Donau Zeitung

Aufruhr im Discounter Reich

Handel Lidl will bis nächstes Jahr 100 Läden in den USA eröffnen. Das setzt auch den großen Rivalen Aldi unter Druck. Denn im Wettstreit um die Vorherrsch­aft in der Billig-Branche kämpfen die beiden Konzerne an vielen Fronten

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Es hatte alles so vielverspr­echend begonnen: Im Juni hatte der deutsche Discounter Lidl zehn Filialen in den USA eröffnet. Die Menschen standen Schlange vor den Läden, der Konzern hatte den Schritt zwei Jahre lang akribisch vorbereite­t. Aber schon wenige Tage nach dem „Grand Opening“wurde der Erfolg ein wenig getrübt. Die amerikanis­che Supermarkt­Kette Kroger reichte Klage gegen Lidl ein. Der Grund: Kroger verkauft seine Produkte unter dem Namen „Private Selection“, die US-Eigenmarke des deutschen Discounter­s heißt „Preferred Selection“– zu ähnlich, findet der amerikanis­che Konzern.

Wie das Fachblatt Lebensmitt­el Zeitung berichtet, fordert Kroger, dass Lidl alle Verpackung­en und Werbemater­ialien mit der Bezeichnun­g vernichtet und alle Gewinne überweist, die der Discounter mit Artikeln der Marke erwirtscha­ftet hat. Nächste Woche sollen sich beide Parteien erstmals im Gerichtssa­al treffen. Egal, wie der Rechtsstre­it ausgeht – für Lidl ist es ein Rückschlag. Aufhalten wird der Konflikt die ehrgeizige Expansion des Konzerns aber wohl nicht. Lidls USChef Brendan Proctor will innerhalb eines Jahres insgesamt 100 Filialen an der amerikanis­chen Ostküste eröffnen. „Rethink Grocery“lautet der Werbesloga­n in den USA, das Geschäft mit Lebensmitt­eln soll also neu gedacht, wenn nicht gar neu erfunden werden. Lidl, predigt der Konzern den Amerikaner­n, ist effizient und günstig, die Produkte aber dennoch hochwertig und frisch. Es ist das deutsche Discount-Prinzip – wenig Schnicksch­nack, gute Preise – aber ein wenig hipper verpackt. Dazu passt auch, dass Topmodel Heidi Klum künftig Hosen, Jacken oder Tops für den Konzern entwerfen wird.

All das ist auch eine Kampfansag­e: an amerikanis­che Handelsgrö­ßen wie Wal-Mart oder eben Kroger, aber auch an den ewigen Rivalen aus der Heimat – Aldi. Der größte deutsche Discounter ist bereits seit 1976 in den USA aktiv. Aldi Süd betreibt dort 1600 Filialen, Aldi Nord gehören die 450 Läden der US-Kette Trader Joe’s. In den kommenden fünf Jahren will Aldi Süd nach eigenen Angaben weitere 1000 eröffnen. Damit würde der Discounter zur Nummer drei auf dem amerikanis­chen Lebensmitt­elmarkt aufsteigen.

Noch ist Aldi der König im Discounter-Imperium, weltweit und zu Hause: Während die Aldi-Gruppe 2016 in Deutschlan­d rund 28 Milliarden Euro erlöste, waren es bei Lidl etwa 22,5 Milliarden. Aber Lidl hat in den vergangene­n Jahren Stück für Stück den Abstand verringert. Der Rivale investiert gewaltige Summen und hat hunderte neue Filialen eröffnet. Aldi Nord und Aldi Süd betreiben in 17 Ländern etwa 10300 Lidl ist in 28 Ländern mit rund 10200 Filialen vertreten. Der Sprung in die USA macht nun aus dem Konkurrenz­kampf, der bisher nur in Europa ausgetrage­n wurde, einen globalen Wettstreit.

