Wer ist der Katzenmörder?
Prozess Seit Jahren werden in einem Dorf im Landkreis Tiere erschossen. Ein 60-Jähriger stand jetzt vor Gericht. Ausgestattet mit internen Polizeiunterlagen, die ihm zugespielt wurden
Landkreis Wenn Katzen ihren Besitzern eine Freude machen wollen, legen sie ihnen gerne einmal ein erlegtes Tier vor die Haustür. Eine Freude aber wollte der 60-jährige Mann aus einem Dorf im Landkreis Dillingen seiner Nachbarin nicht machen, als er ihr im September 2015 eine erschlagene Katze vor das Auto legte. Vielmehr habe er sie damit ärgern wollen. „Ich habe sie abends hingelegt, und dann war ich mit mir und meiner Welt zufrieden.“
Doch weil an diesem Tag nicht nur die tote Katze vor dem Auto lag, sondern auch eine erschossene im Hof der Nachbarin zusammengebrochen war und nachdem bereits einige Monate vorher eine Katze dort ihren Schussverletzungen erlegen war, musste sich der 60-Jährige jetzt vor dem Amtsgericht Dillingen verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, die Tiere getötet zu haben. Außerdem wurden bei ihm bei einer Durchsuchung auch eine Reihe von Waffen sichergestellt, ein Teil davon erlaubnispflichtig.
Doch der 60-Jährige beteuerte im Prozess vor Richterin Beate Bernard, dass er weder eine Katze erschossen noch erschlagen habe. Zumindest nicht diesmal. „Ich habe früher Katzen geschossen. Aber das ist schon über zehn Jahre her“, gab der Mann zu. Immer wieder seien Tiere, die die Nachbarn fütterten, auf seinem Grundstück umhergelaufen und hätten seine Hunde verrückt gemacht. Der Nachbar habe behauptet, dass die Katzen nicht zu ihm kämen. So streckte er eines Tages eine nieder und brachte sie ihm dann als Beweismittel vorbei. Auf die entgeisterte Frage von Richterin Beate Bernard, warum er denn nicht einfach ein Foto gemacht habe, antwortete der 60-Jährige trocken: „Ich hab’s halt geschossen. Das konnte ich besser als Fotografieren.“Zwischenzeitlich habe ihm seine Frau aber verboten, weiter auf Katzen zu schießen. Und deswegen habe er es auch nicht mehr getan. Überhaupt, so der Mann, hätte er die Tiere durch die dichte Thujahecke an der Grenze zum Nachbarn nicht treffen können. Und es habe schließlich auch keine Blutspur zu seinem Grundstück herübergeführt.
Auch dafür, dass ein Nachbar ihn am Abend, bevor die erschlagene Katze vor dem Auto der Nachbarin gefunden wurde, mit einer Schaufel hantieren hörte, an der später von Polizei auf der Unterseite Blutspuren und Katzenhaare festgestellt wurden, hatte er eine Erklärung. Denn an eben jenem Nachmittag habe er einem befreundeten Landwirt nach einem Brand bei Aufräumarbeiten geholfen. Dabei habe man das Scheunentor umgelegt. Und als man es weggetragen habe, sei eine tote Katze darunter herausgekommen. Eben jene, die er der Nachbarin dann vor das Auto gelegt habe. Mithilfe der Schaufel.
Die Geschichte mit der vom Scheunentor erschlagenen Katze bestätigte der Landwirt, der in dem achtstündigen Marathonprozess als Zeuge geladen war. Doch da gab es auch noch einige andere Zeugen. So wie die ehemalige Mieterin. Die erzählte, der 60-Jährige habe in den Jahren, in denen sie nebenan wohnder te, immer wieder tote Katzen in Plastiktüten in ihrem Mülleimer entsorgt. Dass er es gewesen sei, habe er ihr auch so gesagt. „Er hat gemeint, die nerven, werden überall mehr und dass man etwas dagegen tun muss.“
Auch eine andere Nachbarin, die die herrenlosen Katzen in ihrer Garage fütterte, war sich sicher, dass der 60-Jährige die Katzen getötet hat. Selbst gesehen allerdings habe sie es nie. „Aber das war nicht gerecht, es ist unmöglich, so kleine Tiere, die niemandem etwas getan haben“, klagte die 81-Jährige. Mindestens zehn Katzen seien so über die Jahre verschwunden. Das habe bei vielen Anwohnern für Betroffenheit gesorgt. Aber nicht bei allen. So habe auch ein anderer Nachbar im Angesicht einer der getöteten Katzen einmal geäußert, dass er sie am liebsten alle totschlagen und ihr hinhängen würde. Eben jener Nachbar, der dem 60-Jährigen gemeinsam mit seiner Frau ein Alibi für einen der Tattage gab. Denn der habe, als ein Schuss durch den Ort gellte, gerade mit ihnen auf ihrem Balkon gestanden.
Und zwar gegen 19 Uhr. Doch da gab es noch diesen Facebook-Post seiner Frau. Die hatte darin gefragt, wer denn heute Abend noch auf dem Streetfoodmarkt in Augsburg sei. Um 19.02 Uhr. Als Ortsmarke war bei der Frage Augsburg genannt. War das Paar zu der Zeit also schon in Augsburg und das Alibi ein falsches? Die beiden blieben – mit dem Post konfrontiert – bei ihrer Aussage. Und zeigten der Richterin live mit ihrem Handy, dass es möglich ist, einen Aufenthaltsort einzugeben, an dem man sich gar nicht wirklich befindet. Etwa das Landgericht Augsburg.
Nachdem auch ein Zeuge, dem der 60-Jährige gestanden haben soll, dass er bereits 40 Katzen erschossen hat, aussagte, dass er ihm lediglich gesagt habe, er werde dessen verdächtigt, stellte das Gericht das Verfahren schließlich gegen eine Geldauflage von 600 Euro ein.
Ein Nachspiel könnte es dafür aber bei der Dillinger Polizei geben. Denn in den Prozess hatte der 60-Jährige eine Akte von der Hausdurchsuchung mitgebracht, die ihm ein Unbekannter in den Briefkasten geworfen habe. Doch dabei handelte es sich um internes Polizeimaterial, das nicht einmal in der Akte für die Staatsanwaltschaft auftaucht. Wie das Dokument zum Angeklagten kam, muss jetzt ermittelt werden.