„Wir werden uns nicht anpassen“
Präsident israelitischer Kultusgemeinde zur Antisemitismus-Frage
Die Weihe eines Mannes zum Diakon trotz KZ-Witzen in Eichstätt sorgt für Diskussionen; um die TV-Doku „Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“wird heftig gestritten; der Präsident des Zentralrats der Juden hat kürzlich bei uns im Interview über einen schleichend wieder salonfähig werdenden Antisemitismus in Deutschland gesprochen. Wo sehen Sie Grenzen überschritten? Alexander Mazo: Zum Beispiel eindeutig bei einer Reaktion in Ihrer Zeitung auf dieses Interview. Verstörend, wie da ein Leser die Juden der ganzen Welt aufforderte, sich der Allgemeinheit anzupassen. Man hätte fast meinen können, man hätte ein historisches Dokument vor Augen, einen traurigen Beweis aus fernen Zeiten. Und dann hielt Ihre Zeitung das auch noch für werthaltig genug, um es zu veröffentlichen.
Sie sehen die Grenzen der Meinungsfreiheit hier überschritten. Warum? Alexander Mazo: Augenscheinlich sieht hier jemand in der angeblichen Unangepasstheit der Juden eine Rechtfertigung für die Aggressivität ihnen gegenüber. Augenscheinlich werden nun die Opfer für die Gräueltaten verantwortlich gemacht, die ihnen angetan wurden.
Und was entgegnen Sie dem Vorwurf der Unangepasstheit? Alexander Mazo: Wir, Juden, werden uns nicht anpassen. Genauso wie vor tausend oder vor 85 Jahren werden wir zu unserem Glauben, zu unseren Traditionen und Werten stehen. Und wir gehen davon aus, dass in unserer modernen Welt, in unserer Stadt, der Friedensstadt Augsburg, das Anderssein niemals mit Intoleranz oder gar Aggression „bestraft“werden darf. Die Werte unserer multikulturellen und multikonfessionellen Gesellschaft dürfen nicht zu leeren Floskeln verkommen. Doch dafür ist keine Angepasstheit, sondern die Vielfalt die Voraussetzung. (ws)