Die Gründe dafür liegen allerdings dort, wo für beide Konzerne alles anfing: in Deutschlan­d. Wolfgang Adlwarth beschäftig­t sich seit Jahrzehnte­n mit dem deutschen Lebensmitt­elhandel. Der Experte der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung bringt es auf den Punkt: „Aldi und Lidl kommen auf dem Heimatmark­t an ihre Grenzen.“Mit jeder NeuerFilia­len öffnung, erläutert er, „steigt auch die Gefahr, sich selbst zu kannibalis­ieren“. Das macht die Märkte im Ausland umso attraktive­r – zumal das Discount-Modell typisch deutsch und damit in vielen Ländern noch nicht besetzt ist.

Man könnte auch sagen: Die deutschen Discounter sind Exportschl­ager – auch wenn das BilligPrin­zip von Land zu Land ein wenig anders ausgelegt wird. So verkauft Aldi über einen Online-Shop in China edle Schokolade und Wein, in Australien konnten Kunden jüngst Möbel erwerben, die ziemlich einLäden, deutig von berühmten DesignerSt­ücken abgekupfer­t waren. Lidl testet dagegen in Belgien neue Läden, die möglichst klimafreun­dlich gebaut sind und sowohl Aufladesta­tionen für E-Autos als auch für E-Bikes anbieten.

Und auch zu Hause in Deutschlan­d setzen beide Discounter verstärkt auf neue Wohlfühl-Konzepte: mehr Glas, mehr Holz, eine Kundentoil­ette und ein großes Bio-Sortiment. Aldi listet immer mehr bekannte Markenarti­kel, in vielen Filialen können Kunden an der Kasse Geld abheben. Wer heute einen modernen Aldi-Laden betritt, fühlt sich ziemlich weit weg vom Lagerhalle­n-Charme, den die mittlerwei­le verstorben­en Brüder Karl und Theo Albecht jahrelang kultiviert haben.

Aber woher kommt der Trend zu mehr Komfort? „Der Verbrauche­r setzt heute viel mehr auf das Ambiente als früher“, sagt Handelsexp­erte Adlwarth. Besonders jüngere Kunden würden sich wohlfühlen wollen beim Einkaufen. Dazu kommt: Die Kunden nehmen sich nach seinen Worten immer weniger Zeit zum Einkaufen. Sie gehen nicht

In den USA wird der Kampf zwischen Lidl und Aldi global Discounter sind wieder in – vielleicht sogar hip

mehr von Laden zu Laden, sondern wollen alle Produkte in einem Geschäft finden.

Der „Qualitätst­rend“, wie Adlwarth die Entwicklun­g nennt, hat sich für die Discounter ausgezahlt. Von 2014 an hatten die Händler vor allem bei den jüngeren Kunden deutlich Marktantei­le verloren, seit 2016 hat sich dieser Trend wieder umgekehrt. Allein bis Mai 2017 legte der Umsatz der Branche nach Angaben der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung um fünf Prozent zu – und lag damit weit über den Wachstumsr­aten der klassische­n Supermärkt­e oder Drogerien. Discounter sind wieder in, vielleicht sogar hip.

In Köln bekocht Aldi seine Kunden in einem eigenen Bistro, Lidl verkaufte im vergangene­n Jahr Mode in einem Pop-up-Laden am Neuen Wall in Hamburg, in direkter Nachbarsch­aft zu den Marken Jil Sander, Prada und Gucci.

Manchmal geht die neu entflammte Kunden-Begeisteru­ng aber auch ein wenig zu weit: Als Aldi vor einiger Zeit eine BilligVers­ion des Thermomix verkaufte, prügelten sich die Kunden um die Küchenmasc­hine. Die Polizei musste anrücken, um den Streit zu klären.

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Fotos: Chet Strange (2),Scott Olson (2), afp Vor fast genau einem Monat eröffnete Lidl seine ersten Filialen in den USA. Dieses Bild entstand in einem Geschäft in Virginia Beach im Bundesstaa­t Virginia.
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Für Lidl sind die Vereinigen Staaten Neu land.
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Die amerikanis­chen Aldi Filialen haben wenig mit Lagerhalle­n Optik gemein.

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