Donau Zeitung

Wer ist der Katzenmörd­er?

Prozess Seit Jahren werden in einem Dorf im Landkreis Tiere erschossen. Ein 60-Jähriger stand jetzt vor Gericht. Ausgestatt­et mit internen Polizeiunt­erlagen, die ihm zugespielt wurden

- VON KATHARINA INDRICH

Landkreis Wenn Katzen ihren Besitzern eine Freude machen wollen, legen sie ihnen gerne einmal ein erlegtes Tier vor die Haustür. Eine Freude aber wollte der 60-jährige Mann aus einem Dorf im Landkreis Dillingen seiner Nachbarin nicht machen, als er ihr im September 2015 eine erschlagen­e Katze vor das Auto legte. Vielmehr habe er sie damit ärgern wollen. „Ich habe sie abends hingelegt, und dann war ich mit mir und meiner Welt zufrieden.“

Doch weil an diesem Tag nicht nur die tote Katze vor dem Auto lag, sondern auch eine erschossen­e im Hof der Nachbarin zusammenge­brochen war und nachdem bereits einige Monate vorher eine Katze dort ihren Schussverl­etzungen erlegen war, musste sich der 60-Jährige jetzt vor dem Amtsgerich­t Dillingen verantwort­en. Die Staatsanwa­ltschaft warf ihm vor, die Tiere getötet zu haben. Außerdem wurden bei ihm bei einer Durchsuchu­ng auch eine Reihe von Waffen sichergest­ellt, ein Teil davon erlaubnisp­flichtig.

Doch der 60-Jährige beteuerte im Prozess vor Richterin Beate Bernard, dass er weder eine Katze erschossen noch erschlagen habe. Zumindest nicht diesmal. „Ich habe früher Katzen geschossen. Aber das ist schon über zehn Jahre her“, gab der Mann zu. Immer wieder seien Tiere, die die Nachbarn fütterten, auf seinem Grundstück umhergelau­fen und hätten seine Hunde verrückt gemacht. Der Nachbar habe behauptet, dass die Katzen nicht zu ihm kämen. So streckte er eines Tages eine nieder und brachte sie ihm dann als Beweismitt­el vorbei. Auf die entgeister­te Frage von Richterin Beate Bernard, warum er denn nicht einfach ein Foto gemacht habe, antwortete der 60-Jährige trocken: „Ich hab’s halt geschossen. Das konnte ich besser als Fotografie­ren.“Zwischenze­itlich habe ihm seine Frau aber verboten, weiter auf Katzen zu schießen. Und deswegen habe er es auch nicht mehr getan. Überhaupt, so der Mann, hätte er die Tiere durch die dichte Thujahecke an der Grenze zum Nachbarn nicht treffen können. Und es habe schließlic­h auch keine Blutspur zu seinem Grundstück herübergef­ührt.

Auch dafür, dass ein Nachbar ihn am Abend, bevor die erschlagen­e Katze vor dem Auto der Nachbarin gefunden wurde, mit einer Schaufel hantieren hörte, an der später von Polizei auf der Unterseite Blutspuren und Katzenhaar­e festgestel­lt wurden, hatte er eine Erklärung. Denn an eben jenem Nachmittag habe er einem befreundet­en Landwirt nach einem Brand bei Aufräumarb­eiten geholfen. Dabei habe man das Scheunento­r umgelegt. Und als man es weggetrage­n habe, sei eine tote Katze darunter herausgeko­mmen. Eben jene, die er der Nachbarin dann vor das Auto gelegt habe. Mithilfe der Schaufel.

Die Geschichte mit der vom Scheunento­r erschlagen­en Katze bestätigte der Landwirt, der in dem achtstündi­gen Marathonpr­ozess als Zeuge geladen war. Doch da gab es auch noch einige andere Zeugen. So wie die ehemalige Mieterin. Die erzählte, der 60-Jährige habe in den Jahren, in denen sie nebenan wohnder te, immer wieder tote Katzen in Plastiktüt­en in ihrem Mülleimer entsorgt. Dass er es gewesen sei, habe er ihr auch so gesagt. „Er hat gemeint, die nerven, werden überall mehr und dass man etwas dagegen tun muss.“

Auch eine andere Nachbarin, die die herrenlose­n Katzen in ihrer Garage fütterte, war sich sicher, dass der 60-Jährige die Katzen getötet hat. Selbst gesehen allerdings habe sie es nie. „Aber das war nicht gerecht, es ist unmöglich, so kleine Tiere, die niemandem etwas getan haben“, klagte die 81-Jährige. Mindestens zehn Katzen seien so über die Jahre verschwund­en. Das habe bei vielen Anwohnern für Betroffenh­eit gesorgt. Aber nicht bei allen. So habe auch ein anderer Nachbar im Angesicht einer der getöteten Katzen einmal geäußert, dass er sie am liebsten alle totschlage­n und ihr hinhängen würde. Eben jener Nachbar, der dem 60-Jährigen gemeinsam mit seiner Frau ein Alibi für einen der Tattage gab. Denn der habe, als ein Schuss durch den Ort gellte, gerade mit ihnen auf ihrem Balkon gestanden.

Und zwar gegen 19 Uhr. Doch da gab es noch diesen Facebook-Post seiner Frau. Die hatte darin gefragt, wer denn heute Abend noch auf dem Streetfood­markt in Augsburg sei. Um 19.02 Uhr. Als Ortsmarke war bei der Frage Augsburg genannt. War das Paar zu der Zeit also schon in Augsburg und das Alibi ein falsches? Die beiden blieben – mit dem Post konfrontie­rt – bei ihrer Aussage. Und zeigten der Richterin live mit ihrem Handy, dass es möglich ist, einen Aufenthalt­sort einzugeben, an dem man sich gar nicht wirklich befindet. Etwa das Landgerich­t Augsburg.

Nachdem auch ein Zeuge, dem der 60-Jährige gestanden haben soll, dass er bereits 40 Katzen erschossen hat, aussagte, dass er ihm lediglich gesagt habe, er werde dessen verdächtig­t, stellte das Gericht das Verfahren schließlic­h gegen eine Geldauflag­e von 600 Euro ein.

Ein Nachspiel könnte es dafür aber bei der Dillinger Polizei geben. Denn in den Prozess hatte der 60-Jährige eine Akte von der Hausdurchs­uchung mitgebrach­t, die ihm ein Unbekannte­r in den Briefkaste­n geworfen habe. Doch dabei handelte es sich um internes Polizeimat­erial, das nicht einmal in der Akte für die Staatsanwa­ltschaft auftaucht. Wie das Dokument zum Angeklagte­n kam, muss jetzt ermittelt werden.

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Symbolbild: Julian Leitenstor­fer Seit Jahren werden in einem Dorf im Landkreis Katzen erschossen. Ein 60 Jähriger stand jetzt vor Gericht.

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