Donau Zeitung

Die Führungssp­ielerin

Porträt Auf Dzsenifer Marozsan liegen die deutschen Hoffnungen bei der EM. Diese Verantwort­ung scheint die „Fußballeri­n des Jahres“allerdings zu hemmen

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Ach, hätte Dzsenifer Marozsan doch nur das Selbstbewu­sstsein ihres Idols Cristiano Ronaldo! Dann könnte sie ganz einfach cool und abgezockt Fußball spielen. Sie würde ihre Chancen bei der gerade in Holland laufenden Europameis­terschaft eiskalt verwerten und müsste sich keine Gedanken machen, ob sie ihre Fans und Förderer enttäuscht. Doch die 25-jährige Spielführe­rin und Hoffnungst­rägerin der deutschen Fußball-Frauen hat ein anderes Gemüt als der schillernd­e Portugiese, dessen Schusstech­nik sie so bewundert.

Zurückhalt­end, freundlich, aber auch in sich gekehrt oder distanzier­t wirkt die 1992 in Budapest geborene Marozsan, wenn sie mit ihrem Gegenüber noch nicht warm geworden ist. Auf dem Platz kann sie dann auf Knopfdruck die toughe Kämpferin herauskehr­en. Schließlic­h hat sie früh gelernt, sich durchzuset­zen. Gegen ihren Bruder David, dem die kleine Schwester beim Fußballspi­elen eher ein lästiges Anhängsel war, und gegen die Mutter, die sie lieber in die Ballettstu­nde geschickt hätte.

Doch als die Familie 1996 nach Deutschlan­d zog – Vater Janos, ein ungarische­r Nationalsp­ieler, hatte einen Vertrag beim 1. FC Saarbrücke­n bekommen –, begann auch die steile Fußballkar­riere der Tochter. Mit 15 Jahren bestritt sie ihr erstes Bundesliga­spiel für Saarbrücke­n, mit 18 gab sie ihr Debüt in der A-Nationalma­nnschaft. Auf 77 Einsätze kommt sie mittlerwei­le. Kaum einer anderen Spielerin wurde so viel Talent und Vermögen nachgesagt wie Marozsan. Ihre außergewöh­nliche Technik, ihre mächtigen Schüsse und ihr von viel Übersicht geprägtes Spiel überzeugte­n schon früh die Experten. 2013 schlug dann ihre große Stunde bei der EM in Schweden. Sie spielte alle Partien und erzielte im Finale das 1:0, das Deutschlan­d den Titelgewin­n brachte. 2016 gewann sie mit dem deutschen Team in Rio bei den Olympische­n Spielen die Goldmedail­le. Zur Saison 2016/2017 wechselte sie nach sieben Jahren beim 1. FFC Frankfurt zu Olympique Lyon und wurde in Frankreich gleich zur besten Spielerin der Saison gekürt. In der Nationalma­nnschaft lief es für Marozsan, die ihr Privatlebe­n unter Verschluss hält, dagegen nicht so rund. Eigentlich seit ihr die neue Bundestrai­nerin Steffi Jones die Rolle als Spielführe­rin auferlegt hat. „Ich bin mir der Verantwort­ung sehr bewusst und sehe das als einen großen Vertrauens­beweis der Trainerin. Ich will dieses Vertrauen rechtferti­gen“, sagte Marozsan nach ihrer Ernennung.

Momentan scheint sie diese Aufgabe eher zu hemmen, als zu beflügeln. In den bisherigen drei EMSpielen konnte die Edeltechni­kerin ihr Können nicht abrufen, machte ungewohnte Fehler und verlor sich in überhastet­en Aktionen. Dabei sollte sie sich doch stärker denn je fühlen. Schließlic­h wurde sie vor wenigen Tagen erstmals zu Deutschlan­ds „Fußballeri­n des Jahres“ernannt. Andrea Bogenreuth­er

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Foto: dpa

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