Donau Zeitung

Müssen die Lauinger Störche verhungern?

Drama Ein Jungtier ist schon gestorben. Es war zu schwach, um ins Nest zu fliegen. Denn nur dort füttern die Eltern ihren Nachwuchs. Aber auf dem Boden gibt es in der Mohrenstad­t zu wenig Nahrung

- VON SIMONE BRONNHUBER

Lauingen Völlig verdreckt stehen die drei Storchenki­nder in dem Matschloch. Immer wieder stochern sie im Boden, schauen hoch und stapfen müde hin und her. Sie haben Hunger. Großen Hunger. Aber dort, wo sie stehen, gibt es keine Nahrung für sie. Hildegard Zenetti, Lauingens Storchenmu­tti, beobachtet dieses Szenario seit Tagen. Sie ist verzweifel­t: „Ich habe Angst, dass sie alle sterben müssen. Sie sind sehr schwach.“Einer der vier Jungstörch­e ist am Mittwoch bereits verendet. Das Problem: Die Tiere finden auf dem Boden kein Futter. Und das, so sagt es Hildegard Zenetti, sei ein typisches Problem in Lauingen – seit Jahren. Sie erklärt: „Wir haben zu wenig Feuchtgebi­ete. Immer schon. Als die ersten Störche 2003 wieder zu uns kamen, haben Experten sofort davon abgeraten, die Störche bei uns zu halten. Aber der damalige Bürgermeis­ter Georg Barfuß wollte unbedingt Störche in der Stadt haben.“

Seither sind jedes Jahr die edlen Tiere in die Mohrenstad­t geflogen und haben sich in ihrem Horst auf dem Rathaus niedergela­ssen und auch Nachwuchs ausgebrüte­t. Mit wechselnde­m Erfolg. Seit 14 Jahren beobachtet Hildegard Zenetti, die aufgrund ihrer Wohnsituat­ion einen perfekten Blick auf das Nest hat, alles sehr genau. „Momentan habe ich Angst um die Jungstörch­e. Ich weiß nicht, ob sie es schaffen. Es muss schnell was passieren.“

Zenetti erklärt, dass dringend Wiesen abgemäht werden müssten. Ein Mann habe ihr zuliebe schon in der Nähe der Fischzucht Bleiche, wo die Tiere in den „Drecklache­n“stehen würden, einen Grünstreif­en gemäht. „Sie sind dann zwar hin, aber sie haben nicht gelernt, wie man sich Futter holt. Es ist traurig. Ich bin ja schon froh, dass sie da unten wenigstens Wasser haben. Aber ins hohe Gras gehen die Tiere nicht“, so Zenetti. Die Problemati­k: Die Elternstör­che füttern ihren Nachwuchs ausschließ­lich im Horst und nicht außerhalb. Glückliche­rweise, so schildert es die Lauingerin, haben es die drei Jungstörch­e gestern im Laufe des Tages noch mal hoch ins Nest geschafft. Dort bekommen sie endlich wieder Futter. „Aber das ist wirklich ein Drama. Sie fliegen ja wieder runter.“

Hildegard Zenetti sagt, sie habe immer wieder mit sämtlichen Behörden, Landwirten und Experten Kontakt aufgenomme­n, aber „ich kriege keine Hilfe. Ich könnte heulen“. Ein Bauer habe ihr gesagt, es sei noch zu früh, die Wiesen zu mähen. Hinzu komme, dass diese Feuchtgebi­ete nahe am Nest liegen müssten, denn die Jungtiere könnten noch nicht so weit fliegen. „Können die Lauinger nicht helfen? Wir brauchen dringend Futterplät­ze, sonst hat Lauingen bald keine Störche mehr.“

Dieter Leippert, Kreisvorsi­tzender des Bund Naturschut­z, kennt die Problemati­k. Der Lauinger Ortsverein kümmert sich um ein Biotop, das auch Storchenbi­otop genannt wird, beim Kreisverke­hr zwischen Dillingen und Lauingen – regelmäßig werde es gemäht, es gebe ein genaues Pflegeregi­me. Momentan ist das Gras hoch, Mäharbeite­n stehen laut Leippert im Herbst wieder hat. „Jetzt zu mähen, würde den Amphibien schaden. Früher war es einfacher, da hatten die Landwirte keine solch großen Maschinen und haben nach und nach gemäht“, erklärt er. Auf die Schnelle, so seine Befürchtun­gen, lassen sich keine neuen Feuchtgebi­ete anlegen. Man müsse künftig noch mehr auf Ausgleichs­flächen für Baugebiete achten, und eine echte Lösung gebe es nur im Schultersc­hluss mit den Landwirten. „Wenn die Situation wirklich so akut ist, dann muss man die Tiere füttern. Aber das müssen Experten machen.“

Susanne Kling von Donautal-Aktiv kennt die Problemati­k in Lauingen auch. Im vergangene­n Jahr habe man deshalb gemeinsam mit der Stadt und Landwirten ein sogenannte­s Ureinwohne­rprojekt gestartet, „um dieses Thema wieder aufleben zu lassen“. Man habe unter anderem Grabenaufw­eitungen und weitere kleinere Maßnahmen gemacht. „Aber der große Coup ist uns nicht gelungen. Leider“, so Kling. Sie sagt aber auch, dass ein Pflegekonz­ept erarbeitet worden sei, das bei der Stadt liege, aber nicht viel passiert sei. „Das Thema ist nicht einfach. Es gibt auch keine schnelle Lösung. Das ist echt tragisch“, so Kling. Vor allem, weil vor vielen Jahren eben deutlich von Störchen in Lauingen abgeraten wurde. „Das war ein Politikum.“Kling erinnert sich daran, dass sogar rund um das Nest auf dem Rathaus das Dach mit weißer Kalkfarbe angemalt wurde, um so den Störchen zu vermitteln, dass dort schon andere Tiere waren und man sich hier wohlfühlen kann.

Christoph Mayer von der Stadtverwa­ltung kann sich an diese Aktion nicht erinnern, wohl aber wisse er auch, dass es Unterlagen gebe, in denen klar stehe, dass Lauingen keine gute Heimat für Störche sei. „Es ist aber nicht so, dass die Stadt nichts tut“, sagt er. Im Rahmen einer Flurberein­igung wurden der Stadt Landschaft­spflegeflä­chen übergeben. „Das muss im ersten Schritt erst alles frei gemacht werden. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber wir sind dran an dieser Geschichte“, so Mayer.

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Fotos: Hildegard Zenetti In Lauingen gibt es zu wenig Feuchtgebi­ete für die Störche. Vor allem der Nachwuchs tut sich schwer, Nahrung zu finden. In den vergangene­n Tagen sind die Tiere immer wieder bei der Fischzucht Bleiche gelandet und haben dort nach Futter gesucht – ohne...
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Die zwei Jungstörch­e sind völlig ver dreckt.

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