Hurra, wir kriegen Nachwuchs!
Statistik Noch immer bleibt jede fünfte Frau „endgültig kinderlos“, doch der Abwärtstrend ist gestoppt. Forscher sehen eine Reihe von Gründen für die Entwicklung
Berlin Der jahrzehntelange Trend zur Kinderlosigkeit in Deutschland ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gestoppt. Demnach werden heute etwa 80 Prozent der Frauen in der Bundesrepublik im Laufe ihres Lebens Mutter. 20 Prozent bleiben dauerhaft kinderlos. Auf diesem Wert hat sich die Kinderlosigkeit nach Angaben der Behörde nun seit einigen Jahren stabilisiert. Zuvor war die Kinderlosigkeit stetig angestiegen. Betrug sie bei den 1937 geborenen Frauen noch elf Prozent, kletterte der Wert bei Frauen des Jahrgangs 1967 auf 21 Prozent – fast eine Verdoppelung. Georg Thiel, Vizepräsident
Offenbar hilft die Kinderbetreuung
des Statistischen Bundesamtes, sieht im gestoppten Anstieg der Kinderlosigkeit „nicht nur eine Folge der starken Zuwanderung“, sondern auch ein Resultat des Ausbaus der Kinderbetreuung und der Einführung des Elterngeldes.
Bei Akademikerinnen ist die Kinderlosenquote in den vergangenen Jahren laut Thiel sogar zurückgegangen. Jede vierte Frau mit Studienabschluss hat bis zum Alter von 44 Jahren keine Kinder – dies sei noch immer vergleichsweise viel, doch vor vier Jahren habe der Wert noch bei 28 Prozent gelegen.
Nicht nur akademisch gebildete Frauen profitieren laut Thiel von einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So habe die Erwerbstätigkeit von Müttern mit kleinen Kindern deutlich zugenommen. Der Anteil von erwerbstätigen Frauen mit einjährigem Kind ist innerhalb von acht Jahren von 36 Prozent auf 44 Prozent geklettert. Die Statistik verzeichnet nach Angaben von Georg Thiel aber auch negative Trends: Unter den in Deutschland geborenen Frauen ohne akademischen Abschluss stieg die Kinderlosenquote auf inzwischen 22 Prozent an. Dieser Wert werde „durch eine niedrigere Kinderlosigkeit bei Zuwanderinnen gedämpft“.
Die Zahlen, die auf dem Mikrozensus 2016 beruhen, für den 800000 Haushalte befragt wurden, spiegeln deutliche regionale Unterschiede wider. Besonders ausgeprägt ist die Kinderlosigkeit in den Stadtstaaten, am höchsten ist der Anteil der Frauen, die dauerhaft ohne Kinder bleiben, mit 31 Prozent in Hamburg. Insgesamt ist Kinderlosigkeit in Städten deutlich verbreiteter als auf dem Land. In Bayern, wo der Gesamtwert bei 20 Prozent kinderlosen Frauen liegt, ist der Unterschied besonders augenfällig: Auf dem Land verzeichnen die Statistiker nur 15 Prozent kinderlose Frau- en, in den Städten des Freistaats sind es dagegen 30 Prozent.
Am niedrigsten ist die Kinderlosenquote in den ostdeutschen Flächenländern mit Werten zwischen elf und 13 Prozent. In den westlichen Flächenstaaten haben BadenWürttemberg und das Saarland mit je 19 Prozent die niedrigste Quote, Spitzenreiter ist Schleswig-Holstein mit 24 Prozent.
Im Durchschnitt hat jede Mutter exakt zwei Kinder, so die Studie. Doch es gibt Unterschiede, wenn unterschiedliche Gruppen von Müttern betrachtet werden: Mütter mit hohem Bildungsstand haben im Schnitt 1,9 Kinder, egal ob es sich um in Deutschland geborene Frauen oder Zuwanderinnen handelt. Mütter mit niedrigerem Bildungsstand haben im Durchschnitt 2,4 Kinder – in Deutschland geborene 2,2, bei Zugewanderten erreicht der Wert 2,6. So positiv Georg Thiel die Entwicklungen bewertet, so vorsichtig ist er in seiner Prognose für die Zukunft.
Ob der Trend anhalte, sei allerdings völlig ungewiss. Thiel sieht viele Unwägbarkeiten: Wie sich die Kinderlosenquote bei den jüngeren Frauen entwickle, lasse sich nur schwer einschätzen. Ebenso lasse sich noch nicht vorhersagen, welchen Einfluss der Zuzug von Flüchtlingen auf die Geburtenzahlen haben werde. Da für die Studie nur Menschen in Privathaushalten, aber nicht in Not- oder Sammelunterkünften befragt wurden, spiegele sich in ihr der massive Flüchtlingszuzug seit 2015 nur zu einem kleinen Teil wider. Und trotz aller Fortschritte bleibe die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele Frauen in Deutschland eine große Herausforderung.