährige. Der Gundelfinger hat die Geschichte, dass Epatko geflohen ist und um Asyl gebeten hat, nie so recht glauben können.